Story XV: Der Gärtner oder eine gar garstige Moritat - Page 4

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das Profil des Täters selbsterklärend, aber ich will Ihnen trotzdem einen kurzen Abriss meiner Vorstellungen geben: Der Täter ist ein mittelalterlicher, weißer Mann, der selbstverständlich dem rechten Spektrum angehört – ich bin sicher, dass Sie hierfür die richtigen Beweise beschaffen. Damit die politisch korrekte Bestrafung reibungslos funktioniert, sollten die kognitiven Fähigkeiten des Täters nicht allzu ausgeprägt sein. Schleppen Sie mir aber keinen Obdachlosen an, ein bioteutonischer Petite Bourgeois erscheint mir eine ideale Wahl. Ach ja, perfekt wäre es auch, wenn der Kriminelle ein bekennender Klimaleugner ist. Haben Sie das jetzt begriffen?‘
‚Natürlich, Euer Polizeilichkeit. Vielen, vielen Dank für das wissenschaftliche Profiling…‘
‚Sie sind wirklich ein übler Schleimbolzen, aber ich erwarte nichts Anderes von meinen Subalternen. Übrigens ist die korrekte Bezeichnung ‚Euere Gnaden‘, seitdem der König der Löwen mich in den Adelsstand erhob. Und nun hurtig, ich erwarte bis morgen einen präsentablen Täter. Schlucken Sie heute weniger von Ihren Leckerlis und denken Sie an die Baba Jaga; als Frau ist die sowieso politisch geeigneter als Sie!‘
Bevor der gemaßregelte Oberkommissar seine ölige Replik absondern konnte, war die Verbindung auch schon unterbrochen.
Der Herzog von Otranto, mit bürgerlichem Namen Joseph Fouché, wusste einfach alles! Nur gut, dass die persönlichen Eskapaden seiner Untergebenen sein polizeiliches Gemüt nicht belastete, da der polizeidirektorale Träger des ‚Verdienstkreuzes für aufrechte Haltung‘ mit keiner Art von Gewissen belastet war und sich seine betriebliche Blindheit durch üppige ‚Geschenke‘ seiner ‚Lausbuben‘ ordentlich schmieren ließ.
Widerwillig kontaktierte der nun diensteifrige Chefermittler seine transusige Vorzimmerdame, Frau Petruschka, die sich auch sofort am Telefon meldete, da die ungewöhnlichsten Ausnahmen ja bekanntlich die Regel bestätigten.
‚Ah the Punch, what do you want?‘
‚He? Reden sie gefälligst teutonisch mit mir und geben Sie mit Ihren Englischkenntnissen für Arme nicht so an. Ich verstehe das recht gut und Sie können sich diese sexuellen Avancen durchaus sparen!‘
Von einem ihm ebenso unerklärlichem, wie amüsierten Lachen nur leicht irritiert, setzte der sprachgewandte Kriminalist die Unterhaltung fort.
‚Sagen Sie mir lieber, ob der Seppel inzwischen hier ist und die Verdächtigen zusammengetrieben hat?‘
‚In der Tat, die sitzen inzwischen im Warteraum. Kommissarin Pulcinella und Ihr Lakai erwarten Sie bereits sehnsüchtig im Vernehmungszimmer, Sie Linguist.‘
‚Diese billigen Komplimente können Sie sich sparen!‘
Den Hörer aufknallend und förmlich aus seinem Büro und das Vorzimmer stürmend und die breit grinsende Petruschka ignoriend, bewegte sich der agile Oberkommissar in Richtung Zentrum verhörtechnischer Inquisitionen.
Eigentlich brauchte er jetzt einen fetten Schuss, aber der panikerfüllte Gedanke an die Konsequenzen des herzöglichen Zorns ließen sämtliche intendierte Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz in den Hintergrund treten.
Leicht außer Atem betrat Punchie eilig den Tempel der Wahrheitsfindung und blickte sogleich in das spöttisch grinsende Gesicht Rosa Pulcinellas, deren breites Gesäß nur schlecht auf einem der beiden bescheidenen, für die vernehmenden Beamten reservierten Stühle Platz fand; tatsächlich sprach es immens für die Stabilität des Utensils, dass es unter der Catcher gleichen Körperlichkeit jener Ermittlerin nicht zusammenbrach. Auf der anderen Seite eines mikrofonbewehrten, schmucklosen Metalltisches befand sich dann auch ein minderwertiger Klappstuhl, der für mögliche Delinquenten vorgesehen war. Der findige Polizeihauptmeister Seppel stand derweil versonnen, selig befriedigender Erinnerungen aus dem Tal der Könige memorierend, lächelnd nahe dem Eingang der bunkerartigen Räumlichkeit.
