Hymne an die Nacht

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

Ich hörte die schleppenden Kleider der Nacht
durch die Marmorhallen rauschen ...
sah sie ihren Zobelrock bauschen -
besteckt mit himmlischer Sternenpracht.

Ich spürte ihre Präsenz, war gebannt von der mythischen Macht. -
Ihr runder schwarzer Rücken senkte sich mit viel Gefühl ... :
so gütig und still neigte sich über mich die majestätische Nacht -
wie die Eine zu mir kommt, die ich immer und ewig lieben will.

Stimmen vernahm ich, die von Freud' und Sorgen sangen -
weiche, sanfte Töne - wie verhaltene Glocken einst klangen ...
berufen, zu füllen die dunklen Kammern der Nacht,
mit längst vergessener, schöner poetischer Fracht.

An der Mitternachtsluft, bei den kühlen Zisternen,
verjüngte sich mein Gemüt.
Der Brunnen des Friedens entspringt dort
- ein vornehmes, altes Geblüt -,
wo die tiefen Zisternen fließen am göttlichen Ort.

O gesegnete Nacht! -
Von dir lernte ich zu ertragen,
was Menschen vor mir erduldet haben.
Du legst deinen Finger auf die Lippen der Klagen -
und sie schweigen - statt sich tiefer ins Herz zu graben.

Frieden! - Frieden!

Wie Orestes einst
flüstre ich dieses Gebet!
Und seht doch, seht:
Herab steigt
- mit weiten Schwingen -
die angebetete,
angeflehte,
die schönste,
die allerbeste,
die dreimal
herbeigewünschte
N a c h t !

Übersetzung des Poems von Henry W. Longfellow :"Hymn to the night", weitestgehend wortgetreu, ein wenig an die heutige Zeit angepasst, sofern dies überhaupt nötig war. Longfellow war ein "Nachtmensch", der die Natur und die Ruhe liebte.

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