Dezember-Gedicht der Künstlergruppe 14 Zoll – „Weihnachten“

Bild von axel c. englert
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Früher war mehr Beretta!

Mensch! Sie wollen mich verkohlen:
ICH hab NOCH NIE ein PFERD GESTOHLEN!
Ergo lass ich mich nicht HÄNGEN –
Wenn Sie noch so froh-roh drängen …

Mann! Haben Sie denn kein GEWEHR?!
KLIRR! DIE Methode fänd ich fair!
DAS hat bei uns Tradition –
Da knallt‘s seit vielen Festen schon …

(Dünkt mir die reinste Narretei:
Nie mehr LAMETTA – wegen Blei –
Und jene KUGELN STEHEN drauf?!
Anscheinend doch kein feiner Kauf …)

[Christbaum-Kugeln, aus Wildwest:
Keine Sau braucht diesen Test …]

(© Axel C. Englert)

Oh, du Fröhliche ...
  
Direkt an Weihnachten
sollte man auf den Wein achten!
Denn zur Weihnachtsgans,
sagt der Weihnachtshans:
„Friede allen Menschen auf Erden,
denn auf dem Rücken von Pferden
kommt das Glück zu uns geritten –
dies ist unbestritten!“
 
Singen wir ein Lied:
Im Frühtau zu Weihnacht wir zieh’n,
fallera – was dann geschieht,
(was wird uns blüh’n?),
werden wir bestimmt erleben:
Es kann nichts Schön’res geben,
als weiße Weihnacht, oder nicht –
und auf den Tannen sitzt ein Licht!
 
Dann zünden wir den Christbaum an
und feiern fleißig Ramadan.
Geschenke gibt es obendrauf,
plastikverpackt, en gros, zuhauf –
bis schließlich kommt noch der Komet
(zur rechten Zeit und nicht zu spät) ...
und wer stets lieb und brav gewesen,
der kriegt ‘n Meter Bier am Tresen!

(© Alf Glocker)

Weihnachten
 
Weihnachten steht in den Sternen
Goldener Stern von Bethlehem
Häuser stehn jetzt an dem Orte
Der Stall ist fort aus Stroh und Lehm
 
Goldene Sterne sieht man leuchten
Ihnen folgt ein lauter Knall
Weihnachten das Fest des Friedens
Laut ertönt Kanonenschall
 
Weihnachten steht in den Sternen
Die herniederfallen aufs Land
In das einst vor vielen Jahren
Wurd der Friedensfürst gesandt
 
Weihnachten das Fest des Friedens
Lange schon in jedem Jahr
Doch der Frieden hier auf Erden
Der ist lange noch nicht da
 
(© Sigrid Hartmann)

Weihnachten 2019 
 
Hörst du auch das leise Klagen,
derer, die da einsam sind.
Denkst du ihrer bei den Gaben,
denkst du an ein armes Kind?
 
Hörst du auch das Kinderweinen,
das vergessene Gebet.
Hüllst du dich dabei in Schweigen,
oder siehst, wie‘s anderen geht?
 
Hörst du nun ein Kinderlachen,
weil es satt geworden ist.
Du kannst Menschen glücklich machen,
wenn du nur ein wenig gibst.
 
(© Angélique Duvier/2019)

Weihnachtszeit 

Frohlocket – es ist Weihnachtszeit!
Nun kauft Geschenke, die entzücken.
Gebt euer Geld für Nonsens aus,
und nicht, um Ärmste zu beglücken. 

Was wünscht sich Robert, was der Hans?
Sie brauchen nichts? Da heißt es „denken"!
Wer nichts mehr braucht und alles hat,
dem kann man 'nen Ballonflug schenken ...

„Brot für die Welt" und „UNICEF"?
Die Post kommt gleich ins Altpapier. 
Jetzt ist Familie angesagt
(erfreut des Einzelhandels Gier).

Kauft lieber irgendeinen Mist 
mit Umtauschgarantie (verständlich). 
An Fremde denken? Doch nicht jetzt!
Die Weihnachtszeit ist kurz und endlich!

Was kümmert uns der anderen Los?
Oft hat man selber schwer zu kämpfen.
Zur Weihnacht steigt das Mitgefühl,
nur kann's das Ego recht gut dämpfen. 

Die „Tafeln" werben, sammeln auch –
„gleich nebenan" sind Wünsche offen.
Vielleicht wär's gut, zur Weihnachtszeit
mehr „fremdzugeben", als zu hoffen …

(© Corinna Herntier)

Bald Weihnacht
 
Dezember kommt mit Rau und Reif,
manch Finger frieren kalt und steif
und Nebel wallt durch Flur und Feld,
macht sie zur unbekannten Welt.
 
Die Scheinwerfer werfen ihr Licht,
doch sehr viel weiter sieht man nicht,
selbst Häuser kann man kaum erkennen,
nur, weil in Fenstern Kerzen brennen.
 
Die Großen zieht es jetzt ins Haus,
die Kinder aber streben raus,
sie wollen Winterwunder starten,
doch Schnee lässt weiter auf sich warten.
 
