Meiner Liebe von deiner Liebe

Bild von Tilly Boesche-Zacharow
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Der Glockenmantel - sorgsam gegossen,
mit Reliefen verziert,
hoch in den Turm gehängt -
was ist er schon?
ein stummes Gebilde - tot!
Selbst die äußere Bewegung
bringt ihn nicht zum Tönen.
Nichts klingt,
nichts bezeugt sein Vorhandensein.
Wer ihn nicht sieht,
weiß nichts von ihm.
Totes Erz, schimmerndes Metall -
gewaltig anzusehen, mehr nicht.
Es fehlt die Zunge,
fehlt die Stimme,
fehlt der Klang.
Und irgendwo liegt ein Klöppel
aus ähnlichem Metall.
Phallusartig gestaltet,
aus Langeweile vielleicht,
völlig nutzlos und ohne Zweck.
Wofür geschaffen?
Dann kommt einem die Idee:
versucht die beiden Gebilde
zu einem zu schweißen,
zum Ganzen vielleicht.
Spielerisch verbunden der Klöppel dem Mantel,
erst probeweise -
man kann ja nie wissen,
ob es sich lohnt, ob es was wird.
Und wie der Mantel sich wiegt,
träumend - weshalb soll im Erz
kein Traum entstehen? -
Da regt auch der Klöppel sich,
tänzerisch, anmutig fast
und schlägt an Wände - hier und dort,
hin und her!
Ein leichter Schlag nur, horch, es tönt!
Vielfacher Aufschrei: "Hört, es tönt! Es tönt!"
Untergehend im stärker werdenden Schlag,
bis das Werk den Meister übertönt -
Klang, der sich erhebt, brausender Akkord.
Zuerst nur ein Spiel, dann Notwendigkeit,
die sich nie trennen darf und kann,
weil Schweigen neu herunterfiele,
wenn Zunge sich von Seele trennt.
Nicht mehr zu dämmen, nicht zu halten.
Zwei Teile - unnötig, wozu gegossen?
Mit öffentlichen Steuergeldern noch womöglich!
Zu einem verbunden und nun unlösbar
zu einem Sinn geworden.
Schlag nur Klöppel - spricht der Mantel -
schlag nur, ich bin hart und fest,
für dich gemacht,
ja, nur für dich!
Beweg dich Mantel - hallt der Klöppel -
denn dadurch komm ich ins Schwingen,
brauch die Berührung deiner Wand.
Auch ich bin hart, auch ich bin fest -
wir zerschlagen nicht einander.
Oh nein, wir brauchen uns,
um Ton zu sein,
der über weite Lande hallt,
ein Echo bringt,
das sich zum Himmel schwingt,
an Gottes Ohr!
Und Gott lauscht.
Gott lächelt.
Wohl tut ihm der Klang,
der Schmerzensschrei auslöscht
und Schwertgeklirr.
Lauscht - sagt er - lauscht,
ihr Streitsüchtigen,
dem Hall, dem Klang.
Vergeßt den Hader.
Lauscht den Tönen,
Geht ihnen nach.
Es gibt ein Ziel, es kommt die Stunde
für jeden. Verpaßt sie nicht:
euch ruft die Liebe!

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