Leben in Zeiten der Massenpsychose - Page 19

Bild von sheogorath
Bibliothek

Seiten

Zweifel zuließ, drohte sich gegen die tonangebende
Gruppe der Unterstützer zu stellen. Es hätte bedeutet keinen oder nur geringen
Sinn in den Maßnahmen sehen zu können und einen ungerechtfertigten Zwang zu
empfinden. Und all das hätte dann folgerichtig darin enden müssen, dass man
persönlich aktiv werden musste. Man hätte für seine Rechte einstehen und gegen
die Erzählung arbeiten müssen. Kaum jemand schien sich dafür begeistern zu
können. Bei den leisen Zweiflern hörte ich im nun fortgeschrittenen Stadium
öfter: Lange werden die Leute sich das nicht mehr gefallen lassen. Ja welche
Leute mochten das nur sein? Diejenigen die das sagten, waren es jedenfalls
nicht. Wer würde hier nun zur Rettung kommen?

Technik gegen Krankheit

Gerade für die Bildungsschicht und technisch ausgebildete Menschen schien die
aktuelle Berichterstattung wie geschaffen. Man konnte diese aussagelosen aber
professionell aufbereiteten Zahlen in sich einsaugen und wieder aufsagen und
gab sich den Anschein alles zu verstehen und voll dabei zu sein. Anstatt über
das Wetter sprach man nun über die neuesten Zahlen. Wenn man sich freiwillig
zu Hause einsperrte, spielte das Wetter ohnehin keine Rolle mehr. Und
tatsächlich hörte ich von einigen Leuten, sowohl in der Familie als auch in
der Firma, die sich, dem Heiland gleich, selbst kasteiten und sich einer
weitgehenden Quarantäne unterzogen und nicht einmal mehr spazieren gingen. Ich
übe selbst einen technischen Beruf aus. Doch irgendetwas war in mir, oder
irgendetwas fehlte in mir, im Vergleich zu den anderen. Ich konnte nur
Entsetzen über die Vorgänge um mich herum empfinden und alles in mir sträubte
sich.

Auch meine eigene Firma zählte ähnlich wie die Massenmedien jeden
(Verdachts-)Fall unter dem Personal, der auch nur im entferntesten mit C in
Verbindung stehen konnte. Es war schon mehr oder weniger üblich geworden,
dass Kollegen, die sich krank meldeten, eine mehr oder weniger humorvolle
Bemerkung einbauten, dass sie nicht *den* Virus hätten, sondern einfach nur
krank seien. Da es außer C mittlerweile keine gefährlichen Krankheiten für
Menschen mehr zu geben schien, war das für alle beruhigend. Einzelne Kollegen
beteiligten sich sogar mit vollem Einsatz bei der Aufdeckung ihres eigenen
C-Status. Da wurde eine Art öffentliches Abschwören vom Virus praktiziert,
indem sich diese Kollegen beim geringsten Anlass zum Papaya-Test aufmachten
und das Ergebnis hochfeierlich über die Firmenkommunikationkanäle zum Besten
gaben. Mancher wünschte sich gar schon infiziert worden zu sein, um damit
endlich als „ungefährlich“ gelten zu können. Ein Effekt, der wohl auch schon
bei Gelbfieber-Ausbrüchen in den Vereinigten Staaten vor über hundert Jahren
zu beobachten gewesen war. Dort wurden Arbeiter nicht mehr eingelassen, wenn
sie nicht schon das Gelbfieber durchgemacht hatten, was die wenig
überraschende Folge hatte, dass die Arbeiterklasse sich absichtlich
infizierte, um entweder zu sterben, oder wieder arbeiten gehen zu können.

Die Realität überholte die Satire derzeit regelrecht. Gerade wollte ich meinen
Kollegen noch ironisch vorschlagen, doch unser Ingenieurswissen einzusetzen,
um dem Staat zu helfen, die Artigkeit der Bevölkerung besser massenhaft zu
kontrollieren. Schließlich wussten wir doch, wie man so etwas richtig machte.
Doch die Regierung war schon früher aufgestanden: Von der Telekom erhielt sie
neuerdings auf unbürokratischem Wege Bewegungsdaten ihrer Mobilfunkkunden, um
einschätzen zu helfen, wie sehr unnötige Bewegungen im Volk tatsächlich
abgenommen hatten. Auch eine Pandemie-Anwendung für Mobiltelefone wurde
entwickelt, die zunächst auf freiwilliger Basis von den Bürgern eingesetzt
werden sollte, um sich vom Staat prüfen und überwachen zu lassen.

