Die neuen Bestimmungen

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von Alf Glocker

Der neue Rechtsrat der neuen Kasten, kurz „Kastrat“ genannt, ist zusammen getreten, um in einer Fülle von Erlässen zu addieren („Ad-Erlässe“ genannt), was neuerdings notwendig, nützlich und nicht zu umgehen sei: die Festlegung der Feste und die Brauchbarkeit brisanter Brauchtümer von brachialer Bedeutung! Nur so könne jedem Genüge getan werden, meinten die höchstehrenwürdigen Mitglieder des Kastrats.

Wer also künftig an den Wochenenden, ohne Zacken in der Krone auf offener Straße angetroffen wird, der mache sich strafbar! Denn das läuft dem Kodex der Glatzgläubigen zuwider. Ebenso sei es fürderhin zu verurteilen, wenn einer am Feiertag eines Seitenverkehrtdenkers die linke Socke links, die rechte aber rechts trage – da dies gegen die guten Sitten einer unserer unzähligen Gemeinden verstoße. Davon gebe es derart viele, daß neue Bestimmungen durch den Kastrat notwendig geworden seien, damit es nicht zu Ausschreitungen komme, die dann Einschreitungen der Un-Ordnungsmacht zur Folge hätten.

Darüber hinaus ist es in Zukunft, zu bestimmten Jahreszeiten, verboten, sich zweifelsfrei als Mann oder Frau zu erkennen zu geben. Diese Geste, so heißt es, offiziellen Verlautbarungen zufolge, bewahre die Ästhetik des Alltags und rege nicht unnötigerweise zu sexuell gefärbten Gedanken auf beiden Seiten an. So wird dann, in aller Strenge zurechtgewiesen, wer sich eines anderen Mittels als der verstellten Einheitsstimme, bei Verhandlungen und Unterhaltungen, bediene.

Am höchsten Feiertag der Nudisten (das ist eine Minderheit, der ungefähr 25% der Bevölkerung angehören) ist es demgegenüber Pflicht die Gebete in ALLEN klerikalen Einrichtungen ausschließlich nackt zu vollführen. Danach sei es immerhin erlaubt, in der Öffentlichkeit das Gesicht mit einer Papiertüte zu verbergen. Die Kasträte hätten dabei die Pflicht mit bestem Beispiel voranzugehen und mit ihren ganzen Familien an den Ritualen teilzunehmen.

Die 18 Feiertage im Jahr, an welchen die Rocker ihre Helden zu loben gedenken, legen fest: daß, zu gewissen Zeiten, ausnahmslos Röcke getragen werden müssen und zwar von beiden Geschlechtern und auch außerhalb Schottlands! Das Gleiche gilt für die Overalls, denen sich leider nur 12% der gesamten Population des Kontinents zugehörig fühlen: alle Bürger, egal welchem anderen Glauben sie angehören, müssen Overalls tragen. Die Aufschrift ist dabei egal.

Es darf dafür Werbung zur Schau getragen werden – jede Art Werbung! Also auch „Nieder mit den Overalls, es leben hoch die Rocker, die Glatzgläubigen, die Seitenverkehrtdenker, oder die Nudisten“. Eine Verletzung der landesweiten Ad-Erlässe, wird mit Feiertagsentzug, bis zu 10 Jahren bestraft. In diesem Fall müssen die Verurteilten grundsätzlich alle Alltage durcharbeiten, wobei sie sich außerhalb jeder Glaubensnorm zu bewegen haben: sie tragen ganz normale Kleidung und kümmern sich, während der Arbeit, also immer, einen Sch... um die vorgeschriebenen Regeln.

Dies sei, so räumt der Kastrat zwar ein, auch nicht unbedingt hochmoralisch, entspreche jedoch, in der angewandten Härte, der Größe des Vergehens frommen Menschen gegenüber, deren lupenreine Gesinnung es sei, ihrer Weltanschauung zu folgen. Die vielen anderen Glaubensrichtungen, wie z.B. die der Kartoffelschnitzer, oder die der Taschen- Koffer- und Tag-und Nachtdiebe, müssen hier vorläufig noch unerwähnt bleiben.

Die neuen Bestimmungen, die momentan als viereckige Rundschreiben kursieren, können nicht absolut alle Zweige religiöser Sparten ad hoc berücksichtigen – um strengsten Bestrafungen zu entgehen, wird aber der Bevölkerung empfohlen, bereits präventiv auf das Auftauchen, bislang unbekannter Rituale zu reagieren und sie sofort, nicht nur zu tolerieren, sondern auch respektvoll mit zu praktizieren.

Der Kastrat rechnet in baldiger Zukunft bereits mit 365 Feiertagen pro Jahr und hofft, daß durch die Ad-Erlässe nicht die gesamte Wirtschaft zum Erliegen kommt. Sonst müsse man sich – frei heraus gesagt – überlegen, wo man genug Verbrecher herbekomme, die es immer wieder wagen, rechtliche Bestimmungen zu umgehen, damit man sich in aller Ruhe an ihnen bereichern kann. Zu erkennen sind sie ja leicht: sie müssen ganz normale Wäsche tragen und sich auch sonst auffällig normal benehmen. Das zieht dann die Fronarbeit förmlich nach sich! Das Leben ist doch sooo einfach!

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