Die Statue

Bild von Anouk Ferez
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Du schlugst mich aus Granitgestein,
ich stand in stummem Staunen
vor dir, mein Meister, und dein Raunen
durchfuhr mich tief bis ins Gebein.

Dein Odem peitschte mir die Glut
in Adern, Lippen, Wangen.
Der Block der mich umfangen,
zerfiel: die Kälte wich weinrotem Blut.

Umfass mich, Meister, küss sogleich
mir Leben in die starren Glieder.
Erfüll mich, senk dich nieder,
zu meinem Pol, erforsch mein Reich.

Dich zieht mein Innerstes, mein Kern
in völlig ungeahnte Tiefen.
Die Geister, die einst schliefen,
erwachen, höhnen ihren Herrn.

Wer ist Gral und wer ist Wein,
wer fließt und wer umfängt?
Die Kraft, die unsre Glieder lenkt,
will unser beider Meister sein.

Zu unseren Füßen liegt Gestein,
im Staub liegt noch dein Meißel …
mein Fleisch ist deine Geißel –
mich schließt kein Block je wieder ein.

2016? Oder 2015?

Interne Verweise

Kommentare

02. Okt 2018

Hoch poetisch, im Rhythmus fließend, vom Inhalt her stimmig und tief berührend, in diesem Deinen Gedicht stimmt einfach ALLES, liebe Anouk, danke dafür.

Marie

02. Okt 2018

Liebe Marie, danke dir für dieses große Lob. Ich weiß nicht mehr genau, wann ich Gedicht schrieb, so vor 2-3 Jahren wohl. Hätte ich nicht mein altes Notizbuch wiedergefunden, hätte ich wahrscheinlich vergessen, dass ich es je schrieb. Ich weiß allerdings noch, dass ich ziemlich in Rage war, als ich es schrieb. Es war eine Zeit des inneren Aufbruchs in mir.

Liebe Grüße, Anouk

02. Okt 2018

Meisterhaft und ganz wunderschön, liebe Anouk. Da ist fast nichts mehr hinzuzufügen. Ich bin unglaublich begeistert und werde Dein Gedicht in meinen Ordner: "Die schönsten Gedicht bei Literatpro" kopieren. Danke für dieses Meisterwerk.

Liebe Grüße,
Annelie

02. Okt 2018

Liebe Annelie, ich freue mich so sehr über einen Platz in deinem Ordner! Da bekomme ich grad ganz rote Wangen.
Danke und
alles Liebe, sei herzlich gegrüßt,
Anouk

02. Okt 2018

Ja - Leben wurde da erschaffen!
(Seitdem macht Krause mich zum Affen ...)

LG Axel

02. Okt 2018

Vielleicht sollte man die Krause
auch mal behauen, schleifen und polieren
aber kein Banause
sondern ein Künstler sollte sich darin probieren..

lG
Anouk

02. Okt 2018

Wunderschön, sich von Deiner Sprachmelodie (ver )führen zu lassen und auch in Bilder einzutauchen, liebe Anouk. Von Vers zu Vers wird durch diese Deine unglaubliche Poesie die Statue zum Leben erweckt oder erschaffen/geboren .
( ...) will unser beider Meister sein - was für eine tiefsinnige Aussage .Ein hervorragendes Gedicht, meint mit lieben Grüßen - Ingeborg

03. Okt 2018

Danke, liebe Ingeborg, ich freue mich sehr über deine Zeilen und dass es dir so gefällt.
Ganz liebe Grüße
Anouk

02. Okt 2018

Als Mann muss ich mich sehr wundern! Was ist denn hier los?!
Fast eine jede Frau auf der Welt ist schöner, aufregender, geheimnisvoller, zaubrischer. als sie sich ein Mann, und sei es der größte Künstler (Pygmalion) in sich erdenken, vorstellen, erschaffen könnte. Deshalb stimmt wenigstens die Zeile: "mein Fleisch ist deine Geißel" zwiefach. Schon immer, für immer.

(Aber, Anouk, du kennst meinen Humor schon ein wenig? Sonst wehe mir.)
LG Uh.

03. Okt 2018

Hallo lieber Uwe, ich beobachte leider oft anderes: Was Frau sich nicht alles einfallen lässt um Mann zu gefallen.. das fängt an beim Dauerwellen, Haarefärben, Falten weglaysern, Pigmentflecken bleichen, Bauchdecke straffen , sich halb tothungern... Schlimm. Was über bleibt ist oft nicht mehr als ein unechtes in sich gefangenes Gebilde, das mal eine natürlich Frau mit liebenswerten kleinen Makeln war...
Vielleicht sollte Mann Frau mehr sagen, dass sie all das "nicht nötig" hätte. Da könntest du ja eine Art "Botschafter" sein :-)

Nein, im Ernst. Ich fand die Dove Camapgne "for real beauty" deshalb so gut.

Aber, hier geht es ja nicht nur um "SChönheit" sondern um den Selbsbefreiungsakt. Eine Frau, die in sich frei ist, all ihre Wesenszüge auslebt und erkennt, dass nur die männliche und die weibliche Seite gemeinsam ein EINS bilden (und man auch somit seinen eigenen inneren männlichen UND weiblichen Anteil integrieren muss), ist eh immer schön, denn es strahlt etwas Besonderes aus dem Inneren heraus.

Liebe Grüße von Anouk

02. Okt 2018

Beeindruckende Poesie.Großartiges Gedicht.
Das 'Du' und 'Dein' und 'Meister' irritiert
mich zunächst sehr . . .bevor ich verstehe ?

Die letzte Zeile nimmt mir den Zweifel,
sie formuliert mit einer
tollen Metapher die Essenz , übrigens das Ziel all meines Strebens : Autonomie,
ohne Götter und Transzendenz.
Hab ich's verstanden ?
LG
ulli

03. Okt 2018

Hallo lieber Ulli, ja , ganz ohne Gott hier. Mit dem "Meister" ist der Schöpfer der Statue, also der erschaffende Künstler gemeint, der die Statue zunächst als Puppe , als "willenlose und nicht-selbstbestimmte Marionette " quasi erschuf, bis er ihren Reizen erlag und sie belebte. Und nun fing ein Ringen an, wer hier der Richtungsangebende ist. Und die Statue war für immer "aus dem Block befreit" ( ein Selbstbefreiungsakt der Frau sozusagen). Ich denke du hast das richtig verstanden. Danke für deine nette positive Rückmeldunf, freut mich,
lg
Anouk

03. Okt 2018

„mich schließt kein Block je wieder ein.“ … der Meister hat dich befreit.
Wunderschön, dein Gedicht, liebe Anouk.

Herzliche Grüße
Soléa

03. Okt 2018

Danke, liebe Solea, ich freu mich wie stets über Rückmeldungen, danke fürs lesen und einen lieben Kommi
lG
Anouk

04. Okt 2018

:-) Hallo liebe Solea, leider ist meine Antwort an dich tiefer nach unten gerutscht. Da muss ich mal wieder irgendwas organisatorisch falsch gemacht haben
lG
Anouk