Die gesellschaftliche Pandemieübung wurde ursprünglich damit begründet, dass
die Krankheit sich andernfalls schnell ausbreiten und das Gesundheitssystem
und insbesondere die Intensivstationen völlig überlastet sein würden. Von den
Kapazitäten und Belegungszahlen der Krankenhäuser der Nation war jedoch
überhaupt nichts zu hören. Nur in beiläufigen Artikeln in den Gazetten konnte
man etwa aus der Schweiz hören, dass dort nun in weiten Teilen der
Krankenhausindustrie Kurzarbeit anstünde. Nicht zwingend notwendige
Operationen waren nicht mehr erlaubt, denn alles musste vorbereitet sein auf
die große Erkrankungswelle, die kurz bevorstand. Die Krankenhäuser waren
jedoch größtenteils gähnend leer. Ich hörte, dass in Deutschland kurzfristig
zusätzliche Bettkapazitäten geschaffen werden sollten, um auf den Ansturm
vorbereitet zu sein. Doch auch hier waren nun nach mittlerweile vier Wochen
„Maßnahmen“ keine Anstürme zu hören oder zu sehen. Immer noch mussten
Symbolbilder oder ausländische Bilder bemüht werden, um die Katastrophe
sichtbar zu machen.

Als Techniker stellte ich mir folgende Optimierungsfrage. Wenn der Grund
dieses ganzen Theaters die Sorge vor Überlastung von Krankenhäusern war, so
müsste es im Interesse des Landes sein, die vorhandenen Kapazitäten optimal
auszunutzen. Also sozusagen die Seuche mit maximal möglicher Geschwindigkeit
ablaufen zu lassen, ohne dass eine Überlastung eintritt. Nur so hätte man den
Zeitraum, den die schmerzlichen Maßnahmen noch dauerten, so klein wie möglich
halten können. Zur Sicherheit hätte man einen Puffer von vielleicht 20 Prozent
der Kapazitäten bewahren können, um zu verhindern, dass die Lage außer
Kontrolle geriet und Menschen nicht mehr behandelt werden konnten. Doch davon
war nichts in Sicht. Die Krankenhäuser sollten scheinbar zu Geisterhallen
werden und die Kapazitäten ungenutzt bleiben. Die „Maßnahmen“ waren durch die
Propaganda von einer Belastung zu einer Art Wert an sich geworden, so dass es
keinen Grund mehr gab, sie zu beseitigen.

An dieser Stelle höre ich schon einen Systemunterstützer plärren, dass ich
nicht verstünde, was es mit „exponentiellem Wachstum“ auf sich hat. Das war
ein weiterer plattgetretener Begriff dieser Virus-Erzählung. Unsere
technisch-wissenschaftliche Elite hatte dem Virus einfach eine perfekte
mathematische exponentielle Ausbreitungskurve zugrunde gelegt. Und mit dieser
Art Wachstum war der menschliche Geist überfordert! Es fing alles klein an und
plötzlich, bevor man es überhaupt merkte, explodierte das Wachstum und alles
flog einem um die Ohren. Deshalb hatte der Bürger nichts mehr zu sagen,
sondern nur die Experten, die überhaupt nur wussten, was exponentielles
Wachstum überhaupt war.

Dabei müsste eigentlich jeder Teilnehmer am kapitalistischen Wirtschaftssystem
schon lange wissen, was exponentielles Wachstum ist. Die Zinsen auf Kapitel
steigen exponentiell. Das Wirtschaftswachstum sollte immer exponentiell sein.
Folglich auch die Resourcen exponentiell wachsend zur Verfügung stehen. Doch
auch da ging es nicht wirklich exponentiell vor sich. Es war zwar ein riesiger
Druck im System, aber in Wirklichkeit verhinderten die Grobheiten der
Realität, dass es wirklich exponentiell ablief. Andernfalls wäre uns der
Wirtschaftsladen vielleicht schon viel öfter und massiver um die Ohren
geflogen, als er es ohnehin schon tat.

Und ganz ähnlich schien es sich auch im Reich der Viren zu verhalten. Einer
der vielen Expertenbeiträge zum neuen Trendthema „Viren und Pandemien“ klärte
mich darüber auf, dass die Grippewelle jedes Jahr typischerweise nur während
einer Phase von rund vier Wochen tatsächlich exponentiell wächst. Dann gerät
das Virus an seine Grenzen und die Ausbreitung bricht in sich zusammen. Doch
all das war irrelevant. Bei leeren Krankenhäusern durfte man nicht einmal ein
Viertel der Betten sich füllen lassen - sofern sie sich überhaupt füllen
würden! Denn sonst würde ja sofort der exponentielle Faktor ausbrechen und

Seiten