Das Mädchen Rosemarie (Nitribitt)

Bild von Annelie Kelch
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O Aug, das nicht warm wird mit dieser Welt,
O Lächeln von mancherlei Fluor, darüber keine Wolke huscht …
O Träne, seltsamer Tropfen, der keine Rinne gräbt auf seinem
Weg zur schwellenden Lippe.

Was ist dir der Tag ...? – Schatten, der die Nacht erhellt?
Vergebens schreit nach Erfüllung, was dir ans Herz wuchs …
Und keines, das je nach dir schrie: Ach, Rosemarie …!,
Nicht einmal sieben Jahre … Hättest du es gehört …?

Zu tief sitzt, was man Leid nennt, ängstlicher Vogel, der das
Licht scheut. – Wo die Nacht aus wilden Rosen gemacht, küsst du die
Gläser bis auf den Grund. Mit der Sorglosigkeit einer Katze wetzt
Du die roten Krallen: So liebt es die Beute und zahlt jeden Preis.

Einmal öffnet lautlos sich die Tür, schenkt einer dir den
Abschiedskuss vorm letzten Blätterfall … wirst du unter der Erde sein,
Verlorenes Kind, verblühtes Rosmarin-Leben zwischen Verlangen
Und Vergessen, ach, frag nicht ... frag nicht, was dein

Schädel noch im Museum soll, frag lieber nach frischen Blumen:
Ja! –, hin und wieder auf deinem Grab, und Wind, der darüberstreicht,
Und der Mond, tagblind für die Salzflut der Tränen, und Stimmen,
Rosemarie ... als kämen tatsächlich Menschen zu dir zu Besuch.

Dieses Gedicht ist entstanden, nachdem ich den Spielfilm „Das Mädchen Rosemarie sah“, darin Nina Hoss so hervorragend die Hauptrolle gespielt hat. Das Schicksal der Nitribitt geht nahe nicht nur, wenn man ihre traurige Vorgeschichte kennt. Rosemarie Nitribitt wurde nur 24 Jahre alt. Ihr Tod wurde nie aufgeklärt. – In nicht allzu ferner Zukunft wird die Wissenschaft anhand einer DNA in der Lage sein, Phantombilder zu erstellen. In Amsterdam ist die Forschung bereits vorangeschritten. Schon jetzt ist es möglich, anhand einer DNA in etwa Augen- und Haarfarbe zu bestimmen. DNA kann bereits aus einer winzigen Hautschuppe gewonnen werden. Früher brauchte es dazu eine nicht unbeträchtliche Menge Blut. Man kann Hautschuppen etc. duplizieren, um ein präziseres Ergebnis zu erlangen. Das alles zeigte gestern Abend der Fernsehsender Phönix: eine hochinteressante Dokumentation. - Rosemarie Nitribitt wurde "kopflos" begraben. Ihr Schädel befindet sich in einem Museum, ich meine, in Frankfurt/Main.

Rosemarie Nitribitt, eigentlich: Maria Rosalia Auguste Nitribitt, (* 1. Februar 1933 in Düsseldorf; † vermutlich 29. Oktober 1957 in Frankfurt am Main) war eine deutsche Prostituierte, die ermordet wurde. Bei den polizeilichen Ermittlungen stellte sich heraus, dass sie Kontakte zu bedeutenden Persönlichkeiten hatte. Da der Mordfall nicht aufgeklärt werden konnte, wurde in manchen Medien der Eindruck erweckt, dass bestimmte Kreise aus Wirtschaft und Politik die Aufklärung zu verhindern suchten (Quelle: Wikipedia).
Die zu Lebzeiten als Frankfurter Edelprostituierte bekannte Nitribitt erlangte nach ihrem Tod landesweite Berühmtheit. Ihr Leben inspirierte unter anderem einen Roman, mehrere Spielfilme, das Musical 'Das Mädchen Rosemarie' und Theaterstücke. Sachbücher und Filmdokumentationen befassen sich mit dem Fall Nitribitt.

