Mord an einen Schweinebauern

Bild von Anita Zöhrer
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Ein Schweinebauer wird tot aufgefunden – erhängt in seinem Stall. Seine Frau, seine Finderin, fällt in Ohnmacht.

Wie ein Selbstmord sieht es aus, die Polizei lässt sich jedoch nicht täuschen. Es war Mord, erkennbar an seinen Schrammen und Blutergüssen, die auf einen Kampf hinweisen. Sein Knecht – der Haupterbe - wird sofort verdächtig.
Der Knecht beteuert seine Unschuld. Was hätte er von diesem Verbrechen gehabt? Dass er den Hof nun früher erbt, nützt ihm rein gar nichts. Er ist noch nicht soweit; der Bauer wollte ihm alles beibringen, was er wissen muss. Nun steht er da; erschüttert von dem Unglück, überfordert mit dem Hof.

Die Polizei ermittelt, der Knecht sitzt in Untersuchungshaft. Die Frau des Schweinebauern spielt die trauernde Witwe, hat längst jedoch einen anderen Mann. Im Geheimen feiern sie den Tod des Bauern, im Geheimen schmieden sie bereits Pläne für ihre gemeinsame Zukunft. Schon lange hat die Ehe nicht mehr funktioniert, schon lange wollte die Frau sich trennen, sein Ableben kommt ihr nun gerade recht.

Die Beweislast gegen den Knecht ist erdrückend. Er hat kein Alibi, die Nacht des Mordes verbrachte er alleine zuhause in seiner Wohnung. Die Fingerabdrücke auf dem Strick stimmen mit den seinigen überein, er kann seine Unschuld nicht beweisen.

Die Polizei ermittelt weiter. Weshalb der Knecht und nicht die Frau den Hof bekommen soll, es interessiert sie sehr. Die Frau fühlt sich betrogen, gaukelt den Ermittlern vor, nichts von dem Testament gewusst zu haben. Nur noch mehr versucht sie, ihren Angestellten in Schwierigkeiten zu bringen, nur noch mehr spricht gegen ihn, als sie die Vermutung äußert, er hätte den Schweinebauern erpresst.

Alles, was sie sagt, ist erlogen, alles an den Haaren herbeigezogen, doch wie soll der Knecht es beweisen? Die Übernahme des Hofes war nie seine Idee, es war sein Vorgesetzter, der mit diesem Vorschlag an ihn herangegangen war.

Freiwillig hatte die Frau auf die Wirtschaft verzichtet, was sollte sie denn auch mit einem Haufen stinkender Viecher, die sie auf den Tod nicht ausstehen kann? Nur sein Geld wollte sie im Falle seines Ablebens, nur sein von seinen Eltern geerbtes Vermögen schon zu seinen Lebzeiten. Doch sie kannte damals ihren heimlichen Verehrer noch nicht, erfuhr erst von ihm, dass es dumm ist, das Erbe mit jemanden zu teilen, wo man den Hof mitsamt den Tieren weiterverkaufen kann.
Zwar hat somit die Frau des ermordeten Mannes ein noch gewichtigeres Motiv als der Knecht, jedoch kann sie es beweisen, sie war es nicht. Ihr Alibi ist unantastbar, in der Mordnacht wurde sie von einigen Leuten in der Stadt auf der Straße gesehen, ebenso ihr Freund.

Der Knecht ist verzweifelt. Er war es nicht, trotzdem droht ihm eine Anklage wegen Mordes. Nicht er ist der Täter, trotzdem steht ihm eine heftige Gefängnisstrafe bevor. Einen Anwalt kann er sich unmöglich leisten, sein Lohn war nie höher, als dass er gerade noch zum Leben gereicht hatte. Nun bereut er es, er wollte es dem Schweinebauern zuliebe nie anders. Es war Dankbarkeit für dessen Freundschaft, die ihn zu dieser Entscheidung bewegte. Dankbarkeit, die sich nun rächt.

Der Knecht hat jedoch Glück. Einer der Ermittler glaubt ihm, ist von seiner Unschuld überzeugt. Genauestens sieht er sich den Tatort nochmals an, genauestens durchsucht er auf Erlaubnis des Richters hin das Haus, den Stall und die Scheune. Stundenlang ist er beschäftigt, doch kann er nichts finden, dass es aber irgendwo irgendeinen Hinweis auf den wahren Mörder geben muss und ist dieser auch noch so unscheinbar, es lässt ihn nicht los. Über die nächsten Schritte grübelnd geht er über den Hof, da entdeckt er das Auto des Schweinebauern. Warum nicht? Er hat nichts zu verlieren, auf die zusätzlichen paar Minuten kommt es auch schon nicht mehr an. Er öffnet den Kofferraum, hat Glück, das Auto ist unverschlossen, der Kofferraum ist leer. Der Ermittler nimmt auf den Fahrersitz Platz und durchsucht nebenan vor dem Sitz des Beifahrers das Handschuhfach. Ein zusammengefalteter Zettel! Der Ermittler faltet ihn rasch auseinander, die Enttäuschung ist groß, als er ihn liest. Nicht mehr als eine alte, unbedeutende Rechnung hält er da in seinen Händen. Zu dumm, seine Mühe war umsonst.

Auf dem Weg nach Hause erhält der Ermittler im Auto einen Anruf. Es ist ein Kollege, der wichtige Neuigkeiten für ihn hat. Sogleich fährt er zu seinem Büro zurück.

Der Ermittler wird bereits erwartet. Es ist ein Freund des Schweinebauern. Er hat eine ausgedruckte E-Mail bei sich, die er dem Beamten überreicht. Der Ermittler liest aufmerksam, er kann es nicht glauben. Selbstmord! Wie ist das möglich, wo ein solcher doch ausgeschlossen war? Doch gibt es keinerlei Zweifel, die E-Mail des Schweinebauern an seinen Freund beweist es. In wenigen Zeilen beschreibt er seine Not, er will sich die ihm bevorstehende Chemotherapie und die damit verbundenen Schmerzen nicht antun. Es hat ohnehin keinen Zweck, sein Arzt hat es ihm bestätigt. So oder so ist der Krebs in seinem Körper bereits viel zu sehr fortgeschritten, um eine Aussicht auf Heilung zu haben, so oder so musste er sterben.

Es war somit doch Selbstmord. Und woher die Schrammen und Blutergüsse stammten? Wohl nicht von einem Kampf, wohl von einem vorhergegangen Selbstmordversuch mit unerwünschten Ausgang.

Der Knecht ist frei, die Witwe schockiert. Zumindest zum Schein. So oder so ist ihr Mann tot, sie muss sich nicht mehr davor fürchten, dass ihre heimliche Liebschaft aufkommt. Damit er seine Ruhe hat, bezahlt der Knecht ihr einen Teil des Wertes des Hofes und übernimmt diesen wie im Testament vereinbart. Ein benachbarter Bauer steht ihm bei, wird ihm ein guter Freund und eine wichtige Stütze.

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