Sie wünschen sich, dass es viel schneit,
denn Weiß gehört zur Weihnachtszeit,
und in der weiß verpackten Hülle
wird selbst die laute Welt ganz stille.
 
Ist man auch noch so stark verfroren,
man hört jetzt mit den Seelenohren,
ganz ohne Sternenglanzgefunkel
lauscht man hinaus ins frühe Dunkel.
 
Jetzt hat man Lust, Kekse zu backen
und kleine Dinge hübsch zu verpacken,
selbst große Spötter werden klein,
dann muss es wohl bald Weihnacht sein …
 
(© noé/2019)

Sinnliches Erleben

Mit einem trockenen „Tock!“ spaltete die Axt das Holz. Durch die Wucht des Hiebes schleuderten die beiden Scheite rechts und links in den Schnee; die Spitze der Axt blieb in dem Baumstumpf stecken, der ihm als Hackklotz diente.
Froh, sein heutiges Pensum geschafft zu haben, und jetzt doch ein wenig außer Atem, hielt er inne, stützte sich mit einer Hand auf den Stiel seiner Axt und schaute um sich.
Die Stille war überall.
Nachdem auch dieses letzte von ihm verursachte Geräusch verklungen war, lauschte er ihrem Knistern, hörte, wie sie sich sammelte. Sie hatte gewartet; jetzt näherte sie sich in Wellenform, jenes Geräusch-Vakuum zu füllen, das durch sein Arbeitsende entstanden war.
Er fühlte sie kommen, sie strömte auf ihn ein, von allen Seiten gleichzeitig, wie das Anstranden einer Brandung – und er: eine einsame Insel, verloren in der Unendlichkeit eines Ozeans.
Er liebte diesen Moment, er war ihm eine sinnliche Freude, jedes Mal, und er machte sich bereit. Nicht einen Muskel bewegte er. Er stand und wartete, den Kopf hoch erhoben. Dann klinkte er bewusst die Ohren frei – er nannte das „Aufknöpfen“ -, stellte sie auf Durchzug, zitterte ein wenig in der Erwartung.
Und endlich spürte er, wie die Stille ihn erfüllte, wie sie ihn durchdrang, ihm nach und nach alle Poren öffnete, ihn durchlässig machte, ihn durchspülte, reinigte, innerlich wusch.
Er bot der Stille kein Hindernis; sie umströmte ihn nicht - sie floss durch ihn hindurch, sein Atem wurde ganz flach und behutsam, um keine Turbulenz zu bilden. Er ließ die Stille in sich hineinfallen und wurde Teil von ihr, ergab sich dem Genuss.
Im Hintergrund tropfte sich monoton und leise der lange Eiszapfen neben der Hüttentür in seine Wahrnehmung.
Ein plötzlicher Windhauch winkte mit einem Föhrenzweig und streute flüsternd Puderzucker auf die Schneedecke darunter, während eine erschrockene Amsel kryptische Schriftzeichen ins unberührte Weiß stenografierte, auf ihrer Suche nach neuer Sicherheit.
Von ganz entfernt hallte ein Frage- und Antwortspiel zweier Krähen echohohl durch den Wald.
In einem tiefen Atemzug weiteten sich seine Lungen: Wer brauchte die Stadt, wenn er hier in solchem Reichtum baden konnte!
Konzentriert sammelte er die Scheite ein, warf sie in den Korb, die Axt legte er obenauf. Unter seinen schweren Schritten knirschte der Schnee, als er die Früchte seiner Arbeit ins stille Innere der warmen Hütte trug.

(© noé/2016)

Der Flockenfabrikant

Ganz oben, wo die Luft schon knapp,
lebt einer – nur von Fantasie.
Ringsum starr Eis und Ewigkeit ...
Besuch bekommt der eine nie.

Hebt er den Blick, verliert sich dieser
in funkelnd heller Dunkelheit.
Am Dachfirst unsrer regen Welt
sind Zeiger jeder Hast befreit.

Auf weißer Brach‘ der Himmelshöh‘n
wird Frost zu Blumen, wildgezackt –
aus kreativen Präzisionen ...
ein fein verzweigter Schöpfungsakt.

Ziemlich maßlos ihn die Gabe
jedes Winterarbeitsfest
Millionen, nein, Milliarden ihrer –
aus einem Eisblock hauen lässt.

Sein Kopf steckt voller Unikate,
den Sternen sehnend abgeschaut.
Nicht eine Flocke gleicht der nächsten ...
schwebt knappe Zeit, bevor sie taut.

Doch ist es kalt und wolkendicht,
hebst du den Blick und siehst hinauf ...
fällt sein Geschenk – ein Sternenheer.
Es schneit und schneit und hört nicht auf ...

Dann weißt du, er macht Überstunden –
Ideen ihn lustvoll dazu zwingen.
Die Mondessichel schwingt er, schnitzt ...
um uns kristall‘nes Licht zu bringen.

So gibt er, seit die Zeit geschlüpft,
und sucht beim Tun Vollkommenheit ...
Ein kleiner Flockenfabrikant,
ein Künstler der Vergänglichkeit.

(© Ralf Risse)

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