Interne Verweise

Kommentare

12. Jan 2019

Du bringst es in der nur Dir eigenen ganz besonderen Sprache auf den Punkt, liebe Annelie, Rosemarie Nitribitt, das verwegene verlorene schöne Kind, das dem Reiz des großen Geldes erlag, Auge, das nicht warm wurde mit dieser Welt, und auch ihr legendärer silbergrauer Mercedes 190 SL war bekannt und berüchtigt, den neuen Film kenne ich nicht, werde es nachholen, aber der Vorgängerfilm von 1958 mit Nadja Tiller und Peter van Eyck in der Hauptrolle war auch eindrucksvoll, alles hat sich in der Frankfurter Innenstadt abgespielt, der Nachkriegsaltbau, in dem sie gewohnt hat, sieht noch aus wie früher, ist als einziges Gebäude völlig herunter gekommen, keiner weiß, warum, so aber werde ich fast täglich an diesen Mordfall erinnert, der sich mir tief eingeprägt hat, vor dessen Aufklärung sich sicher noch der eine oder andere inzwischen alte „Promi“ fürchtet, danke auch für die ausführliche Information als Beigabe – und einen guten Restsamstag –

liebe Grüße - Marie

12. Jan 2019

Danke, liebe Marie, für Deinen ausführlichen Kommentar, der mich sehr an Wissen bereichert hat. Es soll ja neue Spuren geben im Fall Nitribitt. Der Nadja Tiller soll man noch Jahre nach dem Film "Rosemarie" nachgerufen haben. Und es heißt: Selbst ein Bundeskanzler, wenn auch mit kurzer Amtszeit, soll den Reizen der Rosemarie Nitribitt erlegen gewesen sein. Dies kann selbstverständlich ein Gerücht sein, aber auch mit ein Grund, ihr den Tod zu wünschen. Für ihre schreckliche Kindheit und Jugend hat sie einen erstaunlichen Geschäftssinn und eine Zielstrebigkeit entwickelt, über die man sich nur wundern kann. Wahrscheinlich hat sie all das Leid, das sie in ihrem kurzen Leben erfahren musste, total verdrängt. Irgendwann muss sie angefangen haben, sich zu wehren gegen weiteres Leid und Ungerechtigkeiten. - Was hätte nicht alles aus ihr werden können, wenn sie einen anderen Weg gegangen wäre! Ja, sieh Dir bitte den Film mit Nina Hoss an; er ist sehr gut und menschlich. Dieses oft erstarrte Lächeln der Nina Hoss, das wohl das Innere der Rosemarie in manchen Situationen charakterisiert, wird mir unvergesslich bleiben. Ich dank Dir auch ganz lieb für Dein schönes Lob.

Liebe Grüße und auch Dir einen schönen Restsamstag,
Annelie

12. Jan 2019

Aus realen Dingen Kunst zu formen, ist nie leicht -
Du hast's hier meisterlich erreicht!

LG Axel

12. Jan 2019

Dank, lieber Axel, Dir, Dein Lob erfreut mich sehr,
auch meisterlich mal sein, ist leicht ...
meisterlich bleiben, ist dagegen schwer.

LG Annelie

12. Jan 2019

Dem Mädchen Rosemarie verleihst Du mit Deiner besonderen Sprache, die Marie auch so treffend hervorhebt, eine Zartheit und Verwundbarkeit, die Mitgefühl mit diesem Menschen hervorruft; Du findest immer wieder Ausdrucksmöglichkeiten, schaffst Bilder, die mich als Lesende faszinieren. Ein klasse Text, liebe Annelie, der noch durch die Anmerkungen unterstützt wird im Hinblick auf den
historischen u. aktuellen Sachstand. Die Rosemarie mit Sonnenbrille, im Hintergrund viele unterschiedliche Farblinien auf Deinem Bild, spiegeln das Gedicht, meint mit lieben Grüßen ins Wochenende - Ingeborg

12. Jan 2019

Liebe Ingeborg, ich sage Dir ganz ehrlich: Für dieses Mitgefühl und Verständnis, das ich auch durchaus aufbringen würde, hätte ich nie ein Foto der Nitribitt gesehen, sondern nur ihre "Geschichte gehört, gelesen, ist ganz allein die Schauspielerin Nina Hoss verantwortlich, die mir Rosemarie im wahrsten Sinne des Wortes ans Herz gelegt hat. Meine Freundin wäre Rosemarie ganz sicher nie geworden, weil ich nie den Drang verspürt habe, zur High Society zu gehören, eine Gesellschaftsschicht, die für sie offenbar das Nonplusultra war und die ihr den frühen Tod gebracht hat. Aber ihre Vorgeschichte: Heim, Pflegeeltern, Heim, Missbrauch etc. macht mich traurig. Die Demütigungen, die sie im Laufe ihres Lebens erlitten hat, kann ich durchaus nachvollziehen. Dass sie trotz allem nicht aufgegeben hat, beweist innere Stärke trotz aller Labilität, und ich mag es auch nicht, wenn abwertend von solchen Mädchen gesprochen wird. Für Dein liebes Lob danke ich Dir ganz herzlich und wünsche Dir

