Story XXVII: Bolero Bigottero - Page 3

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unbequemen Klappstuhl mit fragender Verachtung an.
„Lieber Herr Boegbels, ich habe das alles auf meinem Smartphone gespeichert. Wenn ich das mit Ihrer Erlaubnis verwenden dürfte?“
Höhnisch grinsend nickte der propagandistische Joe knapp, während Marie A. unvermittelt in lautes Gelächter ausbrach, als ihr das antiquierte Modell des Müllerschen Smartphones ins Auge stach.
„Frau Kulakskaja, Sie sind doch auch damit einverstanden, wenn ich mein Smartphone verwende?“
„Jaja, meinetwegen. Sie sollten sich wirklich ein modischeres Modell anschaffen!“
Im Gegensatz zu dem professionell schmierigen Lächeln, das Abdul aufsetzte, grinste er grimmig in sich hinein; seine Pläne nahmen allmählich Gestalt an.
„Danke für Ihre aktivistische Toleranz, sehr geehrte Dame.“
„Ich sehe, Sie sind ein konformistischer Schreiberling mit Haltung, Herr …? Naja, ihr Name tut nichts zur Sache und interessiert mich eigentlich wenig. Ihr Blatt ist sowieso ein Fanal des erwünschten Haltungsjournalismus und da tut es wohl nichts zur Sache, wie Sie heißen. Also, Sie rasender Reporter, dann sagen Sie mal Ihr Sprüchlein auf!“
Mit einer wegwerfend huldvollen Geste in Richtung des wenig wertgeschätzten Hofberichterstatters forderte Boegbels diesen auf, mit dem Interview zu beginnen. Der listige Müller wiederum setzte ein entschuldigendes Lächeln auf, dessen füchsischen Hintergrund die Aktivisten-Göttin und ihr Propagandachef allerdings nicht erfassten.
„Die Herrschaften mögen verzeihen, aber bevor wir starten, müssen wir noch ein kleines Vorgespräch führen. Das ist notwendig, um die nötige Atmosphäre zu schaffen.“
Unwillig schüttelte der selbstbewusste Pressesprecher sein Haupt.
„Was soll der Unsinn? Zeit ist Geld und unsere Marie hat die Antworten bereits in gedruckter Form vor sich liegen. Also lassen Sie den Quatsch und legen Sie los!“
„Lieber Herr Boegbels, das dauert wirklich nur wenige Minuten, und wir plaudern nur über Nebensächlichkeiten wie beispielsweise Mode …etc…“
„Was fällt Ihnen ein? Nein, …“
„Aber Joe, lass ihn doch. Etwas Geplauder vor dem langweiligen Interview kann nicht schaden.“
Unangenehm berührt betrachtete der jäh unterbrochene Presse-Joe die schelmisch grinsende Kulakskaja.
„Aber Marie, wir haben doch noch heute wichtige Termine mit allerlei Vertretern aus Politik und Wirtschaft!“
„Vergiss nicht Joe, dass Du Papas Angestellter bist! Ich möchte jetzt gerne mit dem Typen vom ‚Starmirror‘ Small Talk machen, basta!“
Boegbels kannte bereits diese gelegentlichen Anfälle spätpubertären Widerstandsgeistes und wusste, dass Widerstand hier zwecklos war.
„Was immer Du meinst Marie. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich den Raum für eine Viertelstunde verlasse, um die anderen Termine zu verschieben?“
Außerdem besaß das Hilton eine ausgezeichnete Bar, in der Boegbels beabsichtigte, auf die Schnelle zwei oder drei harte Drinks zwecks klimaneutraler Stressbewältigung zu konsumieren.
„Tu Dir keinen Zwang an! Also sagen Sie mal, Sie Reporterling, verdient man eigentlich beim ‚Starmirror‘ so wenig, dass man so unmöglich in billiger Konfektionsware herumlaufen und sich nicht einmal ein vernünftiges Smartphone leisten kann?“
Derweil verspürte Abdul eine gewisse Erleichterung als Boegbels in Rekordzeit abrauschte. Es vereinfachte seine Pläne sehr, dass Kulakskajas Propagandaknecht den Raum verlassen hatte.
