Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren – 5. Die Suche

Bild von Alf Glocker
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„Studien, Studien“ und nochmals „Studien“ hieß zunächst die Parole, als man sich auf den Weg machte, die Vergangenheit und damit auch die Zukunft zu ändern. Was würde es noch Wichtiges zu entdecken geben? Und vor allem: Wo sollte man ansetzen, um „göttlich“ zu werden? Es galt Unsterblichkeit zu erlangen, größtmögliche Weisheit, das umfassendste Verständnis für die Natur – und wie konnte eine gewaltige Zivilisation, beinahe ohne die Umwelt zu „belästigen“, effizient leben?
Die ständigen Reisen zurück brachten haufenweise neue Erkenntnisse – aber nichts deutete auf eine sinnvolle Möglichkeit zur Umstrukturierung der Verhältnisse hin. Die Wesen waren wie sie eben waren, ihre Beschaffenheiten, die aus der Eigenart ihrer Gene hervorgingen, ließen nahezu keinen Spielraum für einen anderen Geschichtsverlauf offen. Alle zusammen waren sie praktisch perfekt auf ihren Planeten angepasst gewesen.
Nun sollte ein neu gebauter Improvisations-Imaginator helfen etwaige Varianten vieler Verhaltensmuster dazustellen. Er konstruierte Beispiele der Anpassung auf reale Ereignisse in der Zeit und projizierte sie in analysierbare Holodecks, die von allen beobachtet werden konnten. Das war durchaus lehrreich und anschaulich. Allerdings geriet der Imaginator immer wieder ins Stocken, vor allem als er versuchte, vor-urzeitliche Szenen verständlich zu machen ... wenn es sich z. B. um Fliegen handelte …
Sowohl Fliegen als auch Ameisen, Termiten, Asseln und Wasserflöhe zeigten unentwegt dasselbe Manko: Sie konnten sich nicht vernünftig einstellen, wenn es um schwierige Probleme ging, die eigentlich ganz einfach waren …Die Fliegen flogen planlos, Ameisen verhielten sich, als Einzelne, verrückt, Termiten mussten unbedingt eine Aufgabe innerhalb der Gemeinschaft erledigen, Asseln waren überhaupt stumpf und dumm und die im Wasser lebenden, insektioden Kreaturen konnte man überhaupt nicht als geistig beweglich ansehen.
Aus ihnen konnte man keine brauchbaren Schlüsse ziehen. Allein die Gattung der Spinnen erwies sich als „feinsinnig“, oder „den großen Überblick bewahrend“. Sie war allerdings auch unglaublich grausam – also genetisch kaum verwendbar, um, in Teilen, als Zusatzbaustein für eine höhere Zivilisation angesehen zu werden. Daran änderte leider auch ihre angeborene Fähigkeit, individuell und selbständig zu entscheiden, nichts.
Eine Übertragung Ihrer Eigenschaften auf die Hyperzivilisation der ehemals vierbeinigen Ameisen schien naheliegend – doch eine medizinische Komplettierung der höheren DNA war, aller Wahrscheinlichkeit, mit den Mitteln der auf ihrem Planeten vorhandenen Natur wohl nicht vorteilhaft. Der tiefste Ursprung der ehemals vierbeinigen Ameisen wurzelte nun mal ganz einfach ihrer Herkunft aus staatenbildenden Kreaturen, die hauptsächlich in der Zusammenarbeit großer Massen unschlagbar waren. Aber einer dieser Halbgötter allein wirkte irgendwie nicht absolut komplett!
Immer nur alle zusammen bildeten eine Weisheit, eine Innovationsmanufaktur, einen Fortschritt, eine Kultur. Als letztendlich göttliches Modell war jedoch das in sich, als Einzelexistenz lebende Superindividuum anzustreben, wenn man (natürlich auch alle zusammen) eines Tages gottgleich werden wollte. Leider, oder zum Glück (?) sahen sich jedoch die bisherigen Superwesen allesamt sehr ähnlich. Sie waren alle ungefähr gleich groß, haarlos, sie konnten nicht mehr richtig sprechen, weil sich ihre Zungen weitestgehend zurückgebildet hatten (wer brauchte noch eine Sprache, wenn man gedanklich kommunizieren konnte) und ihre Augen waren die perfektesten Mittel, um bewusst die Welt zu erblicken: Sie sahen in allen Bereichen scharf!
