Die Seele des Staates 84

Komm doch, du Engel der Nacht, sei mir nicht gnädig. Ich habe meine Rechte zum Da-Sein verspielt! Die Gezeiten der Prüfung umspülen mich stetig – ich habe den Wissensdrang noch nicht gestillt! Ich möchte erfahren, wie es sich anfühlt, an einem Gift zu sterben, oder in ein Wachkoma hinüberzugleiten, das Jahrtausende andauern kann. Was der Planet dann mit mir tut, mag wie, wie alles was schon gewesen ist, ein Rätsel bleiben, oder auch eines werden, wenn ich erneut uneinsichtig verfahre, mit dem, was mir anbefohlen ist.

Allein die Lust, aus niedrigen Beweggründen handeln zu wollen, ist anscheinend entscheidend, für die Entstehung verkommener Epochen, welche die Mütter aller nachkommenden verkommenen Epochen sein werden. Es kommt nur darauf an, wie lebenstüchtig sich ein Verbrecher fühlt – will heißen: wie wenig er einsieht, daß sein Handeln verbrecherisch ist! Doch er wird ja von unseren Konventionen gedeckt, von Beschlüssen, die so hirnrissig sind, wie ein nackter Schullehrer in der Löwengrube….ein Wunder wird nicht geschehen!

Das Gewitter wird sich nicht um uns herum drehen, nein, es wird uns direkt betreffen! Und nachdem wir alle Ableiter abgeschafft haben – die Polizei hat den ausdrücklichen Auftrag dazu – gibt es keinen Faradayschen Käfig mehr für uns, nur noch den Käfig schlechthin! Die Ordnungsmacht verkündet aber weiterhin, daß der Blitz nirgendwo eingeschlagen habe, sondern, daß man, im Gegenteil nicht immer vor ihnen warnen sollte. Das erzeuge nur eine trojanische Stimmung, die keinem nütze, außer den Stadttoren.

Die jedoch haben dringend offen zu stehen, offen stehen zu bleiben, da es überall noch nach dem Abraum stinke, den das Aas der Vergangenheit hinterlassen hat. Über uns kreisen die Geier! In tiefschwarzen Wolken senken sie sich auf uns herab, betäuben uns mit ihren Flügelschlägen und fressen, da nicht mehr genügend Aas vorhanden ist, ersatzweise uns auf. Die Geräusche ihrer Mahlzeit sind kilometerweit gegen den Wind zu hören, aber die neuesten Berichte der Medien sprechen nur von einem süßlichen Wind aus den Prärien der Einfalt, der uns von besseren Zeiten erzähle.

Zieht euch aus, meine Kinder! Dann könnt ihr die Segnungen der Unbesonnenheit weit intensiver am eigenen Leibe erfahren, als wenn ihr gewappnet zusammensteht, solange dem Unglück noch getrotzt werden kann. Werft alles weit von euch, ihr Fundamentalisten eines Fortschrittsglaubens, was euch in die Lage versetzen könnte, Umständen entgegen zu wirken, die Haus und Hof den Flammen ausliefern. Und vergesst nicht: nicht die Geister derer, die früher einmal hier gehaust haben, waren die dümmsten aller Zeiten. Sie waren zwar sehr dumm, sie waren aber nur die Zweitdümmsten. Die Dümmsten seid allemal ihr!

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