Die zwei Sklaven

Bild von Alf Glocker
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Mein Sklave ist reichlich „speziell“. Er ist mir ein ewiges Rätsel. Ich befasse mich nicht so gerne mit ihm. Er gehorcht einfach nicht! Zugegeben, seine Möglichkeiten sind natürlich begrenzt, seine Talente reichen nicht aus um mir zu genügen. Aber muss ich mich damit abfinden?? Er kann nicht wirklich absolut zeitnah logisch denken, er kann sich in kritischen, oder auch in Situationen, die einen gewissen Unterhaltungswert haben, einfach nicht behaupten. Immer wieder flippt er aus, benimmt sich total daneben, oder gibt schlichtweg falsche Auskünfte.

Er redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie das ankommt. Er meint, er könne nicht anders, er sei halt so veranlagt. Aber ganz ehrlich gesagt: Was soll ich damit anfangen? Ich brauche jemanden, auf den ich mich verlassen kann – immer! Und unter allen Umständen! Ich kann keine Rücksicht darauf nehmen, daß er nicht darauf gedrillt ist, oder meistens nicht schlagfertig genug reagieren kann, wenn es von ihm verlangt wird. Schämen muss ich mich für ihn! Sein Herr ist nicht Herr der Lage …

Dabei kann mein Sklave im stillen Kämmerlein – wenn er nicht grade ans andere Geschlecht denkt – so intelligent und kreativ sein … Wenn das doch immer so wäre. Nichts als Sorgen hat man mit ihm. Aber es geht auch anders. Manchmal vermag er es, ganze Gesellschaften zum Lachen bringen. Er kann durchaus charmant und einnehmend sein, er versteht es – ein wenig eingebildet – über Dinge zu dozieren, die Menschen zum Staunen bringen. Aber das bringt MICH einfach nicht weiter! Es ist zum Auswachsen und ich habe keine Ahnung, wie ich das ändern könnte.

Täglich gehe ich streng mit ihm ins Gericht, ich bestrafe ihn in Gedanken verbal sehr hart, so daß er manchmal vor Schmerzen zusammenzuckt. Bildhaft führe ich ihm seine Schwächen vor Augen, konfrontiere ihn mit seinen Fehlern und werfe ihm vor, wo, wann und warum er sich da eben saublöde verhalten hat. Aber es nützt alles nichts. Kaum kommt wieder eine Gelegenheit, wo er sich endlich mal effizient benehmen = sich bewähren und beweisen soll, da versagt er erneut! Es ist ein nicht enden wollendes Desaster und irgendwie glaube ich nicht mehr an ihn, also an uns.

Entweder er ist unfähig zu lernen oder er hat‘s einfach nicht drauf, etwas langfristig Sinnvolles zuwege zu bringen. Ich kann tun was ich will … Täglich mache ich stundenlang mit ihm Hausaufgaben. Zusammen gehen wir den Stoff, Fakt für Fakt, durch, ermitteln, was tatsächlich falsch gelaufen ist, rechnen unsere Chancen noch einmal aus und vergleichen sie mit den Ergebnissen … Dann versteht er sogar was ich meine, er krümmt sich unter der Anstrengung zu begreifen und unter meinen Vorhaltungen, sieht ein, wie blamabel so manches für uns war, doch dann sagt er mir mitten ins Gesicht: „Ich konnte es einfach nicht besser."

Punkt! Aus! Was hat er sich dabei gedacht? Nein, ich weiß ja, was er sich dabei gedacht hat, schließlich habe ich sein Verhalten akribisch studiert. Bei meinen schier endlosen Analysen bin ich darauf gestoßen, daß er sich eben einfach gehen lässt! Er konstruiert nicht – er lebt aus dem Bauch heraus! Der Depp! Und dann ereignen sich die Fehlschläge wie von selbst. Seine Empfindungen sind sein Lebensmotor und er unterwirft sich ihnen auch noch. Er nennt das „Organisches Prinzip“. Er meint, das rette ihn, wenn der Verstand – von dem er ja viel zu wenig hat – leider nicht mehr weiterweiß. Dann steht er da, meint er, und improvisiert locker, frei von der Leber weg, mit leichtem Herzen … was er hinterher dann aber wieder schwer bereut.

Und ich, seine Seele, muss es ausbaden! Ich trage den ganzen Schmonsens nicht nur mit, ich verantworte ihn letztendlich!! Mein Sklave, der Mensch, der mir Aussehen und Ansehen (soweit überhaupt vorhanden) verleiht, macht mich zu seinem Sklaven. Ist das nicht eine verrückte Welt?! Jetzt trägt er mich schon so lange mit sich herum – ich bin schon so lange an ihn gefesselt, daß wir uns ausgezeichnet kennen müssten, möchte man meinen. Doch das entspricht absolut nicht den Tatsachen: Er überrascht mich immer noch täglich!

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Kommentare

23. Dez 2018

Als leichte Seele hat man's schwer!
(Erschwert das Seelen-Leben - sehr ...)

LG Axel