Das feinste schizophrene Format

Bild von Alf Glocker
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Seit 100 Jahren wähle ich die XPY. Der gute Onkel und die liebe Tante aus dem Fernsehen haben mir gesagt, daß diese Partei ganz toll ist. Früher – das weiß ich – war da außerdem im Namen noch ein super Zett, das Zeichen des Hochvogels von feinstem Format, der die Scheusale bebuckelt hat, wie es uns gefiel. Dann ist es verschwunden, aber ich glaube es steht noch im Märchenbuch der Geschwister Freundlich, neben der bösen Geiß und den sieben kleinen Wölflein.

Diesmal wähle ich natürlich auch die XPY (ohne Z)! Da weiß Frau doch was man hat, weil die haben bis jetzt noch immer alles gemacht, so gut sie eben konnten – und ich kann's ja auch nicht besser. Und wenn einer kommt und sagt, daß er das besser kann, dann lügt der, weil ich seit 100 Jahren die XPY wähle. Und überhaupt lügen sie alle.

Nur der Dings nicht, der was von der Sache versteht und sagt, daß uns nichts passieren kann, weil wir so gut sind. Das lässt sich doch hören – oder? Mit was anderem möchte ich gar nicht erst, auch nicht vorerst, was zu tun haben, denn was wir noch nicht ausprobiert haben, das muss ja schlecht sein, sonst hätten wir's doch getan!

Außerdem sagt man, daß alle, die wo nicht die XPY wählen, an etwas denken, das wir schon ausprobiert haben und es dann tatsächlich schlecht war. Deshalb ist jetzt alles schlecht, von dem die XPY sagt, daß wir das schon ausprobiert haben. Nur sie selbst, die XPY, die wir auch schon ausprobiert haben, ist gut, weil sie sagt, daß sie das ist und wir das gerne glauben, weil wir es ja schon ausprobiert haben.

Alle Leute bei der XPY sehen ziemlich ausprobiert aus. Sie haben bestimmt ganz viel Wasser zuhause, mit dem sie sich waschen können – die unterschiedlichsten Sorten ... und deshalb haben sie sich ja auch gewaschen. Wir sehen das gerne, denn wer sauber aussieht, der ist auch sauber. Was soll er denn sonst sein?! Schmutzig vielleicht?

Nein, schmutzig, das sind nur die wo nicht die XPY wählen, die von dem guten Onkel und der lieben Tante aus dem Fernsehen so schön gelobt werden. Zum Glück hat die XPY ja auch alle anderen Onkel und Tanten, die nicht so gut und lieb sind entlassen. Was hätte sie denn tun sollen?! Zuschauen, daß man sie jetzt, nach 100 Jahren nicht mehr wählt?!

Also – wir müssen doch zusammenhalten. Wenn wir was schaffen, dann schaffen wir das nur gemeinsam, denn gemeinsam sind wir stark, viel stärker als das schwächste Glied in der Kette. Wir brauchen aber auch gar keine Ketten, da passt die XPY schon auf. Uns soll ja schließlich nichts passieren. Und das schaffen wir nur, wenn wir nichts anderes ausprobieren!

Vor allem dürfen wir nichts ausprobieren, das sagt, es hätte zur Abwechslung mal eine andere Lösung auf Lager als die XPY. Das muss nicht sein! Wir wissen ja gar nicht, was der gute Onkel und die liebe Tante aus dem Fernsehen dazu sagen. Die erschrecken sich womöglich, wenn sie merken, daß ich diesmal etwas anderes wählen gehe. Und was kommt dann dabei heraus? Ich sage nur: „feinstes schizophrenes Format!“

*

Wie es wem gefällt?

Wir wollen gute Menschen bleiben,
die lesen können, oder schreiben -
und was für uns geschrieben steht,
das sagt, woher der Wind uns weht!

Das zu bezweifeln ist verboten -
wir bekommen schlechte Noten,
wenn wir dem Lehrer nicht vertrauen -
und auf das eigne Denken bauen!

Drum machen wir was man uns sagt,
sonst werden wir noch angeklagt,
von diesen neunmalklugen Schlauen,
die gerne uns das Dach verhauen.

Kommt, gehen wir erfreut zugrunde!
Die Lösung ist in aller Munde:
Wer hier nicht mitmacht wird geplättet.
Sagt jetzt bloß nicht was ihr gern hättet!

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Kommentare

08. Feb 2017

So ist es immer bei den Wahlen:
Irgendwie - Malen nach Zahlen ...

LG Axel