Glück

Bild von Johanna Ambrosius
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Nimm, Tochter, nimm den reichen Mann,
Du bist versorgt für’s Leben dann,
Und brauchst nicht mehr zu darben.
Sein Haus ist prächtig wie ein Schloss,
Sein Geld so viel, sein Anseh’n groß,
Die Felder stehn voll Garben.

Zwei Kinder hat er auch gebracht
Und diesen Hut, ist’s nicht ‘ne Pracht,
Wie schön wird er Dir lassen.
Wie freu ich Deines Glückes mich,
Gedenk‘ der armen Mädchen ich,
Die ob des Schmucks Dich hassen.

Das holde Kind, mit Wangen weiß,
Wie Kirschblüt‘ am jungen Reis,
Schaut träumend vor sich nieder.
Du zarte Knosp‘ im Morgenlicht
Kennst noch der Liebe Gluten nicht,
Kein Brennen unterm Mieder.

Sie sieht den Flitter, hört das Wort,
Die Mutter spricht es fort und fort,
Ist eitel Lust und Freude.
Und eh‘ sie sich noch recht besah,
Sprach vor dem Altar sie das „Ja“ –
Und Mann und Weib sind beide.

Ein linder Schauer kommt sie an,
Küsst ihren Mund der alte Mann
In seinen grauen Haaren.
Fürwahr, ein fürwitziger Brauch,
Den kalten Nord mit Lenzeshauch,
Frühling und Winter paaren.

Sie hat es schön, sie hat es gut,
Die junge Frau wie Milch und Blut,
Ich sah am Herd sie walten.
Ihr himmeltiefes Augenblau
Verdunkelt nie ein Tränentau
Kennt keine Notgestalten.

Süßt lacht wie sonst der weiße Mund,
Gibt nie mit einem Hauche kund,
Ob heiß die Ketten brennen;
Und lauschtest ihrer Beichte, sie
Wird ihres Gatten Namen nie
Als nur mit Achtung nennen.

Nur wenn sie öffnet ihren Schrank,
Tönt durch das Zimmer schrill ein Klang
Wie von zerriss’ner Saite:
„Zwei Kleider und ein bunter hut,
Dafür ward ich der Mutter gut;
Wie wohlfeil sind doch Bräute!“

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