Nichts geht mehr!

Bild von Alf Glocker
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Na endlich – das ist der Schlusspunkt! Der kurios aussehende Dirigent hebt noch einmal den Taktstock zum großen Finale, dann fällt der Vorhang. So soll es sein. Die Vorstellung war wunderbar verrückt, das Stück war eine rabenschwarze Komödie, bei der einem das Lachen im Halse stecken bleiben konnte und das Publikum war göttlich – es hat zu allem applaudiert, was auch geboten wurde.

Wir hatten alles Erdenkliche, einigen wenigen von uns ging es richtig gut! Der Rest durfte hoffen und/oder sich benehmen, als hätte er knisterndes Stroh im Kopf. Das reichte aus, die Bretter vor dem Kopf, die die Welt bedeuten, erstrebenswert erscheinen zu lassen. Was brauchen wir jetzt noch? Den richtigen Abgang! Und wo bekommen wir den her?

Beziehen wir ihn aus dem Chaos degenerierter Menschenmassen? Erleben wir durch die Gentechnik eine Renaissance der Vernunft? Machen wir alle zusammen einen ultimativen Krieg um Wasser, oder kämpft jeder einzelne um einen Stehplatz auf der verwüsteten Erde? Wir haben „die Qual der Wahl“, aber aussuchen können wir es uns nicht wirklich.

Die Umstände, die zu unserer Auslöschung, bzw. zu unserer völligen Entfremdung von der Natur führen, reihen quasi von selbst auf die Perlenkette zukünftiger Brachialirrtümer, so, daß wir uns den „Schuh“ nur noch anziehen brauchen, damit wir weiterkommen. Wohin ist egal! Der Wert des Menschen steigt durch die Vereinheitlichung seiner Eigenschaften ins Bodenlose ... oder hätte man hier besser „sinkt“ sagen sollen?

Alles ist einerlei! Der große Croupier hat jedenfalls längst das Schlusswort „rien ne va plus“ gesprochen. Er selbst hat auf Schwarz gesetzt, während wir ausnahmslos auf Zero vertraut haben – dort stapeln sich unsere Einsätze bis in den siebenten Himmel hinauf. Doch ein einziger Faustschlag wird den Turm aus Jetons zum Einsturz bringen! Dann sind wir fassungslos! Und das, obwohl wir eigentlich immer gewusst haben, was passiert.

Wer jedoch zu früh lacht gilt als Umstürzler, obwohl diejenigen für das Umstürzen verantwortlich zeichnen, die sich hinter einer heiligen Einfalt verschanzt haben, die ihresgleichen sucht. Alle hielten das Theater offenbar für ein Kinderspiel – für ein Spiel, in dem möglichst mörderische Kinder möglichst mörderische Erfolge verzeichnen konnten.

Doch jetzt, nachdem die Würfel gefallen sind, werden die Taschentücher gezückt und die Operngläser verstaut – was auf uns zukommt, ist mit bloßem Auge erkennbar: Wir können unseren „Gewinn“ an der Kasse abholen. Es handelt sich dabei um Freifahrtscheine nach Tuntenhausen, nach Gottseibeiuns, oder einfach um ein Zyankali-Bonbon aus der Wundertüte des Grauens. Der Prophet Pflaumenaugust lässt grüßen.

Gehen wir also, zum Abschied winkend, nachhause. Die umjubelten Akteure haben sich bereits verbeugungslos verabschiedet – eine Zugabe wird es nicht mehr geben, auch wenn wir noch so laut applaudieren. Das Kasino schließt. Bald wird es verhüllt sein von einer gigantischen Rauchsäule, deren Gestank auch noch aus den Eingeweiden des letzten gefällten Urwaldbaumes, bis in die Wiege des letzten gesunden Menschenkindes dringt ... nichts geht mehr!

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Kommentare

30. Jan 2017

Auch das Bild und der Essay
Kriegen Applaus. Beides okay!

LG Axel