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wo jetze Täter is. Wird sofort serviert!‘
Wenige Minuten später stand das Objekt ermittlungs-technischer Begierde vor seinen Inquisitoren – eine ebenso unattraktive Erscheinung wie sein Vorgänger, aber bei weitem nicht so gut gekleidet.
‚Dat is nu dat Karl Krautss, wo wohnen tut in Gelsum-Süd in dat Rue Morgue 7b. Dat is der, wo dat Opfer zuletzt gesehen und verehrt haben tut.‘
‚Danke Polizeihauptmeister. Sie sind also Herr Karl Krautss!‘
Die unangenehmen Emotionen hinsichtlich eventueller, clankrimineller Aktivitäten in naher Zukunft abschüttelnd, betrachtete Punchie den Auserwählten mit wachsendem, raubtierhaftem Interesse – das äußere Erscheinungsbild passte schon einmal perfekt zu den herzöglichen Wunschvorstellungen.
‚Jawohl, Herr Inspektor! Karl Krautss mein Name, mit doppeltem ‚S‘!‘
‚Klar: ‚SS‘! Verdammter Nazi! Seppel, legen Sie den verdammten Faschisten in Ketten!‘
Nach ihren hysterisch vorgetragenen Zornesausbruch Pulcinellas, die dabei erregt aufgesprungen war und von einem Bein auf das andere hüpfte, beeilte sich der Angesprochene, dem völlig perplexen Krautss recht unsanft Handfesseln anzulegen.
Wie genoss Punchie die erfreuliche Situation. Endlich war auch dieser Witz von einer Polizistin zu irgendetwas nütze.
‚Beruhigen Sie sich werte Kollegin, der Rechtsextremist ist nun schließlich fixiert! Seppel, wenn der Tatverdächtige weiter Widerstand leistet, setzen Sie Ihren Taser ein! Und von Ihnen verbitte ich mir weitere rechtsradikale Äußerungen!‘
‚Widerlicher, alter, weißer Mann!‘
Krautss wie ein besonders ekelhaftes Insekt betrachtend, nahm die heftig mit ihrer Erregung kämpfende Kommissarin Platz.
‚Nein, Frau Oberinspektor, das war ja gar nicht so gemeint…‘
‚Einfach widerlich! Der Nazi ist für mich einfach unerträglich!‘
Zur Überraschung aller Beteiligten verließ die dauerempörte Pulcinella, ihren Stuhl in der Erregung umstoßend, mit olympiareifer Geschwindigkeit den Raum. Punchie war der furiose Abgang nicht allzu unrecht, da dies ihm die Möglichkeit bot, den Täter in aller Ruhe zu überführen und den alleinigen Ruhm einzuheimsen.
‚Krautss, ich warne Sie! Wenn Sie weiter Ihren rechten Müll verbreiten, wird das Konsequenzen haben!‘
‚Aber Herr Chefinspektor, ich bin nicht rechts!‘
‚Schweigen Sie, das zu beurteilen, steht Ihnen nicht zu! Leugnen nützt Ihnen hier gar nichts, sondern macht alles noch viel schlimmer. In Ihrem Interesse sollten Sie meine Fragen ehrlich beantworten. Also sagen Sie mir: Warum genau haben Sie Frau Bibbi Blockhill so grausam gemeuchelt?‘
‚Ich habe die Frau nicht umgebracht, bitte glauben Sie mir, ich habe sie verehrt. Als Mülldetektiv bin ich doch auch quasi ein Kollege von Ihnen und würde nie ein solches Verbrechen begehen. Mensch und Natur liegen mir doch am Herzen, obwohl mir das mit dem Klimawandel komisch vorkommt. Mein Vater sagte schon immer: schaffe, schaffe, Häusle baue…‘
Der gewiefte Oberkriminalist sah den offensichtlich geschockten Delinquenten, der in zunehmende Konfusion verfiel, fast liebevoll an. Der Typ würde sich ausgezeichnet im nachfolgenden Schauprozess machen.
