Der Asteroid - Page 4

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ich passierte, stand eine schwangere Frau und suchte irgendetwas. Ich ging vorbei, aber als sie gegen eine Flasche stieß, die vom Müllberg fiel und auf der Straße zersprang, drehte ich mich blitzschnell um und zielte auf sie.
„Noch einmal und du bist tot!“, schrie ich. Die Frau erstarrte und bewegte sich erst wieder – wie ich im Augenwinkel sehen konnte – als ich schon über hundert Meter weiter war.
Mir war klar, dass ich nicht mehr viel Zeit hatte und ich war nicht bereit, auch nur eine Sekunde abzugeben. Ich hatte eine Waffe. Irgendetwas hatte sie mir zugestanden und ich würde sie einsetzen. Sie hätte zu jedem anderen rutschen können, aber sie war zu mir gerutscht. Der Raubzug hätte in jedem anderen Kaufhaus der Stadt stattfinden können, aber er war dort passiert, genau in dem Kaufhaus, das ich genau zu diesem Zeitpunkt betreten hatte. Das gab mir Kraft, aber ich wusste, ich musste mich und Linda vor allem da draußen beschützen. Es würde nicht lang dauern und dann würden sie uns sogar noch unsere letzten Tage nehmen.
Als ich das Hochhaus betrat, hatte ich Herzklopfen. Ich hatte mir immer wieder zurechtgelegt, was ich sagen wollte, aber alles verworfen. Der Aufzug funktionierte schon nicht mehr, der Display oben war aus. Gab es schon keinen Strom mehr? Jetzt kam es mir vor, als wäre ich Wochen weg gewesen. Ich schritt die Treppe langsam nach oben und dachte nach, wie sie reagieren würde. Vielleicht würde sie nicht mehr mit mir reden oder mich gar nicht erst registrieren. Am Treppenabsatz holte mich meinen Schlüssel hervor und steuerte dann auf die Wohnung zu, aber ich sah, dass die Tür sperrangelweit offenstand. Mein Herz raste plötzlich und ich rannte zur Wohnung. In der Tür blieb ich abrupt stehen und sah Linda. Zwei Löcher im Rücken, verfärbte Kleidung. Ich brach zusammen.

5

Als ich wieder erwachte, lebte ich noch. Ich lebte noch in einer Welt, in der Linda lebte, in einer Welt, die nicht unterging, aber nur wenige Momente später brach alles über mir zusammen. Ich weinte. Ich hätte nicht gehen dürfen. Ich hatte ihr gesagt, dass ich sie beschützen würde, aber ich war einfach gegangen.
Mein Mund war trocken und mein Kopf schmerzte, aber das war mir egal. Ich musste aufstehen. Ich musste dafür sorgen, dass nie wieder jemand dieses Haus betreten würde. Jeder hier oder da draußen war ein Feind.
Ich stand auf, hob die Pistole vom Boden auf und ging zur Tür gegenüber. Ich wusste nicht, wer es getan hatte und es war wahrscheinlich unmöglich herauszufinden, aber ich musste alle aus dem Haus vertreiben. Ich wollte sie nicht töten, aber sie mussten weg. Dennoch: Wenn es nötig wäre, wäre es eben nötig.

Als ich Schritte über mir hörte, überlegte ich keine weitere Sekunde, trat aus meiner Wohnung und lief ein Stockwerk nach oben, lief, bis ich die Wohnung erreichte, die direkt über meiner war. Kein Zögern, ein Tritt und die Tür splitterte.
„Hören Sie auf!“, rief eine Männerstimme von innen. Ich hörte nicht auf, trat weiter, bis der klägliche Überrest der Tür lose in den Angeln hing. Vor mir stand ein Mann, der ein Küchenmesser in der Hand hielt.
„Verschwinden Sie“, sagte ich und hob die Pistole. Eine Sekunde war völlige Stille, dann nickte er, ließ das Messer fallen und ich ging langsam um ihn herum, während er meiner Anweisung Folge leistete.
„Schlüssel“, sagte ich, als er mit dem Rücken in der Tür stand und er holte seine Schlüssel aus der Hosentasche und ließ ihn ebenfalls fallen.
Ich hörte, wie er die Treppe herunterlief, als ich den Schlüssel aufhob. Ich suchte die Wohnung nach weiteren Leuten ab, aber keine Spur. Weder im Schlafzimmer, noch im Gästezimmer, nicht im Bad, nicht in der Küche, nirgendwo. Ich sah unter den Betten nach, in den Schränken. Er war der einzige gewesen. Ich setzte mich auf das Bett meines ehemaligen Nachbarn und ging meine Optionen durch. Es würde hart werden. Polizisten rannten marodierend durch die Straßen, Schwangere mussten im Müll herumwühlen – das hier war fressen oder gefressen werden, wenn nicht jetzt, dann bald.
Ich stand auf und sah mich in der Wohnung um. Ich fand ein paar Socken und ein Paar Stiefel, die tatsächlich einigermaßen passten. Es tat weh, als ich die durchgelaufenen Treter langsam über meinen Fuß zog. Die Socken zeigten mir schon, was auf mich zukam. Das Blut hatte sich dunkel durchgedrückt und es schmerzte höllisch, als ich die Socken zum Teil abriss; anders war es nicht zu bewerkstelligen. Meine Haut war an vielen Stellen aufgerissen und von Blasen übersät. Ich sollte die Wunden desinfizieren oder zumindest waschen, aber jetzt war keine Zeit dafür.
Ich wusste nicht, wie viele Kugeln noch im Magazin waren oder wie man das nachprüfte, aber ich war mir sicher, dass die Pistole allein alles regeln würde.
Ich leckte mir über meine spröden Lippen. Mein ganzer Körper schrie nach Essen und Schlaf. Aber jetzt ging es nicht.
Dieses Haus hatte drei Stockwerke mit jeweils sechs Wohnungen. Wenn ich unsere … meine Wohnung sowie die Wohnung herausrechnete, in der ich mich gerade befand, blieben sechzehn. Vielleicht versteckte sich noch irgendjemand im Keller. Ich musste nur hoffen, dass niemand von ihnen eine Waffe hatte, aber irgendwo in mir wusste ich, dass das nicht der Fall sein würde.
Von den restlichen sechzehn Wohnungen waren nur noch neun bewohnt, wie ich herausfand. Eine ganze Familie im ersten Stock, sonst immer nur ein oder zwei Leute. Es war nicht schwer, sie zu verscheuchen, niemand wehrte sich, niemand griff mich an, jeder Einzelne gab mir die Schlüssel. Auch keine Tränen – sie hatten gewusst, dass das irgendwann passieren musste. Jedes Mal wartete ich eine Zeit lang, weil ich nicht wollte, dass sich dutzende Leute vor dem Hochhaus zusammenrotteten. Als alle das Haus verlassen hatten, fing ich an, den unteren Teil des Hauses zuzustellen. Tische, Stühle, alles was ich finden konnte. Diese Tür durfte sich nie wieder öffnen. Schließlich kontrollierte ich noch den Keller, aber hier verschanzte sich auch niemand.
Ich würde dieses Haus nie wieder verlassen. Nach oben konnte ich gerade auch nicht; ich konnte nicht zurück zu Linda. Ich schleppte mich in die Wohnung

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