In der Kathedrale

Bild von Wera Goldman
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Ich bin geflüchtet!
Die fressende, hastende Welt hinterdrein,
bin ich geflohen,
hier herein.
Wo an der Wucht der hohen Gewölbe
das Draußen machtlos niederfällt.
Fast hätt´ es mich vernichtet,
Noch gellt in meinen Ohren
das jagende Schreien,
doch die wunden Füße
hält schon kühlender Stein.
Bin ich gerettet?
Bin ich gerichtet?
Tastende Wünsche,
flehende Hände –
wachsen die Pfeiler auf;
es steigt
zu Räumen,
unendlich verzweigt,
aus denen die Atmosphäre
wie dunkles Gold
auf mich niedersinkt,
Dort blinkt ein heller Strahl
und fängt meinen Blick
aus ungezählten kleinen Facetten,
gefügt aus zauberbunten Kassetten.
Ein Bild, ein Glasmosaik -
wartet dies ausgebreitete Schweigen
auf meiner Stimme erste Wege,
auf dass ich an die gespannten Saiten
der Stille meinen Bogen lege.
Madonna! Mildeste!
Decke den Schattenmantel deiner Gnade
über mein sonnverbranntes Leid.
Meine Stirne will zur Ruhe,
Mutter,
an deinem Kleid.
Kannst du denn in deinem Allverstehen
mein kleines Unbegreifen fassen,
in die Tiefe deiner Augen
diese meine Flucht einlassen?
Draußen Geschlecht auf Geschlecht wird gehetzt,
wütendem Morden so lang ausgesetzt.
Kinder sind wir,
hilflos zwischen Geburt und Tod.
Oh, lehre sie doch, welch ein Kleinod die Welt,
und jeder auf ihr ist schmückende Zier.
Zerstört euch nicht in Dünkeln der Gier.
Wann nimmst du den Menschen
auf deinen Arm, nimmst ihn dir zum Kinde,
dass er im Glanz deiner Krone
es endlich erhalte zum Lohne :
Das Menschsein!
Oh, Madonna! Du Linde!

Wohin hat sich mein Gebet verloren,
dass ich es nicht wiederfinde?

Ich wollte dir nur kleine Klagen weinen
von mir,
Madonna, mir, dem einen
und wie weh mir das grelle Licht draußen tut.
Hier ist es dunkel!
Bei dir ist es gut!