Die Fähre verspätet sich. Unruhe erfüllt die Menge. Der nächste Taxischub aus Amdalai ist eingetroffen. Es wird eng auf dem Gelände. Blonde Hunde mit zerfetzten blutigen Ohren streunen umher, suchen nach Futter, blinzeln aus feuchten braunen Augen, auf dem Sprung vor einem Stein, einem Tritt. Zu viele Menschen drängeln, steigen über Kisten, Schüsseln, Fässer hinweg, bahnen sich ihren Weg zum Zaun, das Ticket im Griff, bereit loszustürzen und einen Platz auf der Fähre zu ergattern. Verkäufer rufen laut über den Platz: „Cigarett, Cingom, Bonbon!“ – „Zigaretten, Kaugummis, Bonbons!“ Viele werden dableiben müssen diese Nacht, keiner will es sein.
Plötzlich hebt sich eine hohe Stimme aus dem Wirrwarr heraus, gackernd, kichernd, irr. Köpfe drehen sich, folgen dem alten spindeldürren Bambara-Mann aus Mali, der die Zähne fletscht und Possen reißt. Ein kleiner Kreis hat sich um ihn gebildet. Die Leute lachen erheitert. Der knochige Alte im weiten hellblauen Boubou marschiert auf eine Europäerin zu. Listig grinst er sie an. „Kennst du Potto Patta?“ Er tänzelt um sie herum.
Die Menge verstummt, lauscht begierig. Das wird ein Spektakel, endlich eine Abwechslung.
Der Bambara mustert die Frau schamlos und kichert vor Freude. „Tu as un garçon á la maison?“ Die Leute halten den Atem an, strecken die Köpfe vor, drängen sich noch dichter zusammen. Die Französin schaut verunsichert in die Runde, versucht ein hilfloses Lächeln. Der Alte schlägt sich auf den Schenkel. „Tu as un garçon á la maison ?" Er schnalzt mit der Zunge, dreht sich hüpfend einmal im Kreis mit ausgebreiteten Armen. Dann stampft er mit dem Fuß auf, Staub wirbelt empor. Die Französin zieht die Stirn kraus. Der Alte wiehert. "J’ai un médicament pour lui, si il boit ce médicament…", unterbricht er sich. Lauernd bewegt er sich einen Schritt auf sie zu. Tief blickt er ihr in die Augen. Die Frau streicht sich die verschwitzten Haare aus dem Gesicht, sie fasst ihre Umhängetasche fester. Die Stirn des alten Bambara glänzt vor Schweiß und ist knorrig wie Wurzelholz. Geheimnisvoll verdreht er die Augen und pfeift durch seine braunen Zahnstummel. Die Ersten prusten los. Der Franzose neben der Frau legt eine Hand auf ihre Schulter. Sie lehnt sich leicht gegen ihn. Das Lachen auf dem Platz breitet sich aus, ausgelassen stehen die Leute herum. Sie lächelt verkrampft. Da springt der Alte auf sie zu, reißt die Arme in die Höhe, vollführt ekstatisch einen obszönen Stoß mit seinen dürren Hüften in ihre Richtung und stößt einen animalischen Schrei aus: „Set fois, il fait, set fois!“ Das Weiß seiner Augen tritt scharf hervor, seine Stimme überschlägt sich schrill und hängt noch lange in der Luft. Die Menge um ihn herum wogt, tobt vor Begeisterung. „Set fois, il fait, set fois!“, flüstert er kehlig wie hypnotisiert.
Kommentare
Auch Krause fletscht die Zähne gern -
Da hält sich nicht nur Englart fern ...
LG Axel
Stänkert Krause zuhause,
macht sie kaum eine Pause...
LG Monika
Großartig beobachtet, flüssig erzählt.
Einfach gut! Dankeschön.
Gruß von Paddy
Dankeschön an Paddy, freut mich!
Gruß, Monika
beeindruckend!
LG Alf
...druckfrisch sozusagen,
Reiseleitung dankt!
LieGrü, Monika
Nanga def, Jürgen, ich sah mich auch gleich wieder auf der Fähre und im 7-passenger-taxi, in Ziguinchor bin auch auch herumgekurvt, das pralle Leben...
Mangi dem, Monika