Eine Betrachtung zur Existenzphilosophie

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Da es nun gilt, ein übergreifendes, die Epochen allumfassendes Geschehen im philosophischen Rahmen zu erklären, will ich mit einer der ersten Gegenideen, der Existenzphilosophie, zu Descartes' logischem Entwurf der Dualität der Gottheiten beginnen. Dies bedeutet, dass der aufmerksame philosophische Leser zuerst mit mir in die Welt der Pensees Pascals einsteigt, dem wohl größten religionsphilosophischen Genie Frankreichs.
Anschließend gilt es, die Denkmodelle der beiden Hauptideologen der existenzphilosophischen Strömung (Kierkegaard, Nietzsche) zu betrachten und dadurch die Welt der Existenzbetrachtung des 20. Jahrhunderts zu verstehen.
Auch will ich die Literatur, die die Strömung hervorbrachte, zusätzlich in dies Kapitel mit einbringen, da sie ein äußerst irrationales Denkschema aufweist. (Man siehe den „Mythos von Sisyphos“)
Zunächst, bevor diese gesteckten Ziele erreicht werden, will ich kurz den Begriff sowie die Themenwahl der Existenzphilosophie erklären und somit eine Basis zum Verstehen des romantischen Gedankengebäudes bilden, von der aus die einzelnen Schritte, die die Entwicklungen mit sich brachten, erkennbar werden.
Der Begriff selbst wurde von dem Philosophen und Historiker Heinemann 1929 in dessen Buch „Neue Wege der Philosophie. Geist, Leben, Existenz“ eingeführt und gilt als Prädikat für die Art von Philosophie, die sich mit Fragen menschlicher Problematik und Existenz auseindersetzt.
Im Gegensatz zur Existenzphilosophie bezeichnet man die Art der französischen Philosophie Sartres als existenzialistisch.
Da es zu viele Anschauungen und Gedankenassoziationen zu dieser Philosophie gibt, ist es kaum möglich, eine genaue Beschreibung oder Definition zu finden, die den Begriff umfassend erklärt.
Dafür gibt es aber unter den Vertretern der Existenzphilosophie oder des Existenzialismus eine gemeinsame Themenwahl, die die Seinswelt des Menschen behandelt.
Sören Kierkegaard ging in seinen Betrachtungen so weit, dass er glaubte, das höchste Gut des Individuums sei die Erkenntnis der eigenen und alleinigen Bestimmung.
Die nachfolgenden Existenzphilosophen unterstrichen Kierkegaards Theorie und glaubten ebenfalls, dass der Weg des Einzelnen eigens gewählt werden müsse und dabei keine Rücksichtnahme auf das Verhalten genommen werde dürfe.
Im Gegensatz zur alten Ansicht, dass die ethische Wahl eine Wahl zwischen „Gut und Böse“ sei, gibt es in der Existenzphilosophie keinen rationalen Grund für eine moralische Entscheidung.
Kierkegaard aber glaubte zudem, dass die Wahl zwischen Glauben und Gott durch diese zum Ethisch-Moralischen zurückführend sein sollte.
Ähnlich wie im Expressionismus ging es den Philosophen um die Subjektivität des menschlichen Daseins, das sich durch den Einzelnen und dessen Grundbefinden, durch die Erfahrung existentieller Ängste, zu definieren scheint.
Nietzsche erweiterte die Idee der Existenzphilosophie, indem er durch die „Umwertung der Werte“ den Einzelmenschen dazu bringen wollte, eine eigene Entscheidung des Sittlichen heraufzubeschwören.