‚Sieh an unser Kasperle! Ich dachte schon, Sie hätten beim Onanieren auf der Herrentoilette die Zeit vergessen!‘
Punchie zwang sich, die dritte Kandidatin für eine mögliche Entsorgung in einer dunklen Seitengasse anzulächeln. Quotenfrau Pulcinella besaß zwar nicht die geringste Qualifikation, um auch nur den niedrigsten Dienstgrad bei der Polizei zu besetzen, war aber aufgrund ihres Geschlechts in ihre jetzige Planstelle förmlich katapultiert worden. Hier gebot es der staatsdienerische Selbsterhaltungstrieb, gute Miene zum obszön bösen Spiel zu machen; zumal die Dame in besonderer Gunst Otrantos stand, der sie auch gerne seinen als Zeichen ‚gegen rechts‘ seinen Dienstherren präsentierte. In anderen Zeiten hielt sich der Herzog einen gewissen Adolf Larifari in gehobener Position, der zwar auch jegliches Maß an normaler, polizeilicher Inkompetenz überschritt, aber durch seinen offen praktizierten Faschismus ein wirklich exzellentes Aushängeschild ‚gegen links‘ darstellte.
‚Oh, meine liebe Pulcinella,, was für ein gelungen Scherz! So geistreich und witzig!‘
Verständnislos strich sich die Komplimentierte über die fettigen Dreadlocks und grunzte verächtlich.
‚Scherz? Lassen Sie mal Ihre Machosprüche Sie Clown. Sie finden sich schneller vor dem Tribunal der Frauenbeauftragten als Sie schleimen können!‘
Ein kurzes, mörderisches Glitzern trat in des verkannten Charmeurs Augen, der sogleich einem filmreif debilen Lächeln wich. Das bescheidene Imitat einer Feministin wiederum füllte förmlich Ihr enges T-Shirt mit dem Logo der allseits bei diversen Politgrößen beliebten Band ‚grober Heringssalat‘ – berühmt für ihre Titel ‚Wenn das Bullenblut vom Messer spritzt‘ und ‚Jeder der kein Nazi ist, hüpft jetzt auf einem Bein‘ – noch mehr aus, als dass es die emanzipatorische Körperfülle ohnehin gebot.
‚Entschuldigen Sie vielmals, Dame Pulcinella. Meine Absicht war es keineswegs Sie zu beleidigen, im Gegenteil…‘
‚Aus der Kiste winden Sie sich nicht mehr heraus! Das wird Konsequenzen haben!‘
Für einen kurzen Moment, erbleichte der abgebrühte Ermittler ob der in dumpfer Wut hervorgestoßenen Worten, denen ein aggressives Schweigen folgte. Innerlich seufzend fügte sich der gemaßregelte Leitbulle in sein Schicksal und beschloss, zumindest die Täterfindung in zufriedenstellender Weise zu erledigen.
‚Seppel, holen Sie jetzt den Tatverdächtigen herein!‘
Der Angesprochene, aus den süßesten Erinnerungen gerissen, blickte zunächst seinen Herren in einer Weise an, mit der vermutlich auch die Katze den Kalender betrachtete, besann sich aber dann.
‚Chefche, wat soll ich denn für nen Täter holen tun. Dat sind nämlich zweie, wegen dat Vielfalt und so. Dat is dat Binukiu, wat südländische Freund is, und dat Krautss!‘
Da die oberordnungshütende Konzentration von den vorhergehenden Ereignissen noch ein wenig beeinträchtig war, erfolgte die Antwort recht unbedacht.
‚Meinetwegen führen Sie den Freund als ersten vor. Aber beeilen Sie sich gefälligst, Sie Knalltüte!‘
Nachdem Punchie seinem Seppel mit befehlsgewohnt nassforscher Stimme seine Instruktionen erteilte, betrachtete er scheu aus den Augenwinkeln seine Kollegin, deren eindeutige Mimik – so ungefähr hatte wohl vor Urzeiten auch Medea ausgesehen, als sie ihren Nachwuchs abschlachtete – sich seinen Blick schnell wieder sicheren Gefilden zuwenden ließ.
Nach einigen Minuten beredeten Schweigens öffnete sich die Tür der heiligen Hallen polizeilicher Wahrheitsfindung und herein trat (Trommelwirbel) Binukiu eskortiert vom getreuen Seppel.
Entsetzt betrachtete der routinierte Oberkommissar das dürre Männchen offensichtlich vorderasiatischer Herkunft, dessen Erscheinungsbild von derartiger Hässlichkeit war, das

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Zum neuen Jahr eine alte Geschichte, die euch erfreuen möge. Ansonsten wünsche ich alles Gute für 2021.
Cheerio
JU

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