Wenn Kasperle Prioritäten setzt

Das Wichtigste kommt immer zuerst, das weiß doch jeder! Also braucht Kasperle, was Kasperle braucht – nämlich seine Ruhe! Er will ganz einfach seine Ruhe haben, und deshalb macht er die Glotze an und guckt: Werbung, Sport, Werbung, (gute) Nachrichten, Werbung, einen schönen Familienfilm, Werbung, danach einen spannenden Krimi, der sich letztlich beruhigend auf ihn auswirkt, und zur Abwechslung ... Werbung!

Manchmal geht er auch ins Theater und trifft sich dort mit feinen Leuten, die er in einen Smalltalk verwickelt, oder sich von ihnen in einen solchen verwickeln lässt, und manchmal himmelt er auch irgendwen an, wenn ihm der Testosteron-Pegel gerade wieder fast bis aus der Halsschlagader quillt. Dann schaut er sich schnell einen Pornofilm an.

Ab und an hört er auch zu, was die „Verantwortlichen“ sagen, wozu sie raten und wovon sie abraten. Daraufhin geht er einkaufen und guckt, was wieder alles teurer geworden ist, und was er sich gerade noch leisten kann. Vielleicht schimpft er auch zwischendurch über die „Zustände“ - daß sein Fußball- oder sonstwas Verein verloren hat, womöglich wegen einer saublöden Schiedsrichterentscheidung.

Wenn's sein muss, schluckt er auch brav seine Tabletten, die ihm der Onkel Doktor verschrieben hat, weil da ein Zipperlein ist, mit dem sein Immunsystem nicht mehr alleine fertig werden kann. Dann träumt er, nach getaner Arbeit, in die Nacht hinein, wo ihn gelegentlich schon einmal seltsame Träume erwarten, die er nicht deuten kann – aber er ist ja auch kein Fachmann, sondern das Kasperle.

Und das bedeutet: immer schön fröhlich bleiben – unter allen, auch unter ganz anderen Umständen. Denn in der Fröhlichkeit liegt das Heil. Wer fröhlich ist bei Tag und Nacht, der hat bestimmt was gut gemacht! Und wenn er, der Kasperl fröhlich ist, dann freuen sich auch alle anderen, die Geber und die Nehmer, die „Verantwortlichen“ und seine Frau.

„Grün und blau, ist dem Kasperl seine Frau“, so heißt es im Volksmund. Aber das hat nichts zu bedeuten, denn eigentlich, wie auch uneigentlich, hat überhaupt nix was zu bedeuten, außer den Prioritäten natürlich, den großen Dingen, die in der Welt passieren, wie z.B. Sport, Werbung, (gute) Nachrichten, Werbung, ein schöner Familienfilm, oder ein spannender Krimi, nach dem man beruhigt einschlafen kann.

Denn nichts ist wichtiger als die Ruhe. Sie ist des Kasperls erste Pflicht! Dagegen sind Mord und Totschlag gar nichts, eine Vergewaltigung geradezu lächerlich, ja, alles was der Kasper nicht am eigenen Leib erlebt, ist völlig irrelevant. Das Kasperle ist ja nicht dumm – es weiß schon, was ihm gut tut! Darauf und ausschließlich darauf muss es bestehen, damit es bestehen kann, in einer lustigen Zeit!

*

Ein hohes Lied

Tri, tra, trullalla,
der Kasper Hauser ist schon da!
Er war mal ganz lang eingesperrt,
dann wurde er ans Licht gezerrt -
trall-lall-lalla-la!

Tri, tra, tulllalla,
wir reden schnell „blahblah“?
Nun kennt der Kerl sich nicht mehr aus,
der Kasper ist in unserem Haus -
trall-lall-lalla-la!

Tri, tra, trullalla,
man fragt sich fern und nah:
„Wo bringen wir den Kasper hin?
Was haben wir mit ihm im Sinn? -
trall-lall-lalla-la!

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