Es musste also festgestellt werden: An dieser Stelle gab es kein Höher, Weiter, Schneller, Besser mehr. Man musste mit dem Erreichten zufrieden sein – kein Computer der Welt würde eine Möglichkeit errechnen können, die es den nahezu Gottgleichen ermöglichte, noch gottgleicher zu werden … das Zentrum des Universums musste auf ewig unerreichbar bleiben!
Doch dann tat sich ein weiteres Fenster auf. Unter den ersten Vorwesen, neben den Kreaturen der frühesten Zeiten, die ihren Lebensraum dominiert hatten, lebte noch ein unscheinbares Geschöpf, das jedoch den anderen starken Formen weit unterlegen war – eine Art Meeresschnecke mit der Andeutung einer Wirbelsäule! „Sie verspricht bisher ungeahnte Möglichkeiten“, verkündete der Improvisations-Imaginator und zeichnete zunächst wirre Bilder von unglaublich wilden, behaarten Subjekten auf das Holodeck, vor denen die ehemals vierbeinigen Ameisen angewidert zurückschauderten.
„Das können wir bei uns doch nicht herstellen!“ lauteten die nachvollziehbaren Gedanken der interessierten Zuschauer, „wir würden uns ja selbst gefährden, wenn nicht gar auslöschen, wenn wir die Vergangenheit insoweit ändern, daß sowas wie die hier bestimmen wo’s langgeht!“ Der Imaginator ergänzte: „Das müsste auch deshalb schon schiefgehen, weil ja niemand absehen kann, ob sich solche Lebensformen überhaupt sinnvoll auf den Zeitablauf einstellen können – da müsste schon jemand sein, der ihnen ständig hilft!“
„Man müsste für dieses Experiment ein eigenes, von uns unabhängiges Sonnensystem erbauen, wo dann eine völlig neuartige Entwicklung stattfinden könnte, die immer wieder überprüft und korrigiert werden kann, um schließlich irgendwann einmal das erwünscht Ergebnis zu bekommen“, meinten die Abgesandten aus der Stadt D4X11-222. Die Delegation einer anderen Stadt (aus PI0PP57A) ergänzten: „Es würden viele Milliarden Jahre vergehen, bis wir etwas von dem erkennen könnten, was wir erstreben!“ Damit war das Thema offensichtlich endgültig vom Tisch und es blieb der Hyperzivilisation vermutlich nichts anderes übrig, als weiterhin das Universum zu besiedeln und vielleicht noch die eine oder andere große Erfindung zu machen, die Zeitreisen, als Filmerlebnis perfektionierten.
Doch natürlich kam alles wieder mal ganz anders. Auch die mächtigsten Lebensformen des gesamten Kosmos konnten nicht vorhersagen, wohin sie der Leitfaden aus Ideen und Eingebungen eines Tages noch führen würde. Sie lauschten nur vertrauensvoll in sich hinein, denn eines wussten sie ganz bestimmt: Ihnen würden immer neue Wege offenbart werden, sie mussten nur Augen, Ohren Herzen und Gedanken offenhalten, dann würden sie auch irgendwann erfahren, was mit ihnen geschehen sollte!

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Kommentare

27. Jul 2020

...und irgendwann, zumindest das ist gewiss,
ist sowieso alles zu Ende, ahnt Monika

28. Jul 2020

Vielleicht gibt es doch noch eine (irre) Lösung...

LieGrü
Alf

27. Jul 2020

Zur Schnecke macht mich Krause laufend -
Ich sollte lieber schreiben: "saufend" ....

LG Axel

28. Jul 2020

saufend geht die Welt zugrunde,
mit dem Irrsinn voll im Bunde...

LG Alf

28. Jul 2020

Kluge Texte auf die Zeile bringen, bedarf einer bestimmten Menge Restalkohol.
Saufend in die Niederungen des Geistes steigen. Dort findet sich VIELES, was
uns "erhellen" kann. Und auch nicht.
HG Olaf

28. Jul 2020

Wer weiß, wer weiß?!

LG Alf