Gott Apollon ein Jahr unter den Menschen - Eine Gedichtsuite
I.
Wer spielt auf einer Pfeife
das Lied der Morgenluft,
dass himmlisch er begreife,
was weit von der Vernunft?
Wer kennt die Lösungsworte,
des Flötenspieles Text?
Wer spielt die Akkorde
für das, was wächst?
Wer ist der gute Schäfer,
der führt die Herd' zum Wall,
versorgt sie dort mit Gräsern
und Tönen von Kristall?
Wer will durch Weid'land gehen
im heißen Tages Qualm
und nächtigt mit Knechten
auf Pflanzenhalm?
II.
Apollo wohnt im thessalischen Stall,
trägt keinen Lorbeer auf dem güld'nen Haar.
Gesandt nach hier von Olymps Götterhall',
um zu verdingen sich als Knecht ein Jahr.
Es wohnt ein Gott im thessalischen Stall.
Verkleidet er zeigt sich dem Volk, bedeckt.
Sein Platz am Tisch ist am hinteren Rand.
Mit Tieren hat er im Stalle sein Bett,
besitzt keinen irdischen Gegenstand.
Im Hirtenmantel ein Gott sich versteckt.
III.
Im Herbst, rund wärmenden Bränden,
er sammelt die frierende Schar,
umsorgt mit gescheiten Händen
das Tier, das leidend war.
Sein wahres Heim sind Sagen,
die Seel' ein Lied, ein Gedicht.
Doch tut er ohne Klagen
die irdische Pflicht.
IV.
Der Segen ihm folgt, seiner göttlichen Spur.
Verdeckt auch der Mantel sein golden' Haar,
wohin Er auch geht, blüht die Flur.
Er spielt für die Schafe, die folgen dem Takt,
die Sonne, den Regen, den Ackerbau-Trakt,
wo er, der Tod, verliert die Macht.
V.
Der Hausherr hoch gepriesen sei,
Thessaliens Patron.
Wenn er erwacht beim Hahnenschrei,
steht er auf Gottes Grund.
Denn wer mit seinen Knechten wohnt
und isst von deren Brot,
ist der, der über allem thront
und hilft in jeder Not.
VI.
Was rieselt auf die Bäume wie Silberglanz,
beim Hochzeitsspiel der Flöte, der Tiere Tanz?
Was ist das für ein Reich, aus dem er entsandt,
er, der nicht uns ist gleich, woher er bloß stammt?
Am Meere einst gefangen, besinnt er sich
der Welt, die längst vergangen, ihrer Musik?
Und hört er noch die Lyra, den Jungfrauchor,
des Lebens heilig' Wonne, den steten Tod?
VII.
Noch wandeln Götter auf unserer Welt.
Einer vielleicht auch zu dir sich gesellt.
Glaub nicht daran, dass ein Gott jemals stirbt.
Er nah bei dir geht, doch du ihn nicht siehst.
Kein Purpurgewand sein eigen er nennt.
An seinen Werken bloß Gott man erkennt.
Kein Mensch auf Erden hat Gott je entdeckt:
Weilt er auf dieser, zeigt er sich verdeckt.
VIII.
Glaubst du, die Schafe würden
äsen im Morgenglanz
auf grasbewachs'nem Hügel,
wenn's keine Götter gäb'?
Glaubst du, der Frühling würde
binden den Blumenkranz
auf aller Toten Hügel,
wenn's keine Götter gäb'?
IX.
Bittet ein Menschenauge zum stillen Liebesfest
uns Kaltherzige, Trägen, die wir sind meist,
legt seine Hand zur Heilung von tiefem Seelenschmerz
- ein Freund, frei von Berechnung - auf unser Herz,
breitet ein Lichtglanz sich über unser Qualenbett -
dann sitzt an uns'rer Seite ein Gott, versteckt.
© Willi Grigor, 2018, Übersetzung/Übertragung der Gedichtsuite "Förklädd Gud" des schwedischen Dichters Hjalmar Gullberg, 1898-1961
Hjalmar Gullbergs Gedichtsuite nimmt seinen Ausgangspunkt in dem antiken Mythos um den Gott Apollon, verurteilt, sich unter die Menschen zu begeben und ein Jahr dem König Admetos in Thessalien als Knecht zu dienen.
Sie wurde vertont von Lars-Erik Larsson und ist eines der am meisten aufgeführten Chorwerke in Schweden.