Bastian arbeitete schon seit fast 20 Jahren als Pfleger in einem Altersheim. Die Arbeit kann einen zermürben, freundliche Gesichter, die einfach nach und nach verschwinden, aber es gibt immer noch viele gute Momente, die Bastian seine Arbeit gerne machen lassen.
Pflegeheim besteht aus drei Stockwerden mit jeweils zehn Bewohnern. Bastian hat die Tagesschicht, hilft also den Leuten beim Essen, bringt Ihnen Kaffee und Kuchen am Nachtmittag bringt Ihnen Kaffee und Kuchen, wäscht sie, hilft beim Anziehen, fährt sie ein wenig im Rollstuhl herum, achtet auf die Medikamente und alles Weitere. Es gibt einiges zu tun, als Pfleger. Es gibt aber auch ganz spezielle Leute in dem Altersheim. Dazu gehören unter anderem Martha, die fast Hundertjährige, die jeden Morgen bei Sonnenuntergang herausgeschoben werden möchte, um das Sinken der Sonne nicht zu verpassen. Heinrich, der schon mehr als einmal nach einer Pflegerin gegrabscht hat. So wie Konrad, der jeden Tag Pflaumenkuchen isst und viele weitere Einwohner.
Es gibt schon einige interessante Menschen in dem Pflegeheim. Und dann ist da noch Wolfgang. Wolfgang leidet unter schwerer Demenz und ist nur noch sehr selten ansprechbar. Er erkennt niemanden mehr wirklich und hat nur sehr, sehr wenige klare Moment.
Früher war er Pianist, sehr erfolgreich, aber das ist nicht das Besondere. Das Besondere ist, dass er alle paar Monate eine Schallplatte auf den Plattenspieler legt und abspielt. Eine außergewöhnliche Platte. Ein Klavierstück, unbeschriftet. Niemand weiß woher es kommt, weil niemand die fremdartige Melodie kennt. Und immer wenn diese Platte spielt, wissen die Pfleger, dass jemand gleich stirbt, aus dem Pflegeheim. Immer wenn diese Platte spielt, da wissen die Pfleger, dass jemand aus dem Pflegeheim gleich sterben wird.
Erst war der Zusammenhang nicht klar und es ist bis heute nicht klar, eigentlich weiß man bis heute nicht, warum das so ist. Aber immer wenn die Melodie spielte, wussten die Pfleger Bescheid, dass es mit jemandem gleich zu Ende geht.
Es war gegen 16 Uhr, als die Melodie wieder spielte. Bastian hörte sie und murmelte: „Schon wieder?“. Erst letzte Woche hatte es so einen Fall gegeben. Trotzdem lief er los. Erst durchsuchte er die Zimmer im dritten Stock, doch dort ging es allen gut. Dann hechtete er aufgeregt in den zweiten Stock. Er wollte den alten Mann oder die alte Frau nicht alleine sterben lassen, das sollte niemand.
Auch im zweiten Stock ging es allen gut und hastig rannte er in den ersten Stock. Sein Herz schlug schnell von der ganzen Rennerei, doch auch hier unten starb niemand.
Dann kam ihm ein Gedanke. Wolfgang selbst, der der die Platte aufgelegt hatte, musste es sein. Er lief hoch und ging hastig zu Wolfgang, nahm seine Hand und sagte: „Du musst jetzt stark sein. Gleich wird es dir besser gehen.“ Wolfgang drehte sich zu ihm um und hatte den Selben mitleidig-traurigen Gesichtsausdruck wie Bastian ihn aufgesetzt hatte. Bastian wurde klar, dass die Schallplatte nicht für Wolfgang, sondern für Bastian selbst lief.
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Interne Verweise
- Autorin/Autor: Daniel G. Spieker
- Prosa von Daniel G. Spieker
- Prosakategorie und Thema: Kurzgeschichten & Kurzprosa, Grusel, Horror & Spuk