‚Ein Klimaleugner sind Sie auch noch! Krautss, Sie sind ja eine richtige Bestie! Was würde Ihr Vater sagen, wenn er wüsste, welches Monster er erzeugt hat!‘
‚So war das nicht gemeint…‘
‚Ich habe Sie gewarnt! Seppel, bitte tasern!‘
Der gelangweilte Oberkommissar war des Spielchens überdrüssig, zumal noch eine dringende Geldbeschaffungs-aktion bei Schutzbefohlenen anstand, um eine gewisse Transaktion im Görlitzer Park zu einem lebensverlängernden Ende zu bringen. Was nun Krautss anging, so entsprach sein Profil in jeder Hinsicht den Vorgaben des Herzogs von Otranto. Ein Geständnis für den Mord an Blockhill und beliebige Tötungsdelikte herauszupressen, dürfte eine Angelegenheit von keinen drei Tagen sein; für einen perfekten Täter übte sich selbst der Herzog in Geduld.
‚Karl Krautss, ich verhafte Sie wegen dem dringenden Tatverdacht des Mordes an Bibbi Blockhill. Seppel, sammeln Sie den Jammerlappen auf und werfen ihn doch bitte in den Carcer Mamertinus!‘
*
Völlig zufrieden mit sich und seiner kleinen Welt gönnte sich Punchie ein ordentliches Näschen aus Binukius Geschenkpackung. Vor seinem anstehenden Rundgang, um die dringend benötigten Gelder des Schutzes von einsichtigen Gastronomen einzutreiben, hatte der erfolgreiche Kriminalist sich entschlossen, noch kurz in sein heimeliges Büro einzukehren. Der Kalif war schon ein ganz schöner Pfennigfuchser, wegen schlappen 1000 Euro einen derartigen Aufstand zu machen. Allerdings stellte es eine unverzeihliche Gedankenlosigkeit des geschäftstüchtigen Oberkommissars dar, zu glauben, dass Alkhalifat Allaqalaq nicht auffallen würde, dass er eine der vielen Abgaben des Zuhälterkönigs unterschlug. Dummerweise ging die Kohle unmittelbar für illegales Glücksspiel drauf, sodass Punchie nun besondere Maßnahmen ergreifen musste. Zwar schuldete der Ordnungshüter zwar dem gestrengen Kalifen nach Begleichung der Schuld noch einige – quasi als Zinsen – Gefälligkeiten, aber dies bereitete dem charakterlich flexiblen Polizisten die geringsten Sorgen. Zumindest hatte der Herzog von Otranto jetzt den heißersehnten Täter und würde ihm weiterhin freie Hand lassen, da er an Kleinkriminalität wenig interessiert war und nur Coups in großem Stil bevorzugte. Blieb nur noch, dem im Zwielicht wandelnden Polizeidirektor Bericht zu erstatten, bevor er aufbrach, um die Kollekte einzusammeln.
‚Törööö!‘
Unbemerkt hatte eine illustere Gestalt das ärmliche Büro betreten, während der gutgelaunte Oberkommissar sich anschickte, eine weitere Ladung energiereichen, weißen Pulvers zu schnupfen.
‚Seppel, Sie Vollpfosten…‘
Punchie bemerkte, dass es keineswegs der getreue Polizeihauptmeister war, der da unbemerkt eingedrungen war. Vor ihm befand sich eine riesige Gestalt, die sich offensichtlich auf seltsame Art als Gartenzwerg kostümiert hatte. Zipfelmützchen, krachlederne Hosen ..etc…
Entgeistert starrte der Oberkommissar den wunderlichen Gast an, der dann auch das Gespräch in einer seltsam hohen Stimmlage eröffnete.
‚Ihre Vorzimmerdame meinte Sie sind hier der verantwortliche Ermittler. Wenn ich mich vorstellen darf:‘
Galant zog der Riese seine lustige Zipfelmütze im Fliegenpilzdesign vor dem sprachlosen Gangsterjäger.
