Verlassenheit

Bild von Annelie Kelch
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Am Abend steigt der gute alte Mond hinab
und prahlt mit seinen Sternen: Glitzersteinen.
Mein Lieb', wer wird denn traurig sein und weinen,
sich was draus machen, weil ich dich verlassen hab?

Auch du verließest mich dereinst: die Frau am Bass.
Danach verließen dreizehn selbstbewusste Frauen dich.
Wir feiern unseren Abschied mehr als königlich.
In meinem Herzen findet sich kein Stäubchen Hass.

Du fühlst dich sehr verlassen, Freundin, sag, weshalb?
Schau dich nicht um; ER ist schon lange nicht mehr da.
Mischt wieder mit beim Tanz ums Goldene Kalb.
O, Wanderer (mein), kommst du nach Spa* …!

Du bist gefeuert? – Man hat dich entlassen?
Sei nicht betrübt, mein Lieb'! – Nun freu dich schon!
Auch Könige verlassen irgendwann den Thron:
Allein und arbeitslos zu sein, ist lange noch kein Grund zu hassen.

So, wie du mich verlassen hast vor Jahr und Tag, mein Lieb',
so findest du mich nimmer, nimmer wieder.
Gewiss, ich singe oft noch unsere alten Liebeslieder
und weine vor dem Schlafengehen leis', weil bald dein Bild verblasst.

*Wanderer, kommst du nach Spa… ist eine Kurzgeschichte des deutschen Schriftstellers Heinrich Böll (1917–1985). Sie erzählt die Geschichte eines Schwerverwundeten im Zweiten Weltkrieg, der auf einer Trage durch sein früheres Gymnasium getragen wird, welches er drei Monate zuvor verlassen hat und das nun als Notlazarett dient. Nach und nach merkt er, wo er sich befindet, versucht dies aber zunächst in einem inneren Monolog vor sich selbst zu leugnen. Zum Schluss der Geschichte, im Zeichensaal der Schule, wo er notoperiert werden soll, findet er schließlich einen eindeutigen Beweis, dass es sich um seine Schule handelt: Seine Handschrift in Kreide auf der Tafel: Wanderer, kommst du nach Spa…(aus Wikipedia)

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Kommentare

28. Aug 2017

(D)Ein starker Text - und der Bezug
Zu Bölls Geschichte - er-scheint klug ...

LG Axel

28. Aug 2017

Dank, Axel, dir, für deinen Kommentar -
auch er verlassen, jener, der einst schrieb:
"(Oh) Wanderer, kommst du nach Spa ...!"

LG Annelie

28. Aug 2017

Die Kurzgeschichte von Heinrich Böll kenne ich, dein Bezug darauf beeindruckt mich und den Inhalt deines Gedichte teile ich, melancholisch und wahr, das Foto passt, danke dafür, Annelie.

Liebe Grüße - Marie

28. Aug 2017

Liebe Marie, hab Dank für deinen Kommentar. Ich liebe H. Bölls Kurzgeschichten und Romane sehr, seit Jahrzehnten. Er hat nur wenige Gedichte geschrieben, aber einen sehr kurzen Gedichtband fand ich in der Universitätsbibliothek in Hamburg. Aber nicht nur seine Gedichte, Geschichten und Romane haben mich beeindruckt. Auch seine leider ergebnislosen Vermittlungsversuche zwischen RAF und Staat, die ihn in Verruf gebracht haben (Sympathisant der RAF zu sein, der er keineswegs war), fand ich heldenhaft. Er fehlt ganz einfach und gewiss nicht nur mir. Ich freue mich, dass dir mein Gedicht incl. Foto gefallen hat.

Liebe Grüße,
Annelie

29. Aug 2017

Liebe Annelie, Deine Poesie fließt wie ein goldener Fluss. Und hier hast Du mit Deinem Gedicht einen starken Impuls gesetzt, nochmals die Werke des Dichters Heinrich Böll zu lesen. Danke.

LG Monika

29. Aug 2017

Danke, liebe Monika, für deinen lieben Kommentar. Ich kann mir gut vorstellen, dass dir die Werke von Heinrich Böll auch sehr gut gefallen. Gute Unterhaltung und viele neue, erleuchtende Erkenntnisse beim Lesen.

LG Annelie