Die Seele des Staates 68

Bild von Alf Glocker
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Mein liebstes Spiel ist, nein, nicht Menschen an der Nase herumführen, oder doch – na, jedenfalls: Poker! Ich pokere mit anderen Pokergesichtern um die Vorherrschaft im Verarschen! Ich setze immer alles was ich habe auf Verdacht! Verdacht ist gut, wird von allen akzeptiert und kann schiefgehen. Das ist entscheidend für mich! Was nicht schiefgehen kann, finde ich langweilig!

Mein Pokerface gilt für alle! Meine Handelspartner sollen mich nicht durchschauen – aber da habe ich, glaube ich, weniger Glück. Bei der Bevölkerung meines Staats klappt das viel besser. Die fällt regelmäßig auf mein Lächeln herein und dann kann ich wieder machen was ich will. Man verzeiht mir alles. Und das ist auch gut so – schließlich habe ich die Karten in der Hand. Ich kann setzen auf was ich möchte.

Einem Spieler über die Schulter zu schauen ist verboten und sein Spiel zu durchschauen ist schwer. Aber dafür haben wir ja mich – ich muss aufpassen, daß ich alles richtig mache. Natürlich ist das schon oft fehlgeschlagen. Ich habe mich hoffnungslos verkalkuliert. Aber davon lasse ich mich nicht beeinflussen. Nein, es beeindruckt mich nicht einmal. Ich spiele fröhlich weiter und momentan verspiele ich gerade Haus und Hof.

Wie man das (man = die arbeitende Bevölkerung) wieder gutmachen kann ist mir zwar zurzeit egal, wird aber später zu einem Problem werden. Hoffentlich bin ich dann von meiner Spielsucht geheilt – oder ich habe sogar ein neues System entwickelt, mit dem man noch mehr versemmeln kann als bisher. Ich grinse jetzt schon listig in mich hinein, denn das ist es ja grade was mich so fasziniert: alles aufs Spiel zu setzen. Und das Verlieren ist noch der Kick dabei.

Die anderen Spieler, deren Charakter auch nicht besser ist als meiner, freuen sich, daß meistens alles klappt, wenn sie mich eiskalt über’s Ohr hauen. Das wiederum erfreut mich, denn ich schaue gerne in zufriedene Gesichter, in denen ich keine Pokerfacevisagen erkennen kann. Ich dagegen bin leicht durchschaubar, zumindest für Leute, die mit gezinkten Karten spielen. Ich weiß das selbstverständlich, deshalb benütze ich ebenfalls welche.

Zum Einsatz kommen sie, nein, nicht gegen meine Freunde am Spieltisch, die, genau genommen, meine Widersacher sind, sondern gegen meine Leute zuhause. Die muss ich täuschen, wo es nur geht. Ich will ja unbedingt weiterspielen – und weil ich nach außen so unglaublich naiv bin, muss ich zwangsläufig nach innen mit aller zu Gebote stehenden Falschheit vorgehen, was gleichzeitig auch bedeutet: mit aller Härte. Proteste kann ich mir nun wirklich nicht erlauben!

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Kommentare

05. Jan 2016

Die Bank gewinnt - das ist ganz klar!
(Weil das ja immer schon so war...)

LG Axel