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klein …!“ „Auf die musst du verzichten.“
Vor Kälte bebend zieht die Frau die Kleider an und weiß genau,
ihr Schicksal wird’s nun richten.
Von Ufers Strand geh’n sie zu zweien. Der Wind bläst wild und mächtig.
Die junge Frau hat bald ein Kind, sie streichelt ihren Leib so lind,
voll Hoffnung und bedächtig.
© C. Herntier
Der Botenweg (Corinna Herntier)
Der Wirt sprach: „Nimm die Botschaft mit,
bring sie zum nächsten Dorf, ich bitt.
Lass Freude dort erschallen.
Die Witwe Telse weint allein,
doch, trauernd muss sie gar nicht sein!
Der Sohn ist nicht gefallen!"
„Nun gut", sprach ich „ein Weg noch, geht.
Ich spute mich, denn es ist spät.
Wo klagt sie um ihr Kinde?"
„Dort durch den Wald, zu rechter Hand,
auf Hügels Mitte liegt ihr Land,
das kleine mit der Linde."
Die Dunkelheit brach schon heran,
als ich noch lief durch feuchten Tann
– die ersten Nebel stiegen
und fuhren mir mit klammer Hand
vom Fuße aufwärts durchs Gewand.
Und alle Tiere schwiegen.
Der Weg gab Antwort mir allein,
sein Seufzen nahm mich völlig ein,
bei jedem meiner Schritte.
Ich bat ihn still um sich'ren Halt.
Mein Hoffen nur: Die Häuser bald
zu seh'n auf Hügels Mitte.
Und kälter ward es, kälter nur!
Und dunkler! Ich verlor die Spur
beim Stand an Weges Scheide.
Wie sagte mir der Wirt im Ort?
Geh links? Geh rechts? 's war alles fort!
Nur das: Den geraden meide.
Ein Stoßgebet, ein In-mich-Hör'n,
Erinnerung heraufbeschwör'n
und meine Angst bezwingen …
was mir nicht half und nicht gelang!
Mir fror das Herz, mir war so bang.
Da fiel mir ein, zu singen!
Und ruhiger wurde es in mir.
Ich sang mein Liedchen für und für
auf meinem weiteren Pfade.
Der rechte Weg war's: Mein Entschluss,
ein ahnendes, gefühltes Muss,
und – gottlob – nicht mein Schade.
Denn als ich stolpernd seitwärts fiel,
erblickte ich von fern mein Ziel
– ein Licht durchdrang die Zweige!
Ich rafft' mich auf und eilte hin,
nur mit dem Licht in Aug und Sinn,
bis an des Dorfes Steige.
Wie leicht mein Schritt, wie leicht mein Herz,
als ginge ich grad himmelwärts
dem Paradies entgegen!
Der dunkle Tann – vergessen schon.
Ein Jubelschrei der Mühe Lohn,
und Dankbarkeit ihr Segen.
© C. Herntier
Veilchen (Sigrid Hartmann)
Das Laub hat ihren Schlaf bewacht
In vielen dunklen Stunden
Die endlich überwunden
Vergangen ist des Jahres Nacht
Von einem warmen Sonnenstrahl
Geweckt am frühen Morgen
Sind sie nicht lang verborgen
Erscheinen nun in großer Zahl
Im Gras das jung ist so wie sie
Am Wegrand unter Hecken
Kann man sie jetzt entdecken
Beflügeln manche Fantasie
Die Farbe die dem Himmel gleicht
Trägt stolz ein jedes Veilchen
Betrachte sie ein Weilchen
Bevor der Alltag mich erreicht
© Sigrid Hartmann
Aggregatzustände von Glück (noé)
Ein luftig-leichter Frühlingstag nach einem viel zu kalten, viel zu langen, viel zu grauen Winter. Der Mantel steht offen, Schal und Mütze sind zuhause geblieben, die Luft riecht so ... so ... prickelnd! Und die Seele nimmt Anlauf und katapultiert sich zu den schemenhaften Wölkchenschleiern, die das tiefe, tiefe Blau des Himmels nicht länger verstecken können. Diese leichte Luft! Und wie die Vögel jubilieren!!
