Während wir feiern – im Advent ...

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

All diese Leute auf der anderen Seite
Des Zauns ... dort, wo unser Leid verklingt ...
Augen, die vor Neugier überquellen,
Hände, die nach unseren Wunden tasten,
Drin zu wühlen, Gesichter ohne Mitleid ...
Empört euch denn nicht, was ihr seht?

Schleichen am Stacheldraht lang, nächtliche
Silhouetten: düstere Lockung Mensch. Uns graut
Vor euch; bleibt fern, bleibt unserem Schattenreich
Fern. – Kein Scherz erheitert das Flüchtlingsherz:
Näher dem Tod als dem Leben,
Kann man auf uns nicht bauen.
Wir haben uns längst aufgegeben,
Und dennoch essen wir euer Brot,
Um das Wunder „Rettung“ zu erleben.

Menschen, Häuser, Hütten, Land ...
Was wir liebten und besaßen,
Tragen wir in unseren Herzen.
Wenige reichen uns die Hand,
Uns leuchten keine Weihnachtskerzen.
Das Tor zum Leben ist hinter uns
Ins Schloss gefallen ...

Für immer.
Die Hoffnung liegt im Staub begraben.
Manchmal ist es totenstill,
Weil jemand sterben will.
Wir betteln nicht um Spenden und Gaben,
Aber für ein Gebet sind wir dankbar
und immer zu haben.

Wir wissen längst: Die Herrscher sind ohne Erbarmen,
Reiche haben wenig Mitleid mit uns Flüchtlingsarmen.
Ihr betet fürs Jesuskind, ich weiß …
Er zahlte für uns Sünder einen hohen Preis.
Ach, bald werden wohl Drohnen die Lager umkreisen,
Gebrochene Menschen, Rebellen, in die Schranken zu weisen.

Wir Überlebende
Nach Krieg und Vertreibung …
Auserwählt zu leiden?!

Notiz aus einem Flüchtlingslager in Griechenland, 06.12.2018, den Menschen dort nachempfunden:

Das Lager fängt nicht mehr auf; es sperrt weg …
Die meisten von uns wohl für immer.
Wir werden hier nicht mehr lebend rauskommen,
haben keine Zukunft mehr.
Drei meiner Kinder brachte der Krieg keinen
Frieden, sondern den Tod.
Die freiwilligen Helfer haben sich zurückgezogen …
Es gibt in Europa nicht genügend Medikamente für
kranke Flüchtlinge.

Das Lager ist total überfüllt.
Bald werden wieder ein paar von uns sterben,
Platz machen vielleicht für einen Weihnachtsbaum …
Vielleicht … Die Kinder hier sehnen sich so sehr danach.
Unsere Männer sind verzweifelt. Unermüdlich haben sie
für sich und ihre Familien gesorgt, fühlen sich nutzlos
ohne Arbeit, sind verzweifelt, reden kaum noch,
haben kein Selbstvertrauen, kein Ehrgefühl mehr.

Wir wissen nicht, wohin. Viele von uns wollen sterben.
Weshalb sind die Herrscher dieser Welt so grausam?
Weshalb hassen sie ihr Volk so sehr?

Wir Überlebende
Nach Krieg und Vertreibung …
Auserwählt zu leiden?

Am schlimmsten steht es um das Lager Moria auf Lesbos. Hier konnte die BBC in den vergangenen Wochen vor Ort eine Reportage drehen. Der Zugang von Journalisten, Fotoreportern und Kamerateams in die Lager wurde von der Regierung nach dem EU-Türkei-Deal massiv eingeschränkt. So gibt es nur wenige Reportagen über die verheerenden Zustände in den Flüchtlingsländern.
Skandalös ist, dass Frauen und Kinder, Familien aus Kriegsgebieten, zusammen mit eindeutigen Wirtschaftsflüchtlingen auf engstem Raum zusammengepfercht werden. In den Lagern bilden sich rechtsfreie Räume, in denen die Insassen lernen, dass der Kräftigste und Gewaltbereiteste die besseren Überlebenschancen hat. Es gibt Selbstmordversuche selbst bei Kindern, die die Aussichtslosigkeit ihrer Situation nicht mehr ertragen können.
Von Wassilis Aswestopoulos

Im Weltspiegel vom letzten Sonntag wurde über die aussichtslose Situation der Flüchtlinge in Griechenland berichtet. Fatal auch, dass sie von Mitgliedern der „Patrioten Mytilenes", eine rechtsextreme Organisation in Griechenland, verfolgt, verprügelt (und mehr) werden. – Dazu passt auch, dass 38 % aller in Deutschland lebenden Juden auswandern möchten und, wenn ich mich an die Prozentzahl richtig erinnere, sind über 80 % der Juden in Europa in letzter Zeit verbal oder körperlich angegriffen worden (Tagesschau vom 07.12.2018). In Berlin ist kürzlich ein junger Mann mit jüdischen Wurzeln, der eine Kippa trug, von zwei Jugendlichen mit einem Gürtel am ganzen Leib verprügelt worden, Geschäfte jüdischer Mitbürger werden attackiert. Die Intelligenz in der Gesellschaft nimmt rapide ab, während der Antisemitismus auf dem Vormarsch ist. Im Schnitt gibt es bereits täglich vier Angriffe auf Juden täglich in Deutschland! Milva sang einst: „Wir müssen wach sein und falln uns auch die Augen zu ...“ Das gilt mehr denn je …
Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sagte der WELT: „Der Umstand, dass es immer wieder zu antisemitischen Übergriffen in Berlin kommt, ist unerträglich. Hier sind Politik und auch die gesamte Zivilgesellschaft gefragt, dem Einhalt zu gebieten.“
Es ist bereits soweit gekommen, dass jüdischen Menschen davon abgeraten wird, nach Deutschland zu immigrieren.
Zwei Lichter sollen heute brennen - auch für Flüchtlinge im Elend, für alle Verfolgten, Gefolterten, Gemobbten, Unglücklichen auf dieser Erde.

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