„Darf ich Sie Marie nennen?“
Die kleine Aktivistenkönigin nickte hoheitsvoll und der Tanz mit dem aus Verzweiflung geborenen wahren Journalisten begann:
„Also Marie, natürlich hast Du recht. Aber reden wir doch lieber von Dir! Man merkt eigentlich gar nicht, dass Du so modebewusst bist. Zumindest bei den Freitagsdemos siehst Du ja nicht gerade aufgestylt aus.“
„Aber …? Wie heißt Du jetzt eigentlich?“
„Abdul!“
„Klingt irgendwie ausländisch. Also Abdul, das gehört zu meinem Image. Natürlich laufe ich nicht wie jeder X-beliebige Spießer mit Klamotten vom Discounter während der Demos herum, aber doch etwas dezenter gekleidet. So haben es mir jedenfalls die Typen von der Marketingfirma empfohlen, die Papa für mich beauftragt hat.“
„Dein Vater scheint ja ziemlich begütert zu sein. Ist der nicht auch am Kampf gegen den Klimawandel durch diverse Beteiligungen an Windkraftbetreibern beteiligt?“
„Klar, Papa hat schon sehr viel in erneuerbare Energien investiert, um die Welt zu retten und sein Konto zu füllen. Papa hat schon begonnen gegen das wandelbare Klima investierend zu kämpfen, als das Gesetz über erneuerbare Energien herauskam und man damit einen Haufen Kohle machen konnte.“
„Jetzt behaupten doch eigene unbelehrbare Klimaleugner doch tatsächlich, dass Windräder einen äußerst schädlichen Einfluss auf die örtliche Flora und Fauna haben.“
„Flora und Fauna?“
„Speziell Vögel, Fledermäuse und Insekten, die in erklecklicher Anzahl entweder geschreddert werden oder sonst wie zu Tode kommen. Außerdem sollen ja demnächst weite Waldgebiete gerodet werden, um weitere Windparks einzurichten. Allerdings gibt es böse Zungen, die darauf hinweisen, dass man gar nicht so viele Windräder bauen kann, um den Energiebedarf, der durch die Abschaltung konventioneller Kraftwerke entsteht, zu deckeln. Einige behaupten sogar, dass man hier die Natur über die Klinge springen lässt, um mit vorgeschobenen Klimaschutzgründen einen satten Profit zu erwirtschaften.“
„Was für eine absurde Behauptung! Jeder weiß doch, dass Germanistan völlig selbstlos mit Windrädern zugepflastert werden soll, um die Menschheit vor dem Hitzetod zu retten. Diese gefühlskalten Leugner mit ihrer rationalistischen Hetze haben unseren Knall noch nicht gehört. Außerdem, wenn es um die profitorientierte Rettung der Welt geht, lassen sich eben Kollateralschäden wie das Aussterben bedrohter Arten nicht vermeiden. Mancher Vogel würde freudig in die Propeller eines Windrades fliegen, wenn er nur wüsste, dass die globalen Temperaturen um keinen Grad mehr ansteigen und wir dadurch den Endsieg über das Klima erkämpfen!“
„Jetzt gibt es tatsächlich Zeitgenossen, die zwar den Klimawandel nicht bestreiten, aber die Korrelation mit dem CO2-Gehalt in der Atmosphäre für übertrieben halten, da es sich bei Kohlendioxid um ein Spurengas mit einem Gesamtanteil von 4% an der Erdatmosphäre handelt. Ebenfalls 4% davon sind sozusagen vom Menschen gemacht. Einige Vulkanausbrüche hintereinander dürften wohl einen größeren Effekt auf den CO2-Haushalt haben als menschliche Bemühungen.“
„Die Richtigkeit unserer Aussagen sind längst durch einen Konsens von 99,9 % aller förderungsbedürftiger Wissenschaftler belegt. Es spielt bei diesem wissenschaftlich gepimpten Dogma keine Rolle, ob unsere Modelle sich in der Vergangenheit als unzutreffend und letztendlich fehlerhaft erwiesen haben! Was sollen eigentlich diese komischen Fragen?“