Andere Existenzphilosophen nahmen sich der Idee Kierkegaards an, dass die Entscheidung des Individuellen im Bezug auf Moral und Wahrheit von existentieller Gewichtung sei. Hierbei bestanden sie auf der „persönlichen Erfahrung“ und der Handlung des Menschen nach „eigener Überzeugung“, die für die Erkenntnis der Wahrheit von größter Bedeutung sind. Dadurch, daß die Philosophen der Existenz des Menschen als Tuendem und Handelndem einen übergroßen Wert beimaßen, fingen sie an, alte Denkmodelle (rationale und theoretische) in Frage zu stellen.
Die Darstellungsform der Texte, die von der des nunmehr abstrakten Denkens dargelegt wurden, blieben somit nicht im theoretischen Rahmen. Man bediente sich „offener“ literarischer Formen, beispielsweise des Aphorismus, des Fragments, des Dialogs oder der Parabel.
Trotz der abwertenden Haltung gegenüber rationalen Denksystemen, kann man nicht von einer absolut irrationalen Denkweise sprechen, da der Existenzphilosoph mittels der Vernunft Themen des subjektiven Menschseins hinterfragt und beantwortet.

Eines der bedeutendsten Themen dieser philosophischen Richtung ist das der „Wahl“.
Im allgemeinen wird die Freiheit der Wahl als die beste Eigenschaft menschlichen Daseins gewertet.
Die Natur des Menschen steht im Gegensatz zu Tier und Pflanze, da sich diese selbst, durch Entscheidungen, beeinflussen läßt.
Sartre, der französische Existentialist, beurteilte diesen Sachverhalt durch die Existenz, die er als vorläufiges Modell der Essenz (Natur) darstellte.
Die Prinzipien der Wahl sind für die menschliche Existenz von größter Bedeutung, da auch eine Verneinung oder eine Weigerung eine Wahl darstellen. Wahl im großen Sinne bedeutet aber auch Verantwortung, zum Beispiel das Erwählte auszuführen.

Kierkegaard legte in seinem Werke „Der Begriff der Angst“ ein menschliches Bekenntnis ab, das beinhaltet, dass der Mensch nicht nur gewöhnliche Ängste kennt, sondern dass eine Grundfurcht vorherrscht, die er „Angst“ nannte.
Diese Angst kann auch als „Weltangst“ gedeutet werden, die den Menschen dazu bringt, Furcht zu empfinden, aber diese Furcht nicht zu erkennen.
Er steigerte den Begriff aus Adams Vergehen, der „Erbsünde“, die seit der Verstoßung aus dem Paradies auf uns Menschen lastet.
Auch für Heidegger besteht eine Kohärenz zwischen Angst und Unkenntnis, die eine Art Unmöglichkeit darstellt; die letzte Rechtfertigung für die anstehende Wahl.
Sartre bezeichnet in seiner Philosophie Angst als das Erkennen der vollkommenen Freiheit der Wahl; Ekel bedeutet für ihn das Erkennen der Zufälligkeiten des Universums, des Kosmos.

