Die materielle Welt braucht uns …
Sie will geliebt werden und bietet sich feil
auf den Straßen dieser Welt wie eine Dirne,
die nicht immer hält, was sie verspricht.
Alles muss schnell gehen ...
Der Kauf wie im Rausch. Auf der Schwelle
steht bereits der nächste Kunde und erwartet
voller Ungeduld, dass du deine Ware verstaust
und ihn ans Ruder lässt.
Eingebettet in pittoresken Steinwüsten:
die materielle Welt,
große Verführerin unserer Zeit:
Bunt und schrill schreit sie nach Geld,
und wir zücken unsere Portemonnaies
und kaufen – bis sie leer sind.
Der Spaßfaktor? – Meist nur von kurzer Dauer,
aber nicht von der Hand zu weisen:
die Nützlichkeit mancher Produkte.
Touristen, polyglott, drängen sich mechanisch durchs
Gewühl, Kameras um die gestreckten Hälse geriemt,
Speiseeis schwenkend: Wir waren dort, auch wir, ja, wo
eigentlich … auf diesem Foto hatte Tante Malwine
schreckliches Zahnweh ... ausgerechnet an einem Sonntag.
Morgens: ein Pulk Tauben auf der Kaimauer im Hafen:
mit ruckenden Hälsen, Frührot in den Augen, die Spuren
der vergangenen Nacht diskutierend, die Verrohung der Welt und
wie sich die Zeiten geändert haben: Ruckediguh! – Früher
wurden wir gefüttert bis zum Erbrechen, heute gejagt bis
zum Herzstillstand; jeden Tag diese elende Hatz. Man mag
kaum noch von der Mauer runter und in die Stadt trippeln!
Mein Reichtum machte mich arm … nicht allein deshalb,
weil ich kaum noch Zeit hatte vor lauter Arbeit.
Ich starrte eines frühlingshaften Tages auf meinen Kontoauszug
und konnte es nicht fassen: Meine Provisionen, die rekordverdächtig
waren … der Verlag hatte tatsächlich jeden Euro überwiesen: mehr als
7000 für einen einzigen Monat.
„Ich glaub es nicht“, hatte ich fassungslos geflüstert, und ein
paar Leute blickten sich neugierig nach mir um.
Im Gras vor der Sparkasse zitterten vor lauter Freude
die Tropfen des Morgentaus, und ich verschenkte prompt
500 Euro an einen, der sie mit vollen Händen zum Fenster hinauswarf.
Ich wollte nie dein Schmerz sein, dummes Lieb; sei auch
du wieder mein stilles Glück. Sieb das Gift aus deiner kleinen
Seele und lass aufleben deinen Geheimbund mit der Rose.
Kommentare
Kaufrausch, kein Problem ihn zu bekommen. Was im Geschäft nicht erhältlich ist, holt man sich halt Online. Pay Pal sei dank und Sofortüberweisung geht natürlich auch… wir hauen das Geld schon raus. Wer weiß, wie lange wir noch alles kaufen können. Hohe Kante, Sparstrumpf war gestern, Dank mickriger Zinsen.
Hochsommerliche Grüße nach Lübeck
Soléa
Danke, liebe Soléa, für Deinen Kommentar, über den ich lachen musste. Ja, die Zinsen für Sparguthaben sind echt zum ... Heulen, Haareraufen. Auf meinem Sparbuch sind noch paar Kröten. Es werden ohne mein Zutun aber nicht mehr.- Und wer weiß, wie lang unsere Erde es noch mit uns Sündern aushält. In Anbetracht dessen sollte man nicht so knickerig mit sich sein und sich hin und wieder mal was Gutes gönnen.
Liebe Abendgrüße, verdächtig warm noch um diese Zeit,
Annelie
"Sieb das Gift aus deiner kleinen Seele und lass aufleben deinen Geheimbund mit der Rose" - wie das klingt, genau das sollte er tun, liebe Annelie, ich drücke Dir alle Daumen.
Liebe Grüße aus meiner überhitzten Stadt
Marie
Liebe Marie, vielen Dank für Deinen aufmunternden Kommentar - und ganz besonders "für alle Daumen": immerhin zwei. Du beherrscht die schriftliche Sprache, die tröstet und Mut macht. Und das ist sehr viel wert. Ich bin schon viel diplomatischer geworden und tue mein Bestes.
Liebe Grüße aus dem sechsten Stock, nicht ganz unterm Dach, aber
der heißen Sonne ziemlich nah,
Annelie