ein Wochenende mit wunderschönen Impressionen,
liebe Grüße,
Annelie

13. Jan 2019

Das bewegte Leben einer jungen und leidgeplagten (Geschäfts) Frau, der du diese besonderen Zeilen widmest.
Ich las Folgendes über sie:
Kurz nach Kriegsende prostituiert sie sich erstmals, ihre Kunden sind Besatzungssoldaten. Mit 14 treibt sie ab, kommt in Heime, flieht stets. 1951 wird sie wegen Landstreicherei zu drei Wochen Haft verurteilt, schafft im Frankfurter Bahnhofsviertel an, das darauffolgende Jahr verbringt sie größtenteils in einer Arbeitsanstalt. 1953 dann scheint Rosemarie für sich eine Entscheidung getroffen zu haben. Sie will nicht mehr eine gewöhnliche Hure sein, sondern hoch hinaus. Also nimmt sie Benimmunterricht, lernt ein wenig Englisch und Französisch. Vor allem beginnt sie, in ihr Aussehen zu investieren und sich immer mondäner zu inszenieren. Sie trägt Pelz und auffälligen Schmuck und auf dem Arm einen Pudel. Ihr größter Coup: Sie gabelt die Freier mit einem Auto vor dem Luxushotel Frankfurter Hof auf. Erst in einem Ford Taunus 12 M, dann einem Opel Kapitän und schließlich einem schwarzen Mercedes 190 SL mit roter Polsterung und Weißwandreifen.
Die Nitribitt war eine selbstbestimmte Geschäftsfrau ohne Zuhälter, die ihre Einnahmen reinvestierte. Oder ehrgeizig sparte. Sie gab so gut wie kein Geld für Essen aus. Am Tag ihrer Ermordung hatte sie auf dem Konto stolze 90 000 Mark und im Magen Reis. Quelle: www.sueddeutsche.de

Liebe Grüße
Soléa

13. Jan 2019

Liebe Soléa, vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Für mich ist die Nitribitt in erster Linie ein Mensch, der nie Liebe erfahren hat. Sie wurde mit 11 Jahren missbraucht, hat mehrere Heimaufenthalte "absolvieren" müssen und kam zu Pflegeeltern, die den Tod ihres einzigen Sohnes nicht überwinden konnten. Das viele Geld hat ihr kein Glück gebracht. Es gibt anscheinend mehrere Versionen über das Leben der Nitribitt, aber wer blickt schon hinter die Fassaden, hinter die nackten Tatsachen. In erster Linie ist sie Opfer, nicht allein Mordopfer, sondern auch eines der desolaten familiären Verhältnisse, die sie bei ihrer Geburt "vorfand".

Liebe Grüße, nochmals Dank an Dich für Deine Bemühungen, Licht in Rosmaries Leben zu bringen,
und einen schönen Sonntag,
Annelie

13. Jan 2019

Welch traurige Geschichte, liebe Annelie, die Du in so wunderbaren Bildern beschreibst, die das Mitgefühl wecken für diese arme Seele, die viel zu früh aus dem Leben scheiden musste.
Sehr beeindruckend und berührend!

Liebe Grüße,
Ella

13. Jan 2019

Liebste Ella, über Deine mitfühlenden Worte freue ich mich sehr. Auch Rosemarie hätte sich darüber gefreut. Das hoffe ich jedenfalls.
Danke auch für Dein liebes Lob.

Herzliche Grüße zu Dir und einen wundervollen Sonntag,
Annelie

13. Jan 2019

kommentiere nur kurz,liebe Annelie.
Das ist dir wieder mal gut gelungen.Respekt.
Ich erinnere mich noch an das Thema in den 50igern.
War fünf oder so. Aufmerksames Kerlchen,ich,gelle?
Zu große Antennen von Anfang an.
liebe Grüße
ulli

13. Jan 2019

Lieber Ulli, vielen Dank für Deinen Kommentar. Also ja, Du warst da schon aufmerksam ... in dem Alter. Ich habe diesen Wind um Rosemarie auch mitbekommen, damals ca. drei Jahre älter als Du. Wir hatten "die Mappen"... Von der "Neuen Post" (reines Klatschblatt) bis hin zum "Stern" waren die Illustrierten aufgebauscht damit. Da ich einige Hefte auch gelesen habe, war ich bestens unterrichtet. Zum Glück haben sich meine Eltern überhaupt nicht für den Tod der armen Rosemarie interessiert und auch nie darüber gesprochen. Ich danke Dir ganz lieb für Dein Lob und wünsche Dir einen schönen Sonntagabend.

