22 – Lebenssplitter "Chuck-a-luck!"

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Dieses Erdbeer-Eis-Geschmackserlebnis hat später dazu geführt, dass ich, wenn in Bremerhaven Jahrmarkt war, jedes Mal auch die Gelegenheit nutzte, den zeitgleich stattfindenden amerikanischen Markt zu besuchen, der genau gegenüber des Jahrmarktgeländes abgehalten wurde. Wahrscheinlich wohl hat es sich dabei um ein innerstädtisch gelegenes US-Militärgelände gehandelt, denn normalerweise war es durch einen überhohen Drahtzaun unzugänglich. Vielleicht handelte es sich auch nur um eine Art US-Militär-Sportplatz, denn das innere Grün wurde von so etwas wie einer Aschebahn umrundet, dann wäre der langgestreckte Bau an der Seite wohl ein Sportlerheim zu nennen. Nur wenige Straßen entfernt davon standen Siedlungshäuser, extra für die amerikanischen Familien gebaut.

Entlang eines Teiles dieser Bahn wurden im Halbrund einfache Holzbuden aufgestellt. Jede dieser Buden stand natürlich für etwas anderes. In der einen wurden „Hot-Dogs“ feilgeboten mit so leckeren Zutaten nach Wahl wie gerösteten Zwiebeln oder Gurkenrelish, Ketchup, Senf und Mayonnaise.

Dann gabs da eine, in der ein nie heiser werdender Soldat unablässig durch sein Mikrophon die Umgebung beschallte, dass man es über die Straße weg bis auf den deutschen Jahrmarkt hörte: „Chuck-a-luck, chuck-a-luck, chuck-a-luck-a-luck-a-luck!“

Worin man nun sein Glück versuchen sollte, hat mich nie besonders interessiert. Ich wollte nur eines: Eis! Und zwar amerikanisches Creme-Eis, so cremiges Erdbeereis! Das gabs in quadratischen Papp-Päckchen zu – ich weiß nicht mehr – 500? 600? Gramm. Jedenfalls zu viel, es auf einmal selber zu essen, es sei denn, man wollte "Brainfrost" riskieren.

Also wurde zuerst der Parcours des deutschen Jahrmarktes relativ zügig absolviert. Mit einer gewissen Melancholie denke ich dort allerdings an den „Türkischen Honig“ zurück – ein großer klebrig aussehender Block einer auf der einen Seite weißen, der anderen milchig-rosa Eiweiß-Glukose-Masse (wie ich heute weiß), von der der Verkäufer mit einem halbmondförmigen „Hackmesser“ kleine Stückchen absplitterte und sie dem Käufer in einem Blättchen Pergamentpapier in die Hand legte, wo es in der Körperwärme an Konsistenz verlor und einfach nur süß-schmelzend schmeckte. Ich war immer froh, wenn ich rosa Splitter erwischte, weil die so selten zu mir fanden.

Weiterer Pflichtstopp: Der Eisstand (- wieder Eis? Jaaa! -) der Firma Mahncke. Es war nicht so sehr das Eis als vielmehr die "Sahne". Aus was allerdings DIE bestand – keine Ahnung! Aber auf das Eis selbst konnte ich gerne verzichten. Scharf war ich nur auf diese weiße kalte Masse, die mit einem Holzpaddel auf das Eis obenauf getürmt und „Sahne“ genannt wurde. Diese Mousse war ein unbedingtes Muss, konnte man doch nur zu Jahrmarkt-Zeiten daran kommen.

Oder es verschlug einen mit dem Zug bis nach Bremen. Dort gegenüber dem Hauptbahnhof war die Firma Mahncke mit einer Konditorei ansässig, wie ich zu meinem jubelnden Glück bei einem Zwischenstopp bemerkte. Was habe ich wohl gemacht? Rübergelaufen bin ich und habe mir eine ganze Waffel ohne Eis, nur mit der „Sahne“ gegönnt, zufrieden schnaufend.

Zurück zum Jahrmarkt: Geisterbahn? Öde ... Meerschweinchen-Gewinn-Laufen? Nett, aber das bisschen Marktgeld heb ich mir lieber auf ... Karussell? Ach Gottchen! ... Beutel Popcorn nicht vergessen als „Mittebringsel“ für Mama und eine „Ananas-Bombe“ (gefülltes Lebkuchengebäck im Schokomantel) für Oma Anni und dann endlich: Über die Straße, zu den Amis! Eis: Ich komme!!!

Das Eis wurde in dicke Lagen Zeitungspapier gewickelt und in eine braune Papiertüte gepackt. Und dann gings nach Hause. Wo alle schon warteten. EIS war immer was Besonderes, aber ganz besonders besonders war dieses herrlich angetaute, weich-süß-rosa-cremige Erdbeereis!!

noé/2014

Interne Verweise

Kommentare

16. Aug 2016

So etwas liest man einfach gern:
Gar nicht lang her - nur scheinbar fern ...

(Die Krause stapelt bei mir Bier -
Drum hab ich niemals Eiscreme hier!)

LG Axel

16. Aug 2016

Diese Lebenssplitter, mit unglaublicher Erzählkunst präsentiert, ziehen mich in ihren Bann. Die Nachkriegszeit aus der Perspektive eines Kindes, mit einer solchen Genauigkeit im Erwähnen von Kleinigkeiten, hier das begehrte Ami-Eis, heute noch zu erinnern und zu erzählen, Hut ab! Und danke.
LG Monika

17. Aug 2016

An dieses Eis erinnere ich mich sogar noch deutlich. Oft hab ichs nicht bekommen, aber daß es ausgesprochen gut war weiß ich...

17. Aug 2016

Donnerwetter!
Eis von ähnlicher Qualität habe ich Jahrzehnte später völlig überraschenderweise in Holland vernaschen dürfen. Auf Nachfrage hieß es, dass sie für die Herstellung dieses Eises ausschließlich Sahne (keine Milch) verwenden.
Eine Kaloriensünde - aber eine Streicheleinheit für das Gemüt.
Auch Axel und Monika (dankeschööön ...!) würde ich diesen Genuss gönnen (wobei Axel es ja gar nicht soo weit hätte ...? Zweimal hinfallen - und schon wär er da. [grins]).