Der Weltenbaum

Bild zeigt Jürgen Wagner
von Jürgen Wagner

Die Alten hatten einst gefunden
Mit allem sind wir stets verbunden

An seinem Ast bin ich ein Blättchen
An seinem Fuße eins der Mädchen

Ein Wasserbrunnen in den Tiefen
Vier Hirsche, die zu ihm hin liefen

Der Riese mit Naturgewalt
Ein list'ger Zwerg in Kleingestalt

Ein Vogel hoch im Himmelreich
Ein Gott, den keiner mehr erreicht

Die Schlange auch am Wurzelwerk
Und Fäulnis, die man fast nicht merkt

In seiner Zeit bin ich ein Stündchen
Von seiner Kraft ein kleines Fünkchen

In seiner Krone eins der Blättchen
Von seinen Wurzeln eins der Fädchen

2013-16 - Angelehnt an den Mythos der Yggdrasil in der isländischen Edda, der die Welt in dem Bild eines Baumes begreift. Alle Lebewesen sind bei ihm angesiedelt: der Vogel in der Krone, die Menschen, die Tiere, die Riesen, die Zwerge, die Götter. Er ist der erste Baum, der wächst. Alles Leben hängt an ihm und hängt von ihm ab. Im Hintergrund stand wohl die Esche. Er hat unglaubliche, sozusagen ‚immergrüne’ Kraft. Aber: er ist auch bedroht von den Hirschen, die seine Triebe und Knospen fressen, Schlangen, die an seinen Wurzeln nagen und Fäulnis am Stamm. Wenn er welkt, naht das Ende.

Veröffentlicht / Quelle: 
Aus 'Baumgedichte' - Berlin 2014
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Thema / Schlagwort: 

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Rezitation:

Rezitation: Sprecher Max Berghaus, Text und Musik: Jürgen Wagner
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