Zur angesprochenen geschichtlichen Entwicklung von Pascal zu Heidegger und Sartre:
Blaise Pascal war wohl der erste Philosoph, der sich mit dem Denken des Existenzbegriffes auseinandersetzte. Durch seine Grundideen gab er die Richtung vor und prägte die einzelnen Gedankenbilder und Entwicklungen. Pascal konkurrierte mit seinen Ideen der Pensees mit denen der Philosophie des Rationalismus Descartes' und behauptete in diesem Werk, dass eine logische und theoretische Art von Philosophie eine Art Hochmut sei. Er meinte damit, dass man nicht Gott und die Welt auf Papier erklären könne.
In skeptischen und religionsphilosophischen Zügen erklärte Pascal, dass das Leben durch Paradoxa bestimmt sei, und teilte damit die Meinung Kierkegaards, seines Nachfolgers. Im Gegensatz dazu wandte sich Kierkegaard gegen das dialektische Bild Hegels im Sinne des absoluten Idealismus, da Hegel meinte, ein Gesamtverständnis im rational-synthetischen Sinne von Mensch und Historie aufgedeckt zu haben. Für Kierkegaard erschien die Situation des Menschseins absurd (paradox) und nicht mit rationalen Mitteln erklärbar. Die Antwort, die er zu diesem Bild Hegels fand, war, dass das Individuum sich dem Leben völlig verpflichten müsse, diese Verpflichtung solle nur vom Menschen selbst nachvollziehbar sein. Deswegen sollte der Mensch, das Individuum, immer dazu bereit sein, sich gegen Normen der Gesellschaft zu stellen und den eigenen Lebensweg als persönlich vertretbar auszulegen. Letztlich bejahte Kierkegaard durch eine ästhetische Weltsicht den religiösen Übergang in christliches Dasein, da dieses die einzige Möglichkeit darstellte, den Menschen vor der Verzweiflung zu retten.
Nietzsche wußte von diesen Überlagerungen Kierkegaards nichts, jedoch beeinflußte er die kommenden Existenzphilosophen durch seine Kritik an den metaphysischen und moralischen Traditionen. Er benutzte den Nihilismus als Übergang von falschen Werten zu neuen, individuellen und belebte einen lebensbejahenden Willen: den Willen zur Macht. Dieser fand in dem schon mehrfach erwähnten Werk „Also sprach Zarathustra“ seinen Höhepunkt, da er hier eine Lehre eines höheren Menschen, eines „Übermenschen“ propagierte.
Der Grundgegensatz zwischen Kierkegaard und Nietzsche war dergestalt, daß Kierkegaard als Verfechter religiöser Tradition bekannt war, hingegen Nietzsche Gott für tot erklärte. Außerdem lehnte Nietzsche das gesamte christlich-jüdische System als „Sklavenmoral“ ab.
Auch Heidegger widersetzte sich, ähnlich der drei angesprochenen Vorgänger, der rationalen Denkstruktur.
Es mißfiel ihm, Philosophie auf rationalen Ebenen zu bauen, wie dies in Husserls „Phänomenologie“ der Fall war.
Laut Heidegger lebt der Mensch in einer unerklärbaren, mißverständlichen, gleichgültigen, entgegenstehenden Welt.
Das Einzelindividuum wird niemals sein Hiersein erfassen. Dafür muß der Mensch sein Ziel suchen und es verfolgen, auch wenn er weiß, dass sein Leben nicht ewig währt und obendrein sinnlos im Universum zu sein scheint.
Sartre, der den Begriff des Existentialismus prägte, da er ihn in seiner Philosophie einarbeitete, war atheistisch und nihilistisch veranlagt. Der Existentialist behauptete, dass der Mensch eine rationale Basis für sein Leben brauche, sie aber nicht erringen könne, was wiederum sein Leben aussichtslos mache. Dieses Faktum erklärte Sartre mit dem Begriff „aussichtslose Leidenschaft“.
Auch behauptete er, dass seine Ideenwelt eine Art humanistischer Züge trage und betonte somit die Freiheit des Einzelnen, also die Wahl und die Verantwortung, die frei zu gestalten seien. Zudem versuchte Sartre eine Kopplung seiner Theorien mit denen des marxistischen, idealen Weltbildes.
In der existentialistischen Literatur findet man viele Namen, die schon in diesem Buche gefallen sind, Dostojewski, Camus, Kafka, sie alle sind von Nietzsche und den anderen Existenzphilosophen nachhaltig beeinflußt worden.
In der „Verwandlung“ Kafkas oder dem „Schloß“ wird eindeutig ein Bezug zu Angst, Schuld und Einsamkeit deutlich, der durch die Verarbeitung der genannten Philosophen sowie durch die Erziehung seines Vaters ersichtlich wird.
Auch im erwähnten Mythos von „Sisyphos“ zeigt Camus die Sinnlosigkeit des Selbstmordes auf und erklärt diesen, durch den Sklaven der griechischen Mythologie, für absolut unnötig.
Die Existenzphilosophie, wie ich sie schilderte, ist eine Art höchsten romantischen Erfassens, da rationale Grundlagen für nicht alleine tragfähig erklärt wurden.

Uwe Kraus Kaiserslautern, den 23.04.2001

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