Liebe Grüße,
Annelie

14. Jan 2019

Vom Erschrecken über Leid bis hin zum Mitleid spiegeln sich tiefeindringlich auch meine Gefühle beim Lesen/Sehen dieses bilderreichen Gedichts inklusive der vielen erläuternden Kommentare... - wow - mal wieder!

LG Yvonne

14. Jan 2019

Hallo, liebe Yvonne, es freut mich sehr, dass auch Du dieses Gedicht gelesen hast, das wohl nicht jedermanns Geschmack trifft. Fakt ist, dass Rosemarie Nitribitt eine facettenreiche Persönlichkeit war, glücklich war sie ganz gewiss nicht mit ihrem Beruf, obwohl sie ein sorgenfreies Leben führen konnte. Dass der Täter immer noch nicht ermittelt werden konnte, wirft m.E. ein ganz besonderes Licht auf ihr tragisches Ende und, sofern der Täter eine bekannte Persönlichkeit (gewesen) sein sollte, gestaltet sich dieser Mord noch mysteriöser als ohnehin. Für Dein "wow" bedanke ich mich ganz lieb.

LG Annelie

08. Feb 2019

Just heute noch in einer Schülern gezeigten Dokumentation gesehen und thematisiert...und an dieses Gedicht gedacht dabei :)!
Danke dir und ein schönes Wochenende Yvonne

10. Feb 2019

Danke, liebe Yvonne. Dein Kommentar ist sehr interessant. Hatte diese Dokumentation etwas zu tun mit der Aufklärung von Cold Cases (Ungeklärte alte Kriminalfälle), mit Prostitution in der Gesellschaft damals und heute, evtl. mit neuen Errungenschaften in der Kriminalistik zur Aufklärung von Mordfällen oder "nur" mit dem kurzen Leben der Rosemarie Nitribit? Das würde mich interessieren. Kurze Mitteilung genügt.
Auch Dir noch einen schönen Sonntagabend,
Annelie

10. Feb 2019

Hallo Annelie, es war eine Geschichtsdokumentation über Deutschland nach 1945: https://m.youtube.com/watch?v=fr5K6b2NSvQ

LG und einen schönen Abend auch dir! Yvonne

12. Feb 2019

Danke, liebe Yvonne. Nicht schlecht, dieser Film. - Gestern sah ich einen Dokufilm über die Weimarer Republik - auch sehr beeindruckend, insbesondere, was die Inflation betraf. Und auch die "Goldenen Jahre", deren Instabilität man eigentlich hätte voraussehen müssen.

LG Annelie

15. Jan 2019

DIE Nitribit, ein armes verlorengegangenes Menschenkind. Niemals geliebt. Ich gebe zu, ich habe mich nicht ausgiebig mit ihr beschäftigt. Zum Zeitpunkt ihres Todes war ich fünf Jahre alt. Ich erinnere mich noch dunkel an das Bild in der Zeitung. Eine junge schöne Frau im Pelz, mit auffälligem Schmuck, in einem großen Auto. Meine Oma hielt uns einen Vortrag über die "Lebedame". Ich wusste nicht, was das war und warum man die schöne Frau umgeracht hatte, wo sie doch eine Freundin des Bundeskanzlers war. Aber Omas eigenartige Faszination, die habe ich gespürt.
Rosemarie Nitribit würde sicher freuen, dass Du ihr dieses Gedicht gewidmet hast, dass Du uns dazu gebracht hast, über sie nachzudenken und Mitgefühl zu entwickeln. KEIN vernichtendes Urteil zu fällen.

Liebe Grüße, Susanna

15. Jan 2019

Liebe Susanne, über Deinen Kommentar habe ich sehr gefreut. Ja, ich habe auch gelesen irgendwo, dass Kiesinger mit ihr "befreundet" gewesen sein soll. Ob das tatsächlich wahr ist ... ob sie deshalb sterben musste ... Leider hatte sie nie die Chance, einen Beruf zu erlernen, der sie unabhängig gemacht hätte - zumindest von der Gunst der Männer, bzw. ist ihr ein solches Leben nie "schmackhaft" gemacht worden. Ein vernichtendes Urteil zu fällen, wäre allein aufgrund ihrer Vorgeschichte nicht angebracht. Auf den meisten Originalfotos (nicht Filmfotos) wirkt sie auf mich irgendwie verloren ... und irgendwie nicht besonders interessiert, was andere Dinge als Geld und ein zweifelhafter Ruhm betreffen. Auch das liegt wohl an ihrer Vorgeschichte.

Herzliche Grüße zu Dir und einen schönen Tag, liebe Susanna,
Annelie