„Meine liebe Marie A., ich möchte Dich doch nur darüber informieren, was diese ketzerischen Leugner so alles verbreiten. Die wirst doch zustimmen, dass man diese Feinde der Menschheit nicht mit ihrer Hetze davonkommen lassen und der Staat diese Typen kriminalisieren sollte.“
„Unbedingt! Ich würde sogar so weit gehen und diese unverbesserlichen Querulanten in ein Lager stecken, wo sie dann über ihre Klimasünden nachdenken dürften. Das ist vielleicht aber zu human. Schließlich fördern die den Ökozid und sind dann durch die Klimakatastrophe am Tod Unzähliger schuld. Ich bin zwar gegen die Todesstrafe, aber für leugnerische Gedankenverbrecher sollte man da schon eine Ausnahme machen.“
„Um es nochmals zusammenzufassen: Du befürwortest es, wenn Hetzer mit unerwünschten Meinungen in Konzentrationslager interniert oder gleich hingerichtet werden?“
„Wenn man bedenkt, wie unverantwortlich hinderlich diese Klimaschädlinge sind, kann die Antwort eines jeden Klimakämpfer des Lichts nur lauten: Ja!“
„Nun ja, Deine Empörung lässt sich vielleicht nachvollziehen. Es soll ja unverbesserliche Kritiker geben, die behaupten, bei Dir und den meisten jugendlichen Anhänger der ‚Grünen Welle‘ handele es sich um die wohlstandsverwahrlosten Kinder der Bourgeoisie, die wenig Verständnis für Normal- und Geringverdiener haben, die sich schlichtweg kein klimaneutrales oder nachhaltiges Leben leisten können.“
„Du meinst diese asozialen Typen, die Plastiktüten verwenden oder Billigfleisch verzehren? Mein Gott, muss man denn jeden Tag Fleisch essen? Ich persönlich esse nur Öko-Steaks, die im Feinkostladen mindestens 50 Euro pro 250 Gramm kosten und völlig klimaneutral hergestellt werden, wie auf der Packung steht. Man kann ja nur verstockt und böse sein, wenn man solche Angebote nicht nutzt. Dann verzichtet der ignorante Pöbel eben einmal für vier Wochen auf tierische Produkte, zieht sich ausnahmsweise ordentlich mit Markenklamotten an und kauft dann sauberes Biofleisch vom Edelökoladen!“
„Ein äußerst sozial ausgewogener Vorschlag! Allerdings Marie, bist Du nicht angeblich Veganerin?“
„Naja, offiziell schon, aber Fleischersatzprodukte schmecken doch manchmal echt fade.“
„Okay. Kommen wir zu den ganz üblen Verschwörungstheoretikern, die doch tatsächlich den verbrecherischen Gedanken hegen, dass eure Bewegung ganz im Sinne des ganz großen Geldes abläuft und auch entsprechend von den Medien orchestriert wird. Offensichtlich fragen sich in diesem Sinne auch viele Klimaleugner, ob nicht die CO2-Bepreisung nur dazu dient, die immer leeren Staatskassen zu füllen.“
„Das ist ganz großer Unsinn, weil nicht sein kann, was laut systemrelevanter Medien nicht sein darf. Letztendlich haben wir die Regierung unter Bundeskanzlerin Wetterfähnel mit unseren hochintelligenten Slogans überzeugt, weil die einsah, dass sie uns ‚die Zukunft klaut‘. Da durch die neue Energieabgabe wirklich alles teurer wird, müssen die Prols mit Gehältchen eben den Gürtel enger schnallen und weniger Ressourcen verbrauchen. Es muss ja nicht jeder Hans Wurst nach Malle in den Billigurlaub fliegen. Die Prims sind doch besser schließlich besser am örtlichen Baggersee aufgehoben! Bei der letzten Klimaparty in New York haben wir sogar noch über diese Art von Klimasündern gesprochen. Da musste ich allerdings schon früher weg, um meinen Flieger nach Frankfurt noch zu erwischen, da am nächsten Morgen doch tatsächlich die erste Klasse komplett ausgebucht war.“
