Sonntag –
Der Klang der Kirchenglocken ...
Ich erwache heute später als sonst
aus jenem Traum, den ich erwarb
vor gut einem halben Jahr.
Ich hatte drei zur Auswahl:
Der Händler auf der Kirmes
in der orientalischen Bude
bot sie mir an zur gefälligen Probe.
Ich durfte jeden Traum ein einziges Mal
träumen … und kaufte den letzten,
darin ich glücklich war.
Ich träume ihn seither jede Nacht;
er kostete neunundneunzig Euro
achtundneunzig, ein Spottpreis.
Zuallererst sehe ich jenen armen,
unbelehrbaren Irren, der draußen in
seinem Auto sitzt und hupt, während bei
mir zur gleichen Zeit das Telefon
läutet (es ist leider nicht das erste Mal
und Belästigung pur), endlich ...
für immer zur Hölle fahren.
Das bringt mich gewaltig zum Lachen,
bevor ich mir die Ohren zustopfe
und genüsslich weiterträume …
Jetzt kommt Er ins Bild … für mich
der schönste Mann auf Erden;
auf einen wie ihn hab ich
mein Leben lang gewartet.
Wir lieben uns wie Rose und Dorn,
wie die Geigen ihre sanften Bogen,
wie Zeiger die Uhren: Sobald wir
zusammen sind, bleiben sie stehen,
und wir vergessen die Welt.
Wir schlafen wie Wälder unterm
Schnee des Winters, wie Worte
in ungelesenen Büchern, wie Täler
im Schatten ihrer Berge.
"Ich bin mit diesem Traum sehr zufrieden",
teilte ich dem Händler kürzlich mit;
aber er verstand kein einziges Wort.
„Sie können ihn jederzeit umtauschen,
meine Liebe. Immer zu Ihren Diensten“,
schmeichelte er. – Aber ich denke
nicht im Traum daran.
In memoriam Ingeborg Bachmann und Paul Celan
Kommentare
Träume sind wichtig, wie man sieht -
Weil so poetisch viel geschieht!
(Zu mir traut sich kein Traum ins Haus -
Die reißen vor Frau Krause aus ...)
LG Axel
Danke, lieber Axel, für deinen Kommentar.
Dieses Gedicht versteht eigentlich nur, wer
die Werke von Bachmann und Celan gelesen hat.
Es ist ein Mix aus "Das Geschäft mit den Träumen" von Ingeborg
und "Mohn und Gedächtnis" von Paul mit meinen eigenen Worten.
Und natürlich handelt es von meinem "Traummann",
den niemand wirklich kennt und den ich sehr liebe.
Er lebt keinesfalls - hier!!!!!!
Ich bin froh, dass ihr dieses Gedicht nicht zensiert habt.
Oh - manche Weiber sind wohl empört.
LG Annelie
'Die Vollkommenheit der Träume ist durch die Wirklichkeit nicht zu überbieten', denke ich beim Lesen dieses typischen Annelie-Gedichtes. Welch ein Glück, Träume zu kreieren und sie der Mitwelt zu präsentieren.
Darin sind wunderschöne poetische Bilder, so verworren und dennoch klar, so liebestoll und dennoch rein... Schön!
LG Monika
Liebe Monika, ich danke dir für diesen wunderbar spezifischen Monika-Kommentar. Du wirst es nicht glauben, aber mir gefällt ganz besonders das Wort "rein", sprich keusch. Und liebestoll ... da weiß ich nicht so recht. Ich glaube, Paul Celan würde sagen:
"Stille!
Wo Eis ist, ist Kühle für zwei.
Für zwei; so ließ ich dich kommen.
Ein Hauch wie von Feuer war um dich -
Du kamst von der Rose her.
Du schlugst die Augen auf -
ich seh mein Dunkel leben.
Ich seh ihm auf den Grund:
auch da ist 's mein und lebt."
Ganz liebe Grüße zu dir,
Annelie
Das würde ich auch nicht tun, liebe Annelie. War gerne bei deinem Traum dabei.
Herzliche Grüße
Soléa
Danke, liebe Soléa, in wenigen Stunden werde ich sehr müd` sein vom vielen Yoga heut und vom Lesen. Vorher zaubere ich aber noch einen wunderschönen Traum zu dir - dann erst träume ich meinen.
Ganz liebe Grüße zu dir,
Annelie
Liebe Annelie, ich nehme ihn dankbar an und warte auf ihn... und dann, träumen wir zusammen!!
Viele liebe Grüße zu dir zurück
Soléa
Ein besonderes Gedicht, liebe Annelie, wie immer gilt meine
Begeisterung über diesen Annelie-Text auch dem passenden Foto ...
Zur Zeit bin ich nur zeitweise "online", weil mein Router spinnt.
Ich wünsche dir einen entspannten Abend und grüße dich herzlich,
Marie
Danke, liebe Marie, für deinen Kommentar. Ich habe einen Essay von dir hier vermisst. Er handelte vom Glauben. Ich wollte ihn mir noch einmal durchlesen. Wo ist er hin?
Auch Router haben ihre Macken
und starten ab und an Attacken.
Liebe Grüße - auch an deinen Router, der sich hoffentlich bald wieder "einkriegt"
und einen schönen Abend, Annelie