Der Reiseführer bläht sich auf im Wind, ich greife ihn fester, bevor er mir aus der Hand weht. Und lese weiter von den Mauren, die aus Gibraltar segelnd, dem Endpunkt der Sahara-Karawanen, an der Algarve landeten und 716 Lagos eroberten. Es folgten jahrhundertelange Kämpfe zwischen Mauren und Portugiesen. Die Stadt fiel zeitweilig an die Portugiesen zurück, wurde jedoch wieder von den Mauren besetzt. Es sollte noch fast 500 Jahre dauern, bis Dom Paio Peres Correia mit militärischer Unterstützung deutscher und englischer Ritterorden die Stadt 1241 endgültig zurückgewann.
Ich stelle mir diesen neuen damaligen Schiffstyp vor, die Karavelle, die ähnlich der arabischen Dhau hoch im Wind segelt und auch gegen die bestehende Windrichtung kreuzen konnte. Ein Hafen voller Illusionen, Sehnsüchte und Hoffnungen. Ich lausche dem Wind, sehe in Gedanken von Ceuta her andere Boote auf dem Meer, einfachere Boote, die tief und überfüllt im Meer wogen. Die Boote der heutigen Eroberer, der Afrikaner aus dem tiefen Innern des Kontinents, die nun zu ihren Träumen von einem besseren Leben aufbrechen und Kurs auf das spanische Festland nehmen. Unter ihnen meine Freunde aus Schwarzafrika. Ich denke an Doudou, der es bis in die Türkei schaffte, bevor er deportiert wurde. In Gambia traf ich ihn wieder, als er seinen Traum von einem Elektronik-Studium in England unter der schmutzigen Wäsche englischer Touristen in einer Hotelwäscherei begrub.
In meinen Gedanken verbinden sich Bilder, Erinnerungen mit Geschichten. Auf Schritt und Tritt gerate ich in Zusammenhänge, Beziehungen. Allein die Vorstellung genügt und ich überwinde Zeiten und Orte, befinde mich zwischen Portugal und Afrika, Schreibtisch und Atlantikstrand, Hotelwäscherei in Gambia und Sklavenhaus auf Goreé. Und wie mich diese Aufspaltung ahnend macht und ruhig, während ich im Reiseführer weiter lese.
1444 kamen die ersten Afrikaner aus dem Senegal und Guinea in Lagos an. Sie waren damals schon keine Weltreisenden und auch keine Touristen. Sie wurden verschleppt, als Sklaven verkauft. Vor dem ehemaligen Zollgebäude stehend, indem der Sklavenmarkt stattfand, ist mir, als öffne sich vor mir der Abgrund der Zeit. Ich stelle mir vor, wie sie über diesen Boden gingen. Wovon träumten sie? Im Inneren befindet sich eine Galerie mit wechselnden Kunstausstellungen. Was damals hier geschah, davon finde ich keine Spur.
Erst zwei Jahre später, ich bin wieder in Lagos, bemerke ich die Veränderung. Das Haus beherbergt nun eine Gedenkausstellung....
(Fortsetzung folgt
Kommentare
Spannend war auch Folge 3 -
Da bleibt Dein Leser gern dabei!
LG Axel
Obrigada!
LG Monika