Das Viertelfinale

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von René Oberholzer

Gestern fand das Viertelfinalspiel im Schweizer Klostercup statt. 22 Nonnen standen sich gut vermummt und in Handschuhen bei Kälte und leichtem Schneetreiben auf einem Ostschweizer Provinzfußballplatz gegenüber. Beim Kloster Wonnenstein hatten der Vollzähligkeit halber 2 Nonnen aus Ungarn und beim Kloster Magdenau 4 Nonnen aus Tschechien eingeflogen werden müssen.

Genau um 13 Uhr ertönte der Anpfiff zu diesem Viertelfinale, das im Vorfeld in Kirchenkreisen einige Wellen geworfen hatte. Sponsor dieses historischen Cups war das Bistum Chur, das sich mit diesen Spielen erhoffte, mehr Novizinnen für das Klosterleben gewinnen zu können.

Schon nach wenigen Minuten zeichnete sich ab, dass das Kloster Magdenau das Spiel für sich entscheiden würde. Dafür sprachen das vergleichsweise niedrige Durchschnittsalter von 67 Jahren, das gute Profil der Turnschuhe, die von Schwester Emanuela eigens für dieses Spiel noch einmal überprüft worden waren, und die spirituelle und mentale Überlegenheit.

So erstaunte es nicht, dass die Nonnen von Magdenau bereits nach 12 Minuten durch einen Freistoss von Schwester Siglinde, die den Ball geschickt flach gehalten hatte, in Führung gingen. Das führte zu einer völlig entfesselten Stimmung auf der Zuschauertribüne, vor allem bei Pater Sigismund, der seine Mitpatres animierte, lauthals in Sprechchören „Gott ist mit uns!“ zu rufen. Doch die Fans der gegnerischen Nonnenschaft blieben auch nicht untätig in der eisigen Kälte stehen. Pater Frederick ermunterte seine Bruderschaft, die Worte „Gott ist ein Wonnensteiner!“ immer wieder zu skandieren. Das beflügelte die alten Nonnen zwar nicht, wesentlich schneller zu rennen, doch gab es ihnen das Gefühl, Gott lasse sie in dieser neuen, schweren Prüfung nicht allein.

In der 39. Minute fiel das 2:0, ein schön herausgearbeitetes Kopfballtor durch Schwester Yolanda, die danach zu Boden fiel und mit dem Kopf im Pulverschnee für einige Sekunden wie benommen liegen blieb.

Die Zeit bis zur Pause war nicht schön anzusehen. Schwester Susanne konnte nur noch über den Platz humpeln, Schwester Veronika klagte über Wadenschmerzen, und der verstärkt einsetzende Schneefall führte dazu, dass der Ball nach der Schussabgabe auf beiden Seiten fast nicht mehr vom Fleck kam.

Alle freuten sich auf die Pause, auf den Anis-Punsch aus der Kräuterapotheke des Klosters Wonnenstein, auf die Brunzlis des Klosters Magdenau und auf die Wadenmassagen von Schwester Pia und Schwester Rosmarie.

Als das Schneetreiben immer heftiger wurde und keine Wetterbesserung in Sicht war, beschloss man, das Spiel nach der 1. Halbzeit abzubrechen. Den Nonnen war das recht. Nur die Patres, denen kleine Schneemützen auf dem Kopf gewachsen waren, hätten gerne noch mehr gesehen, freuten sich aber dennoch über das Fachsimpeln, das bis gegen 15 Uhr vor der Umkleidegarderobe andauerte.

Dann verabschiedeten sich die beiden Nonnenschaften, fuhren in ihren Bussen in ihre Klöster zurück und beteten, dass das Wetter beim Wiederholungsspiel hoffentlich besser sein würde. Und die Nonnen des Klosters Magdenau träumten bereits vom Sieg im Finalspiel in 5 Wochen und somit vom Gewinn der goldenen Madonna mit Jesuskind.

© René Oberholzer

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