Blindgänger

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

Damals, in jenem Advent, als der Schnee
mit den Papierkörben an den Straßenlaternen
korrespondierte, und du mit dem Hund
in den Park gestapft warst,
zündete ich heimlich eine Kerze an,
starrte hinein und beschwor die Geburt
des Kindleins herauf, das besser im
Kaschubenland geboren wäre.
Später telefonierte ich mit Gott, der mir
jedes Mal erklärte, dass du das kränkste Schaf
in seiner Herde seist und er dich schlachten wolle,
sobald ich dich verließe. Aber das war gelogen.

Ich bin dann gegangen – irgendwann …
Da war kein Netz mehr, dass mich auffing,
nachdem du mich heruntergezogen hattest –
in deine morbide Gedankenwelt.

Du hast den Sturm beleidigt, die Sonne,
den Regen und den Schnee, deine Exfrauen,
Weihnachten, Gott, den alten Goethe und mich …

Ich weiß noch, wie hastig ich
die Kerzen löschte, sobald Dinos Gebell
an mein Ohr drang: So sehr fürchtete ich
deine Verachtung.

Ich habe nicht ein einziges Buch mehr
von dir. Ich habe sie alle verschenkt.
Unsere Liebe war ein Blindgänger:
Sie sollte gen Himmel starten und
explodierte in der Hölle.

Du lebst noch immer – und schreibst …,
so las ich kürzlich, mich tot – wie all
deine anderen Frauen; aber ich feiere
längst die Feste, wie sie fallen.

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