Zum ersten Mai ...

Bild von Annelie Kelch
Bibliothek

Nun ist der Mai gekommen, alle Bäume schlagen aus:
sind übermütig große grüne Pferde; bleib zu Haus
und lass getrost die Wolken wandern dort am Himmelszelt;
sie sind dort droben sicherer als du hier unten auf der Welt.

Vater und Mutter auch, falls sie noch nicht im Himmel sind.
Und wozu in die Ferne schweifen, wenn das Gute nah, sag, bist du blind?
Auf jeder Straße langmarschiern zu wollen, ist doch doof!
und weshalb immer Wein, was soll das ständige Geschwof' …?

Die Sonne macht dir Krebs, bist weder frisch noch munter.
Von Bergen fällt man leicht ins tiefe Tal hinunter.
Dein Herz ist müd' und schwach, die Bäume, lass sie rauschen.
Du kennst das Lied der Lerche nicht und darfst nur lauschen.

Und abends gehst du eh in deine alte Kneipe an der Ecke;
der Wirt schiebt dir 'ne Flasche Korn zu und ein helles Bier.
Der Spielmann ist ein Vagabund; schläft in der Hecke.
Dein Schatz hat dich verlassen, denn du trinkst zuviel.

Hotels und Herbergen um diese Zeit: stark überfüllt!
Draußen ist' s kalt, es scheinen weder Mond noch Sterne.
Die Linde, frühjahrsmüd', hat sich in Schweigen eingehüllt.
Du glaubst, das Morgenrot hat dich geküsst? Es war die Gaslaterne!

O Wandern, wandern, Hühneraugen, Hammerzeh …
da wehet Gottes Odem ach so kalt in deine Brust;
dein Herz holpert nach tausend Metern und tut weh;
dann kehrst du um und wankst nach Haus, vorbei die Lust!

Der Mai ist gekommen - von Emanuel Geibel
1.
Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus,
da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zuhaus;
wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt,
so steht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt.

2.
Herr Vater, Frau Mutter, dass Gott euch behüt!
Wer weiß, wo in der Ferne mein Glück mir noch blüht?
Es gibt so manche Straße, da nimmer ich marschiert,
es gibt so manchen Wein, den ich nimmer noch probiert.

3.
Frisch auf drum, frisch auf drum im hellen Sonnenstrahl
wohl über die Berge, wohl durch das tiefe Tal.
Die Quellen erklingen, die Bäume rauschen all;
mein Herz ist wie ’ne Lerche und stimmet ein mit Schall.

4.
Und abends im Städtlein, da kehr ich durstig ein:
„Herr Wirt, eine Kanne, eine Kanne blanken Wein!“
Ergreife die Fiedel, du lust’ger Spielmann du,
von meinem Schatz das Liedel, das sing ich dazu.

5.
Und find ich keine Herberg, so lieg ich zu Nacht
wohl unter blauem Himmel, die Sterne halten Wacht.
Im Winde die Linde, die rauscht mich ein gemach,
es küsset in der Frühe das Morgenrot mich wach.

6.
O Wandern, o wandern, du freie Burschenlust!
Da weht Gottes Odem so frisch in die Brust,
da singet und jauchzet das Herz zum Himmelszelt:
wie bist du doch so schön, du weite, weite Welt!

Ich habe Emanuel Geibels schönes Mailied ein bisschen geändert - für Menschen, denen Wandern ein Graus ist. So etwas gibt es - und muss toleriert werden. Man muss ab und an auch ein bisschen "ringelnatzen".

Interne Verweise

Kommentare

30. Apr 2017

Deine moderne Adaption
Traf voll den Anti-Wander-Ton!
(Auch saust der Deutsche in den Wald -
Und jammert dann, dort sei es kalt ...)

LG Axel

30. Apr 2017

Dank Axel, dir, für deinen Kommentar,
der einzige, der stundenlang im Wald herumirrt, ist wohl Micha (Michael Dahm) gar.
Hat stets ein Heft dabei, den Bleistift auch gezückt,
und blickt umher und sieht den Wald trotz lauter Bäume noch - und ist entzückt.

LG Annelie

30. Apr 2017

Hallo Annelie,
da gibt es auch einige andere Menschen, die den Wald lieben !
Ich zum Beispiel.
Zum Glück brauch`ich dazu nicht den Monat Mai.
Ich bin ein Ganzjahresspaziergänger !!!
Was der Wald uns sagt, muss
man nur verstehen und versuchen
in Worte zu fassen. Nicht leicht,
aber machbar.
Das Verslein, recht lang,
macht keinen bang,
so kann man getrost
es wagen, den Gang
um die Ecke !!!

LG Volker

P.S. Ach Axel, der Wald ist nicht zu kalt,
wir sind, glaube ich, zu alt !

30. Apr 2017

Ich mag den Wald sogar! Ganz gern -
Denn Bertha Krause bleibt ihm fern ...

LG Axel

30. Apr 2017

Bertha, drei Meter hoch und fürchtet sich im Walde vor dem Wildschwein ...?
Ja - wenn der Axel nicht dabei ist, hat sie Angst allein.

LG Annelie

30. Apr 2017

Nee! OHNE Fußball! Un keen BIER!
Der Holzkopp-Wald is nüscht fir mir!

jez. Bertha Krause!
(WaldWEG hat Pause!)

30. Apr 2017

Hallo, Volker,
ich liebe den Wald auch, aber den tiefen Wald besuche ich nurmehr in Begleitung. Der Wald ist das beste Erholungsgebiet, die schönste Natur - für Augen und Herz. Früher sind wir mit unserem(n) Kind (Kindern) oft im Wald spazierengegangen - mit Naturkundebuch, und haben Blätter und Baumfrüchte gesammelt, auch zum Basteln. Bei Lübeck gibt es auch sehr viel Wald. Meine Großeltern haben in Krummesse gelebt. In der Nähe liegt ein relativ großes Waldgebiet. Meine Sommerfreundin Christine und ich fuhren manchmal nach Klempau zum Einkaufen. Es wurde uns eingeschärft, niemals durch den Wald zu fahren. Einmal taten wir es trotzdem - und sind mit knapper Not einem Verfolger entkommen, der sich hinter einem Baum versteckt hatte.

LG Annelie

30. Apr 2017

Danke, lieber Alfred, für den poetischen Kommentar.
Ich merke schon, du hast den Wald sehr gerne,
weißt dir ein schönes Verslein drauf zu machen aus der Ferne.

LG Annelie

30. Apr 2017

Liebe Annelie,
ich muss lachen, weil es einfach klasse ist. Und ich möchte auch nicht über den Wald an sich und Hühneraugen im besonderen debattieren... :)
Du hast dein Ziel erreicht!
Humor großgeschrieben! Cool!

Liebe Grüße Lisi

30. Apr 2017

Danke, Lisi. Du hast das Gedicht verstanden und weißt, was ernst gemeint ist und was nicht. Das können viele nicht unterscheiden - mit Ausnahme der ganz sensiblen Literatpro-Leser.

LG Annelie