Schwarzer Valentinstag – Teil 34

Bild von Angélique Duvier
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Fünf Jahre waren inzwischen vergangen, langsam wurde die Wohnung für die sechsköpfige Familie zu eng. Die drei älteren Kinder mussten sich ein Zimmer teilen, die kleine Johanna schlief noch immer im Schlafzimmer ihrer Eltern.
„So kann es nicht weitergehen, Johann“, klagte Ella.
„Ich sehe es ja selbst“, meinte dieser, „aber eine große Wohnung ist teuer
und besonders viel bringt meine Arbeit nicht ein.“
„Johanna ist noch zu klein, ansonsten würde ich mitarbeiten“, meinte Ella nachdenklich.
„Nein, das kommt vorläufig sicher nicht in Frage“, antwortete Johann, „ich werde mich mal umhören, wer weiß, vielleicht finde ich ja etwas Passendes für uns."
Wenige Tage später kam mein Großvater strahlend nach Hause:
„Ella, Liebling, ich glaube, ich habe etwas Passendes für uns gefunden“, begann er, „mein Kumpel Simon kaufte damals das Land in Quickborn-Heide, auf dem die Sprengstofffabriken Thorn und Glückauf AG standen.“

„Was, die Fabrik, die damals explodiert ist, wo über hundert Frauen ums Leben gekommen sind?", fragte Ella entsetzt.

„Ja, von dem Land rede ich, im Februar 1917 passierte dieses schreckliche Unglück, ich kann mich noch gut daran erinnern, einhundertfünfzehn junge Arbeiterinnen sollen damals dort umgekommen sein. Die Detonationswelle ist bis Hamburg-Altona zu spüren gewesen", sagte Johann stirnrunzelnd. „Einfach schrecklich, was damals passiert ist."

Simon kaufte das Land mit Gebäuderesten, einige sollen sogar relativ unbeschädigt sein, von anderen stehen nur noch die Grundmauern, auch soll es auf dem Gelände Bunker geben. Da niemand das Land wollte, bekam er alles sehr günstig. Er hat es allerdings nie genutzt, jetzt hat er vor, seine Zelte in Deutschland abzubrechen, er will mit seiner Familie nach Israel auswandern, dazu braucht er Geld, deswegen bot er mir das Gelände extrem günstig an."
„Kein Wunder", meinte Ella, „wer will da schon wohnen, wo so viel Blut vergossen wurde, glaubst du, es ist der geeignete Ort für unsere Kinder?“
„Du hast ja recht“, meinte Johann, „andererseits wurde durch den Krieg im ganzen Land Blut vergossen, wenn es danach geht, kann man nirgendwo mehr hinziehen.

Wir brauchen viel Platz und Simon braucht Geld, er befürchtet, dass es zu einem zweiten Weltkrieg kommen könnte, er traut dem Hitler ebenso wenig wie ich. Ich könnte uns vielleicht eines der Häuser herrichten, dazu hätten wir einen Garten für die Kinder, außerdem könnten wir Hühner und andere Tiere halten, Gemüse und Obst anpflanzen.
Simon meinte, ich müsste mich allerdings dazu verpflichten, das Gelände vom Schutt zu befreien, er selbst hätte es bisher nicht gemacht, obwohl ihn die Stadt schon mehrfach dazu aufgefordert hatte.
Wir müssen uns schnell entscheiden Ella, er will schon in zwei Monaten aus Deutschland weg.“

„Wie hoch ist denn der Kaufpreis?“, fragte Ella.
„Achttausend Reichsmark, es ist wirklich geschenkt, Liebes!“ gab Johann zu bedenken.
„Ja, schon, aber wie bekommen wir es bis Juli zusammen, so viel haben wir nicht liegen.“
„Fünftausenddreihundertzwanzig haben wir, ich frage meinen Chef, ob er mir etwas vorschießen kann!“, überlegte Johann, „auch werde ich versuchen, mehr Schichten zu arbeiten."
„Dann lass es uns versuchen“, seufzte Ella.

Teil 35 folgt

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Kommentare

11. Apr 2018

Schön, dass es jetzt weitergeht. Hab ich sehr gerne gelesen.

Liebe Grüße,
Annelie

11. Apr 2018

Dein Blick in die Vergangenheit
Wirkt immer menschlich - tief und weit!

LG Axel

11. Apr 2018

Sehr gerne gelesen, danke!

Liebe Grüße,
Monika