Miss Mutig und das anheimelnde Zehenknacksen

Bild von Alf Glocker
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Daß „man's“ nicht leicht hat ist allgemein bekannt. Frau aber hat‘s noch viel schwerer! Vor allem wenn ihr das einerseits voll bewusst und sie andererseits geschlagen ist mit allerlei körperlichen Einschränkungen.

Miss Mutig weiß das am besten von allen! Denn ihre zahlreichen Operationen, die nötigen und die unnötigen, haben einige Spuren auf ihrer gepeinigten Seele hinterlassen.

Nicht nur der Umstand, daß sie sich ausgerechnet Sohwass von Schlapp, den Grafen Stein ausgesucht hat um mit ihm zusammen zu leben macht ihr zu schaffen, sondern auch die angeborene Fehlstellung der Kniegelenke, wie auch die schon frühzeitig verrotteten Hüften. Alles musste nacheinander gerichtet werden. Dazu kam unter anderem noch die Zerschmetterung des Schienbeins bei einem Fahrradunfall, den sie absichtlich, aus purer Verzweiflung ein wenig verschärft hatte. Aber das bedarf einer anderen Geschichte.

Und weil das nicht reicht, ist sie auch bisweilen noch zusätzlich schwermütig – was allerdings, angesichts ihrer zahlreichen Leiden kein Wunder ist. Da darf man schon morgens bereits zähnefletschend aufstehen und so gut wie nicht ansprechbar sein. Schließlich muss man sich erst mal langsam sortieren, bevor man sich die Mühe freundlicher Gesten machen kann.

Mit herunterhängenden Mundwinkeln geht es ans Werk! Ein bisschen Rumpeln in der Küche muss zwischendurch sein. Vielleicht wacht frau ja auch erst so richtig auf, wenn zufällig ein Tellerchen, oder ein Tässchen zu Bruch geht?! „Liebe“ schreit ihr verlassener Geist, doch was schlägt ihm entgegen? Nur der Angstschweiß!

Stein, der unglaubliche Feigling versteckt sich in der Regel hinter seinen Befürchtungen, was heute auf dem Programm stehen könnte. Dabei ist doch gar nichts! Mit ein bisschen Demut und Zuwendungen – sie dürfen allerdings nicht übertrieben sein (die Grenzen sind fließend) – würde doch alles klappen.

Nein! Seine besorgten Blicke verärgern sie nur, sie, die strenge, pflichtbewusste, in ihrem Dulden erhabene Frau, die nichts anderes im Sinn hat, als diesen Tag unbeschadet zu überstehen – unbeschadet von den Zumutungen vielerlei Art.

Während also Miss Mutig ihre verqueren Knochen sortiert, versucht Stein das Frühstück zu arrangieren. Wie gewöhnlich gelingt ihm das nicht! Die Teller stehen falsch, die Bestecke liegen nicht ordentlich, die Speisen sind nicht schön drapiert. Alles muss umsortiert werden… das verbessert die Stimmung keinesfalls.

Später beim Einräumen der Spülmaschine ist natürlich wieder alles verkehrt! Stein hat‘s einfach nicht drauf! Sogar hier fehlt ihm jegliches Feingefühl. Aber Ordnung muss eben sein und so bleibt es wieder mal Miss Mutig überlassen alles in die richtige Reihenfolge zu bringen, wie immer, wie überall im Leben.

Da es sich um keinen gewöhnlichen Wochentag, sondern um einen Tag am Wochenende handelt, ergeben sich noch genügend Reibungspunkte, an denen man sich aufgeilen kann. Apropos „aufgeilen“. Eine Anfrage um Sex ist von diesem Stein vermutlich wieder nicht zu erwarten. Der beschäftigt sich ja an sogenannten „freien“ Tagen auch lieber noch mit seiner Arbeit, anstatt sich um seine Frau zu kümmern.

