Märchenstunde

Bild von Alf Glocker
Bibliothek

Liebe Leute, hört und lasst euch sagen – nein, nicht, daß die Uhr 5 nach 12 geschlagen hat, sondern daß ich Rumumpelstibitzchen heiße und in einem wundervollen Chaotenstaat lebe. Hier dominieren Ehrlichkeit und Vernunft. Da lachen die Papageien und die Gieraffen fressen das Moos aus der Dachrinne! Überall werden die großmäuligsten Frösche geküsst, voll an die Wand geworfen, als Prinzen abgeklatscht, Prinzessinnen aus der geistigen Armut erlöst, Ritter zu Bauern geschlagen und das tapfere Schneiderlein fangen sieben auf einen Streich.

Unsere Regierung wird nicht gewählt – das würde grobe Verzerrungen ergeben – sie ergibt sich von selbst: in ihr Schicksal, dem anströmenden Feind, uns, aus uns, aus dem anströmenden Feind und in alles was wir wollen und wie es uns gefällt. Jeden Tag finden illustre Treibjagden statt! Brauchbares Wild ist immer dringend gesucht! Aber es muss naturungeschützt sein. Der böse Wolf ist ganz lieb, Gevatter Bär vergreift sich an keinen dummen Gänsen – überall ist ganz plötzlich ein wichtiger Feiertag, aber nur wenn uns danach ist.

Als Staatsreligion haben wir den Geschlechtsverkehr. Jeder darf, soll, kann oder muss geschlechtlich verkehren, richtig bzw. verkehrt. Darauf kommt es uns nicht mehr an. Hauptsache Spaß! Und ist der Saß auch voll verrückt, Hauptsache, daß er entzückt! Wir sind entzückend! Wir machen immer gut Wetter. Unabhängig von der Groß-Wetterlage ist unsere Klein-Wetterlage witterungsbeständig, frei, von allem was wettert, sich beklagt, beklagen möchte, von allem was nicht harmlos ist – von allem eben, das uns Sorgen machen könnte!

Denn bei uns, unter den unzähligen Zwergen, zwischen den phantastischen Heer-Bergen, sowie auch im flachen Traum-Land erscheint die Sonne der Eintracht, die zwar auch, aber nicht ausschließlich ein Fußballclub ist. Unsere Arenen umfassen sämtliche sozialen Kontakte, oberflächliche, tiefergehende, oder welche die uns absolut Wurst sind. Bei uns geht es nähmlich, mit Ha, nicht um dieselbe! Denn wir sind, ohne Ha, nicht so dämlich wie wir aussehen, sondern um ein Vielfaches dämlicher!

Damen sehen in der Regel gut aus! Bei uns jedoch ist die Regel das Regellose. Trotzdem haben wir jeden erdenklichen Halt. Zum Beispiel den: „Halt, bis hierhin und nicht weiter!“ denn unsere Märchenbücher verweisen auf eine Menge kleinerer und mittlerer Verfehlungen, die nicht begangen werden dürfen. Die Großen Fehler und Fehlermacher werden, aus Sicherheitsgründen verschwiegen! Tot oder lebendig…

Jeder, den unsere Märchenbücher unter die Rubrik „Große Verfehlungen“ einordnen wird un-heimlich perfekt verschwiegen. Deshalb haben wir auch die besten Verkehrsregeln der Welt! Alle Ampeln stehen auf Grün, das ist die Farbe hinter unseren Ohren… Jeder darf zusteigen, solange er sich mit Ohrengrün tarnt. Da kennen wir nichts! Nicht mal uns selbst! Deshalb sind bei uns sogar die Bahnen geregelt. Kegelbahnen, Seil-schafts-Bahnen, Straßen- und Schnee-von-gestern-Bahnen, alle Bahnen!

Aus diesem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad, wenn wir um Feuer liegen, die irgendwer gemacht. Und war‘s der Liebe Gott, dann sagen wir „Hühott“, bevor wir uns erdreisten und Fehltritte uns leisten. Schneeweißchen wird ganz rosenrot, weil kein‘ Gefahr ihm nirgends droht, denn hier, in unserem Märchenreich, da sind wir alle herzensgleich.

Und alle vier Jahre kommen die Zampanos aus unserer ganzen bekannten Parteienlandschaft um uns was Schönes vorzulesen. Wir werden zu welchen die das Fürchten erlernen, indem man sie auszog, zu Gehänselten im Glück, zu Goldeseln Bricklebrit für die jeweiligen Stadtmusikanten und fühlen uns dabei wie das kleine Mädchen, dem die Sterntaler ins Schürzchen fallen. Dann folgen wir froh den Rattenfängern aus dem Städtele hinaus, aber alle Schätze bleiben zurück, bis sie wieder-wieder kommen und neue Märchen erzählen um uns froh zu stimmen.

Für uns deckt sich also immer ein Tischchen! Deshalb holen wir auch niemals den Knüppel aus dem Sack. Und weil es uns so unsagbar gut geht und wir alle mal dran glauben müssen, an die edlen Absichten, die tolle Zukunft, kommt auch der Meister Adebar viel zu kurz. Er stolziert in den Sümpfen, hängt faul in seinem Nest herum, anstatt sich einmal aufzuraffen. Seine „Post“ bleibt liegen, seine Bündel ungeschnürt, seine Fracht unausgetragen. Das Schlaraffenland der rosigen Aussichten hält ihn fest wo er ist. Dort ist er gut aufgehoben…

Unsere Narren sind Könige und unsere Könige sind Narren. Aber darauf kommt es nicht an, denn unser System ist unfehlbar. Wir sind nicht nur die Guten, wir sind die Besten! Wir schlagen den Schaum solange er vorschlagbar ist. Das ist aber dann nicht verschlagen, sondern lupenrein, vor jedem märchenhaften Gewissen – immer bereit! Was wir uns vorstellen das steht überall nachzulesen. Sonst würden wir ja uns selbst nicht glauben. Doch eines ist klar wie Plumpaquatschbrühe: dies ist nicht die Ruhe vor dem Sturm, sondern die ewige Glückseligkeit!

©Alf Glocker

Veröffentlicht / Quelle: 
Auf anderen ebseiten

Interne Verweise

Kommentare

16. Feb 2015

Meister Adebar will Bar - Geld seh'n!
Sagt: "Ade!" - und lässt uns steh'n...
LG Axel

17. Feb 2015

Ja, wenn das Geld nicht wär, dann hätten wir wohl viele Kinder...
(nicht nur geistiger Natur)
LG Alf