Ich möchte Leuchtturm sein

Wolfgang Borchert
von Wolfgang Borchert

Ich möchte Leuchtturm sein
in Nacht und Wind –
für Dorsch und Stint,
für jedes Boot –
und ich bin doch selbst
ein Schiff in Not!

Englische Übersetzung:

I’d be a light

I’d be a light
in stormy night
for boats and cods
and smelties –
but I’m a skiff
against the odds
myself in diff-
iculties!

Übersetzung von Timothy Ades

Mit diesem eigentlich titellosen Gedicht leitete Wolfgang Borchert seinen Gedichtband »Laterne, Nacht und Sterne« ein.

Veröffentlicht / Quelle: 
Wolfgang Borchert: Das Gesamtwerk. Rowohlt Verlag, 1949
Bild zeigt Wolfgang Borchert und Gedicht Ich möchte Leuchtturm sein

Gedichtanalyse: „Ich möchte Leuchtturm sein“ von Wolfgang Borchert

Einleitung

Das Gedicht Ich möchte Leuchtturm sein von Wolfgang Borchert stammt aus seinem lyrischen Werk und reflektiert zentrale Themen seiner Dichtung: Sehnsucht, Verantwortung und Isolation. Mit der metaphorischen Darstellung des Leuchtturms wird eine Verbindung zwischen der menschlichen Existenz und einem Leben für andere hergestellt. Die Analyse untersucht Inhalt, Form, sprachliche Mittel sowie die Bedeutung des Gedichts.


Inhaltliche Analyse

Das lyrische Ich äußert den Wunsch, ein Leuchtturm zu sein. Der Leuchtturm steht dabei als Symbol für Orientierung, Beständigkeit und Schutz. Er leuchtet in der Dunkelheit, warnt vor Gefahren und gibt Halt. Das lyrische Ich drückt damit den Wunsch aus, anderen in schwierigen Zeiten als Stütze und Orientierung zu dienen.

Gleichzeitig thematisiert das Gedicht die Einsamkeit und Isolation, die mit dieser Rolle verbunden ist. Ein Leuchtturm steht allein inmitten von Wasser und Sturm – ein Bild für die menschliche Existenz, die oft mit Einsamkeit und Entfremdung einhergeht. Trotz dieser Einsamkeit bleibt der Wunsch bestehen, anderen zu helfen und sie vor Schaden zu bewahren.


Formale Analyse

Das Gedicht ist in freien Versen verfasst, ohne ein festes Reimschema oder regelmäßiges Metrum. Diese offene Form unterstreicht die emotionalen und reflexiven Aspekte des Textes.

Die Sprache ist schlicht, was die universelle Botschaft des Gedichts betont. Die kurzen Verse und der sparsame Einsatz von Worten lenken den Fokus auf die zentrale Metapher des Leuchtturms und die Gefühle des lyrischen Ichs.


Sprachliche Mittel

  1. Metapher

    • Der Leuchtturm ist das zentrale Symbol des Gedichts. Er steht für Schutz, Orientierung und Standhaftigkeit, aber auch für Einsamkeit.
  2. Personifikation

    • Der Leuchtturm wird durch den Wunsch des lyrischen Ichs personifiziert, was die Verbindung zwischen Mensch und Objekt verstärkt.
  3. Gegensätze

    • Die Ambivalenz des Leuchtturms – einerseits Orientierung und Sicherheit zu geben, andererseits isoliert zu sein – wird durch die Gegenüberstellung von Nähe und Distanz, Licht und Dunkelheit betont.
  4. Bildhafte Sprache

    • Das Bild des Leuchtturms inmitten eines stürmischen Meeres erzeugt eine eindringliche Atmosphäre und betont die Schutzfunktion des lyrischen Ichs.
  5. Wiederholungen

    • Die Wiederholung des Wunsches, ein Leuchtturm zu sein, verstärkt die Ernsthaftigkeit des Anliegens und die Reflexion über die eigene Rolle.

Interpretation

Das Gedicht lässt sich als Reflexion über den Sinn des Lebens und die Verantwortung gegenüber anderen Menschen deuten. Der Leuchtturm symbolisiert nicht nur die Sehnsucht, anderen zu helfen, sondern auch die Herausforderung, dieser Rolle gerecht zu werden, ohne selbst daran zu zerbrechen.

Wolfgang Borchert, geprägt von den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs, könnte mit dem Leuchtturm auch die Rolle des Künstlers meinen: ein Licht in der Dunkelheit zu sein, Orientierung zu geben und die Gesellschaft vor Gefahren zu warnen. Die Einsamkeit des Leuchtturms spiegelt die Isolation wider, die mit solch einer Aufgabe verbunden sein kann.

Das Gedicht zeigt zudem eine philosophische Dimension: Es thematisiert die Existenz als altruistisches Handeln, das mit persönlicher Entbehrung einhergeht. Die zeitlose Metapher des Leuchtturms macht das Gedicht universell nachvollziehbar.


Schluss

Ich möchte Leuchtturm sein von Wolfgang Borchert ist ein eindringliches und vielschichtiges Gedicht über Verantwortung, Menschlichkeit und die Ambivalenz zwischen Nähe und Isolation. Mit der zentralen Metapher des Leuchtturms gelingt es Borchert, eine universelle Botschaft zu vermitteln, die sowohl auf persönlicher als auch gesellschaftlicher Ebene berührt. Das Gedicht bleibt ein zeitloser Appell für Selbstlosigkeit und den Wunsch, auch in der Dunkelheit ein Licht für andere zu sein.

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