Du, Lupus, fremder Bruder, mir Augen gegen-über, struppig gesträubt Dein verlorener Blick, war ich im Traum Deine Schwester, Mutter, Dein Kind, zärtlich zerbissene
Schulterkuppen, Fell an Fell, Herz an Herz, im gleichen Takt, nachts im Schlaf, warst Du mir, bin ich Dir nah gewesen, bist Du immer noch, verzweifelt einsam,
ungestreichelt, wie ich, standst Du da abends im Zoo, Wildheit im Blick, in Dir gefangen, wie ich in mir, wollten wir Watte aus den Ohren uns reißen, fliegen, frei sein
für eine Nacht ohne Grenzen, rief ich, tauch in mich ein, Du, Wolf, in Deiner Sprache, und ich in meiner, in Dich, seelenverwandt, hob ich den Kopf, meinen, wie Du, zum Mond,
dem halb vollen, fühlte ich Wehmut, wie Du, und heulte, heulte, spätabends in die grauen Wolken, und fragte Dich, Horizonte vergessend, neben Dir
trabend, durch Wälder, finstere Weiten, wohin, warum? Deine Antwort, in der Sprache der Sehnsucht – wir sind, vergeblich, unterwegs auf der Suche nach Heimat
Kommentare
Der Wolf sei „böse”! Hundsgemein!
(Er könnt ja Konkurrenz uns sein …)
LG Axel
In deutschen Wäldern ist er neu,
der Wolf, und er ist menschenscheu ...
LG Marie
Manch Kind fühlt einsam sich - ganz wie ein lonesome Wolf.
Die Eltern spielen - im Verein - derweil nur Golf.
Weshalb nicht mit den Wolfen heulen ...
Da gruseln sich die Kieferneulen.
Ein Meistergedicht, liebe Marie; ich bin ganz hin und weg vor Anerkennung.
Liebe Grüße,
Annelie
Der Wolf ist, sozusagen, mein Wappentier, ich konnte schon als Kind heulen wie er, die Mär vom "bösen" Wolf in den Grimm-Märchen hab ich nie für bare Münze gehalten, und auf der vergeblichen Suche nach Heimat bin nicht nur ich, danke für Deine Anerkennung, Annelie -
liebe Grüße zu Dir zurück
Marie
Nur in der Nacht - so zwischen elfe und halb
zwölfe -
da singt er dann zum Mond das Lied der Wölfe:
Dort
wo der Regen net bitter schmeckt
dort
wo die Nacht die Zigeuner versteckt
dort
wo die Sonn' deine Wunden heilt
dort is des Land
das Freiheit heißt-
so glaubt er
der alte
blöde Wolf!
Dort
wo der Sturm die Baumspitzen quält
dort
wo der Wind keine Lügen erzählt
dort
wo ein Vieh kein Gitter kennt
dort is des Land
das er Freiheit nennt
so glaubt er
der alte
räudige Wolf.
- Ludwig Hirsch
Kam mir grad in den Sinn, weiß nicht... ein Lied das berührt wie auch dein Gedicht.
Lieben Gruß
Eva
Danke für das wunderschöne wirklich berührende Wolfsgedicht, liebe Eva, ich werde es mnír kopieren, ich habe "ihn" auch schon mehrfach bedichtet und grüße Dich herzlich zurück -
Marie
Freut mich Marie! Eigentlich ist’s ein Lied, Ludwig Hirsch war ein Liedermacherpoet :)
... ich werde es aufrufen im Internet und laut nach Noten singen, Eva ---
.... das freut mich, er ist einen Besuch wert ....
Hier noch ein außergewöhnliches Wolfsgedicht, von Christian Morgenstern, vielleicht kennst Du es, Eva:
Ein Werwolf eines Nachts entwich von Weib und Kind und sich begab an eines Dorfschullehrers Grab und bat ihn: Bitte, beuge mich! Der Dorfschulmeister stieg hinauf auf seines Blechschilds Messingknauf und sprach zum Wolf, der seine Pfoten geduldig kreuzte vor dem Toten: "Der Werwolf" - sprach der gute Mann, "des Weswolfs, Genitiv sodann, dem Wemwolf, Dativ, wie man's nennt, den Wenwolf, - damit hat's ein End." Dem Werwolf schmeichelten die Fälle, er rollte seine Augenbälle. Indessen, bat er, füge doch zur Einzahl auch die Mehrzahl noch! Der Dorfschulmeister aber musste gestehn, daß er von ihr nichts wußte. Zwar Wölfe gäb's in großer Schar, doch "Wer" gäb's nur im Singular. Der Wolf erhob sich tränenblind - er hatte ja doch Weib und Kind!! Doch da er kein Gelehrter eben, so schied er dankend und ergeben.
Oh das ist aber nett und nein, kannte es noch nicht.
Dankeschön!