‚Ben Flowers. Ich möchte mich gerne stellen. Ich habe all diese Leute mit meinen Geräten aus dem Gartenbaumarkt getötet. Nicht, dass es mir wirklich Spaß gemacht hätte, aber wissen Sie wie öde es ist, immer nur der Gute zu sein. Törööö! Dauernd irgendwelche Bälger oder Omas retten zu müssen, die Dir höchstens nichtsagende Dankesworte geben, wenn sie Dich nicht beklauen oder vors Schienenbein treten, ist einfach deprimierend. Ich sagte mir: Ben, ist das wirklich alles? Ich war schon versucht Schluss zu machen und zu den Elfenbeinjägern zu gehen. Aber dann, als ich mir voller Verzweiflung als Suizidversuch den neuen Batman ansah, kam mir die Erleuchtung! Wie schillernd ist der großartige Joker neben dieser farblosen Fledermaus! Also beschloss ich endlich ein erfülltes Leben als Schurke zu genießen! Und es macht Spaß! Törööö! Aber ich habe ein Problem! Ich sehne mich nach der Gesellschaft von Gleichgesinnten. Leider glauben mir Bandidos und Hell’s Angels nicht. Deshalb, mein Guter, verhaften Sie mich wegen meiner Untaten! Ich breche dann aus und werde endlich ernstgenommen!‘
Dem verwundert belustigten Oberkommissar dämmerte es, dass er es mit einem völlig durchgeknallten Zeitgenossen zu tun hatte, der jedoch einen harmlosen Eindruck auf ihn machte.
‚So, so, Sie sind der Gärtner. Was Sie nicht sagen. Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Gehen Sie doch einfach zur nächsten psychiatrischen Einrichtung und bitten Sie um Aufnahme. Ich bin sicher, dass man Sie dort gerne erwartet. Wissen Sie was: Bitten Sie doch einfach meine Vorzimmerdame, die Petruschka, einfach, einen uniformierten Kollegen zu holen, der Sie in die nächste Anstalt eskortiert. Ich verhöre Sie dann bei Gelegenheit.‘
Dem bisher krampfhaft das Lachen verbeißenden Oberkriminalisten kam ein längst überfälliger Gedanke.
‚Wie sind Sie eigentlich hier hereingekommen?‘
‚Ich habe einfach alle auf meinem Weg mit meinem Schippchen und Eimerchen umgebracht! Schließlich brauchen Sie auch Beweise, um mich festzunehmen.‘
Ben Flowers schüttelte bedauernd sein gigantisches Haupt.
‚Mit Ihrer Sekretärin kann ich leider nicht mehr reden, da ich mein Schippchen in ihrem Kopf verloren habe. Ach mein Eimerchen. Das befindet sich jetzt auf dem Kopf eines Uniformierten namens Seppel, den ich zwar nicht umbringen konnte, der aber orientierungslos durchs Polizeirevier irrt! Verhaften Sie mich jetzt?‘
Offensichtlich war der Typ total übergeschnappt. Punchie stellte zu seinem Entsetzen fest, dass er seine Dienstwaffe nicht bei sich trug. Eine körperliche Auseinandersetzung mit dem Riesen erschien ein wenig risikobehaftet. So entschloss sich der Oberkommissar für eine andere Taktik.
‚Aber guter Mann! Beruhigen Sie sich. Natürlich verhafte ich Sie hiermit. Gehen Sie am besten jetzt nach Hause und warten sie auf das SEK!‘
‚Ich lege jetzt meine Verkleidung ab, damit Sie meine wahre Identität erkennen!‘
Der Typ war nicht nur verrückter als eine Scheißhausratte, sondern offensichtlich auch noch total pervers! Einer sich totstellenden Ratte ähnlich ließ Punchie den Striptease über sich ergehen. Was da zum Vorschein kam, erschien im völlig absurd.
‚Meine Fresse, legen Sie doch wenigstens dieses lächerliche Elefantenkostüm ab. Besser Sie springen hier nackt durch die Gegend, als in diesem Outfit.‘
‚Elefantenkostüm?‘
‚Ja, Sie kranker Spinner. Da sahen Sie ja sogar als Gartenzwerg weniger grotesk aus.‘
Mit müder Resignation schüttelte Ben Flowers sein rüsselbewehrtes Haupt.
‚Sie glauben mir nicht! Gut, dass ich in meinem Zipfelmützchen noch einen Gardena-Gartenschlauch versteckt habe! Dann bringe ich Sie eben auch um und warte auf einen, der mir glaubt!‘
Einige Minuten später war die Gartenarbeit getan und der ungläubige Oberkommissar vermutlich in einer besseren Welt.
Und wenn er sich nicht zu Tode gelangweilt hat, so wartet Ben Flowers bis heute auf einen, der ihm glaubt.
Zum neuen Jahr eine alte Geschichte, die euch erfreuen möge. Ansonsten wünsche ich alles Gute für 2021.
Cheerio
JU