Die Schizophrenie an sich

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von Alf Glocker

Das Unrecht, am Leben zu sein, breitet seine Flügel über den Morgen wie einen zartrosa Hauch am Horizont, der in den winterlichen Nebeltag mündet. „Zahle deinen Tribut oder deine Strafe“, ruft die Natur und ihr Ruf hallt im ganzen Universum wider, von einer relativen Ewigkeit zur nächsten. Und die Ereignishorizonte fiebrieren panisch, denn die Realität möchte unter allen Umständen aufrechterhalten bleiben!

„Warum ist Leben denn nicht straffrei?“, antwortet deine gejagte Seele, aber das Ich stellt sich trotzig in den Wind und verkündet: „Ich werde mich dann eben behaupten müssen!“ Und auf einmal fängt alles an uns zu gefallen ... Man erringt Preise, man befriedigt sich, und schon ist die Entschuldigung für alles gefunden: Wer sich befriedigen will, muss bestraft werden! Es gibt viele, die „anständig“ Kapital daraus schlagen, denn dem einfachen Menschen lässt sich alles plausibel machen.

Aufgrund seiner „gesunden Instinkte“ (mehr hat er ja nicht) merkt er von selber, daß er nicht einfach lieben, essen und trinken darf – ja nicht einmal atmen! Für alles muss er geradestehen. Die Arbeit ruft, Fabriken finden sich bereit, ihn aufzunehmen, die Felder schreien geradezu danach, bebaut zu werden und sogar die Armeen be-“nötigen“ bereitwillige Streiter, um das Recht und die Ordnung, die irgendwo für irgendwen verteidigt werden „muss“ aufrechtzuerhalten.

Der Mensch aber hat andauernd ein schlechtes Gewissen. Sollte er noch über keines verfügen, dann stehen unzählige Schaumschläger bereit, ihm eines einzureden – und über allem steht ein Gott, dem wir Ungeheuer ungeheuer viel schulden. Wir können von Glück reden, wenn er uns nicht gleich in Grund und Boden stampft, so verkommen wir sind, wenn wir Hunger haben, Essen haben möchten, oder wenn wir nach Liebe dürsten, damit noch mehr Schuldige den Erdkreis bevölkern.

Dann müssen wir dafür büßen, daß wir da sind und uns einreden lassen, daß dies nicht „einfach so“ zur Verfügung steht, dieses Dasein, wenn wir nichts dafür tun ... Wir müssen schon auch morden wollen, nicht nur bei der Armee, für den Terrorismus, im Schlachthof, beim Urwaldroden, beim Hoch- und Tiefbau, in der Sportmedizin, in der „höheren“ Diplomatie, überhaupt in der zweifelhaften Politik, deren Vertreter sich darüber ganz besonders im Klaren sein müssen: Wer nicht über Leichen geht, der landet selbst auf dem Friedhof der Kuscheltiere.

Also, strengt euch an, strengen wir uns an, wir dürfen nicht tatenlos zusehen, daß das Leben mit fortschreitender Zivilisation angenehmer und erträglicher wird. Jeder muss zur Rechenschaft gezogen werden! Es geht nicht an, daß da wer die Stirn runzelt, oder große Stauneaugen bekommt, wenn man ihm etwas von seltsam anmutenden Pflichten erzählt, die kein Mensch verstehen kann, der nicht vorher gründlich verprügelt, sprich „desillusioniert“ wurde. Es ist nicht mehr als recht und billig, sich in den Überlebenskampf einzufügen ... sehr billig sogar!

*

Wer stört sich selbst?

Links und rechts und links und rechts,
Aaaachtung, bleiben sie im Glied!
Wir sind, im Eifer des Gefechts,
Bestien – ohne Unterschied?

Nein, das sind wir freilich nicht!
Wer gewissenhaft empfinden kann,
der braucht keinen Unterricht,
er handelt nach dem eignen Plan!

Links und recht und links und rechts -
das ist Verrat an bösen Dingen,
die ohne Anseh'n des Geschlechts
die attraktivsten Reinerträge bringen ...

Achtet bloß nicht auf die Schäden.
Handelt nur, wie man euch sagt -
um das wunderschön zu reden,
was euch nur traktiert und plagt!

Links und rechts und links und rechts,
geht im Takt der Weltverschwörung,
denn die Pflichten eines Knechts
dienen stets der Selbstzerstörung!

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