Der Wind der Zeit

Bild von Anouk Ferez
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Ich lausche stumm. Es weht die Zeit,
als gäb‘s kein gestern, heute, morgen.

In meinen Augen keimen Sorgen.
Es flügeln Winde Ewigkeit. Sie wirbeln Staub
durch die Epochen. Und ich glaub
das Weite nah. Das „Jetzt“ scheint weit.

In meinem Herzen nistet Einsamkeit.
Dort reichen Gruß und Abschied sich die Hand.
Wer, sag mir WER ist’s, der befand,
dass Leben, UNSER Leben einzig wäre?

Mephisto, Dämon und Schimäre,
ich fürchte euch wohl nimmer mehr
- in dieser und in keiner andren Sphäre!

Es sind Verluste, die mich töten.
Die neuen Sonnen, die sich röten,
um bald darauf schon zu verblassen.
Nichts kann ich halten: Alles fließt.
Wir alle müssen uns entfalten.
Leben, streben und vergehen.
Wiederauferstehen.

In meinen Adern fließt die Zukunft
- und gleichsam die Geschichte!
Die der Jungen und der Alten.
Ich verdichte. Ich zerfalle.
Und es schließt
sich jener Endloskreis.

Der Wind der Zeit bauscht leis
schlohweißes Haar um spröde Knochen.
Aus diesen krochen
all jene Kinder einst hervor ,
die ich daselbst in tausend Leben
gottgegeben einmal war.

So bin ich Anfang, bin ich Ende,
bin jeder Ruhe, jeden Ausstiegs bar.
Ein jeder von uns ist‘s: Wir alle stehen.
Darauf wir fallen, fallen, fallen.
Und unsere Seelen gehen
fortwährend heim, durch jenes Tor…
Und unsere letzten Schritte hallen
dem neuen Leben noch im Ohr.

Mai 2017, Anouk Ferez

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