„Tja Marie, wenn wir schon über die allgemeine Erhöhung der Lebenshaltungskosten durch die CO2-Steuer sprechen, dann stellt sich natürlich die Frage, was beispielsweise diejenigen machen sollen, die ihre Heiz- oder Elektrizitätskosten dann nicht mehr bezahlen können, weil beispielsweise Lebensmittel künstlich verteuert werden?“
„Meine Güte, dann macht man eben halt einige Kniebeugen oder zieht drei Pullover übereinander an. Dann bleibt der Computer eben aus und die Asi-Familie spielt eine Runde Monopoly. Außerdem kann die alleinerziehende Mutter ja noch einen dritten Job annehmen, um den verwöhnten Gören die Bude zu heizen!“
„Die geborene Sozialpolitikerin! Fragt sich natürlich auch, wie die frei gewählte Askese der westlichen Welt sich auf Entwicklungs- und Schwellenländer auswirkt? Möglicherweise geht denen ja dann das Brot aus.“
„Dann sollen sie doch Kuchen essen! Was soll das eigentlich alles und warum hältst Du mir eigentlich dauernd Dein Billig-Smartphone in meine Richtung?“
„Meine liebe Marie A., nur nicht den Kopf verlieren. Wir sind ja haben es gleich …“
Bevor Abdul seinen Satz beenden konnte, betrat ein leicht angeheiterte Boegbels den Raum und der Tanz endete abrupt.
„Na Sie rasendes Reporterchen, sind Sie mit Ihren Vorbereitungen fertig?“
„Noch einen Augenblick, ich muss den Fragenkatalog auf meinem Smartphone noch aufrufen. Okay, es kann jetzt mit dem Interview losgehen!“
„Das wird aber jetzt allmählich Zeit, ich habe den Small Talk gründlich satt!“
Ungnädig betrachtete die Kulakskaja den lästigen Fragesteller, der wiederum lächelte hintergründig verschmitzt, da er soeben das zuvor aufgenommene Video auf der Seite des ‚Starmirror‘ online gestellt hatte. Derweil platzierte sich der Propagandaminister geräuschvoll und sah den unerklärlicherweise grinsenden Müller ungeduldig an.
„Also, Sie Haltungsspezialist, wird das heute noch was?“
„Gut, hier haben wir die erste Frage: Marie, nach aktuellen Meldungen des Staatsfunks sollst Du daran denken, eine neue Blockpartei zu gründen und für die Nationalversammlung zu kandidieren. Dürfen wir uns darauf freuen?“
„Oh Mann, welche Antwort soll ich denn jetzt nehmen? Auf dem Ausdruck stehen so viele.“
Wie so oft nach nicht auswendig gelernten Antworten seiner Brötchengeberin, verdrehte Propaganda-Joe die Schweinsäuglein.
„Marie, nimm die, bei der eine Eins steht!“
Stockend las Marie A. den vorbereiteten Text vor. (…)
Da ich dem geneigten Leser die nun folgenden Speichelleckereien gerne ersparen möchte und auch zu faul bin, um mich in Belanglosigkeiten zu verlieren, machen wir es jetzt kurz und schmerzvoll. Abdul führte das Interview tatsächlich durch, damit seine politisch unkorrekte, aber journalistisch einwandfreie, Aktion nicht zu früh aufflog. So bekam auch die Redaktion des ‚Starmirror‘ auch erst relativ spät Wind vom allgemeinen Spott und dem Shitstorm der wenigen Fanatiker im Netz. Natürlich wurde der Beitrag dann umgehend gelöscht und es hagelte kriecherische Entschuldigungen. Abduls journalistische Karriere endete natürlich für alle Ewigkeit, aber auch Sans Colonne-Vertébrale ließ man als Bauernopfer über die Klinge springen. Was Marie A. angeht, so stilisierten die Systemmedien diese natürlich zu einer Art Märtyrerin, die das Opfer einer ‚rechten Verschwörung‘ war. Ansonsten freut sich das Parlament Germanistans darauf, Marie A. bald begrüßen zu dürfen.

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Hat naturalmente nix mit lebenden oder toten Zeitgenossen zu tun.
Cheerio
JU

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