Doch endlich naht der Abend, mit seinen Bequemlichkeiten. Jeder hat erledigt was zu erledigen war. Stein fröhlich und Miss Mutig missmutig, nein, wutentbrannt wie zu erwarten, weil wieder mal nichts nach Plan verlief. Sie kam kaum an den gemeinsamen Internetcomputer um ihre Liebhabermails abzuchecken (ihr persönlicher Laptop braucht immer viel zu lange), da Stein seine überflüssigen Geschichten schreiben muss, die er dann auch noch in unanständigen Communitys einstellen will. Und dann musste sie auch noch kochen! Er konnte es ja nicht, wie alle wichtigen Dinge auf der Welt.

Aber danach war endlich Entspannung angesagt, Entspannung vom Leiden, vom praktischen Denken für alle, vom Planen, von den etwaigen Verletzungen, wie in den Finger schneiden beim Salat Zubereiten, die frau sich nur zugefügt hat, weil sie alles alleine machen musste… Aber vielleicht kommt ja was Schönes im Fernsehen.

Stein sieht sich immer gerne diese blöden Historienfilme an, „Humbold am Amazonas“, oder „Elisabeth die 1. von England“ und all so’n Quatsch, während sie eher auf deutsche Komödien steht, Filme also, in denen die Männer Clowns, die Frauen klug und die Kinder altklug und wohlerzogen sind.

Heute steht eine Natursendung auf dem Programm. Das können beide angucken, ohne daß einer unzufrieden ist. Aber was bisher auch kam, für Miss Mutig war es ohnehin zweitrangig, denn stets konnte sie sich endlich mit einer Tätigkeit die Zeit vertreiben auf die sich schon den ganzen Tag gefreut hatte, mit dem Zehenknacksen.

Immer, wenn es so richtig gemütlich wurde und sie sich auch ein bisschen an ihren Stein anschmiegen wollte, dann ging das auf diese Weise vor sich… „Darf ich meine Füße auf Deinen Schoß legen?“ fragte sie so nett, daß der Graf schlecht ablehnen konnte. Manchmal lächelte sie sogar dabei. Dann begann sie zu knacksen! Ihre Zehen mussten, soweit möglich, jeden Abend bewegt werden, denn auch sie gehören zu Miss Mutigs Sorgenkindern!

Nahezu unbeweglich, weil kreuz und quer ineinander verhakt, dürfen sie nun die ihnen längst zustehende Aufmerksamkeit erfahren. Doch das Ganze geht weder absolut schmerz- noch völlig geräuschlos über die Bühne. Und ein bisschen verändert es auch die Botschaft des jeweiligen Fernsehereignisses.

Genauer gesagt hört sich beispielweise die Stimme des Sprechers im heutigen Naturfilm dann ungefähr so an: Die Fla-knacks-os, im Knacks, knacks – ionalparknacks, sind knackshalb so knacksrosa, da knacks, knacks, knacks, knacks! Gottseidank dauert die Sendung nur eineinhalb Stunden. Stein bekommt wie üblich, seine Weichei-Migräne und Miss Mutig versteht nicht warum er sich jetzt, völlig ungehalten, beeilt ins Bett zu kommen.

Das gibt ihr dann wenigstens noch die Möglichkeit, sich beim Rauchen und Trinken auf dem verglasten Balkon, den Stein voriges Jahr zum Wintergarten ausgebaut hatte, damit sie sich dabei nicht erkältet, zu erholen. Ein paar Minuten ohne diesen anstrengenden Menschen mit seinen absurden Ideen müssen einfach sein. Woher sollte sie sonst die Kraft für ihren aufreibenden Führungsjob bei der Bank hernehmen? Ein bisschen Luxus muss sie sich schon auch gönnen! Das versteht sich doch von selber – oder?

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Kommentare

17. Mai 2015

Ach! Wenn wir doch hätten
Zehen - wie die Kastagnetten…

LG Axel

17. Mai 2015

Gute Güte! Habe ICH mich schlapp gelacht!
Leider bin ich weder verwandt noch verschwägert mit Sohwass Graf von Schlapp. Sonst könnte ich ihm Händchen oder die Ohren zu halten.
Schade.

19. Mai 2015

Daumen halten ist auch gut

Danke Euch!

LG Alf