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Ein Eisbecher mit einer dicken Sahnehaube und frischen Früchten der Saison an einem frühen Sommertag. Die Tische stehen draußen im Schatten, nur am Nachbartisch sitzt ein Pärchen mit zwei „Café au Lait“.
Das große Gedrängel schiebt sich an dieser kleinen Seitenstraße vorbei. Wenn ich die Augen schließe, könnte ich meinen, ich sei in Italien irgendwo. Alles Laute brandet vorbei, ich lege den Kopf in den Nacken, schließe die Augen und höre dem Getschilpe der frechen Spatzenbande zu.
Eine Zeitinsel im Hektikmeer.
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Das letzte Wort ist geschrieben. Die Klausur MUSS einfach gut geworden sein. Was heißt gut – brillant!
Endlich! Das dumpfe Lernen, Lesen, Überarbeiten der letzten Zeit, das Recherchieren, Googeln, die vielen verworfen Ansätze, die Angst, etwas falsch zu machen, zu vergessen, der fehlende Schlaf, alle Sorgen: vorbei!
Und eigentlich war es dann doch ganz leicht! Und wo waren sie denn, die Probleme, die wie ein Berg vor mir standen? Es flutschte nur so. Ich bin 20 Kilo leichter, jetzt, wo ich wieder durchatmen kann.
Gut, dass ich es endlich angepackt habe, endlich habe ich meinen inneren Schweinehund überwunden. Jetzt will ich erst mal an gar nichts mehr denken, einfach nur durchatmen.
Ja! Jaaa!!! Leben – ich komme! Ich bin ein Sieger und FREI!
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Er hat mich angesehen. RICHTIG, meine ich, nicht nur so flüchtig gestreift.
Seine Augen sind an meinen hängen geblieben. Sein Blick hat meinen eingefangen. Oder ich seinen? Ich habe es gesehen, dieses leichte Kräuseln der Mundwinkel, und ich kann SCHWÖREN, dass seine Pupillen größer geworden sind, dunkler. Er hat mich gesehen –und das Kribbeln zwischen uns, das war DA!
Ja! Auf alle Fälle! Das wird was, die Stromleitung steht ... Kann Leben schöner sein? Es ist so spannend!
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Der Schmerz lässt nach und die Spannung im Raum ist plötzlich weg. Ich genieße es, nicht mehr gefordert zu werden.
Ein Baby weint. Ganz entfernt. Die Hebamme sagt: „Das ist Ihres!" „Meines?" „Ja! Hören Sie? Das ist Ihr Baby und es ist ganz gesund!" „MEIN Kind?"
Alle Anspannung löst sich in einem explosionsartigen Lachen im Kreißsaal, breit lächelnde, zufriedene Gesichter ringsum und die Hebamme strahlt: „Nein, meines, ich nehme es mit nach Hause!" Sie drückt mir ein Bündel in den Arm.
MEIN Kind – und es ist gesund!
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Es ist so kalt. Alles, was ich habe, reicht nicht aus, mich zu wärmen. Ich habe mir Pappe untergelegt und einen leeren Umzugskarton aufgefaltet über mir, ich habe mir Zeitungen unter den Pullover geschoben, aber es ist kalt. Ich weiß nicht, ob ich diese Nacht noch überstehe. In der Einkaufspassage haben sie mich weggejagt, da war es wenigstens windgeschützt. Und alle anderen guten Plätze sind belegt. Es ist so fürchterlich kalt! Ich bin schon wie gelähmt, kann nicht einmal mehr zittern. Egal. Hauptsache, ich kann schlafen.
Da kommt wer. Zwei sind es. Was wollen die von mir? Zwei Engel müssen es sein. Sie haben heißen Kaffee für mich, MIT Milch UND Zucker, ein belegtes Brötchen und einen Teller dampfend heiße Kartoffelsuppe!
Ja klar, hätte ich gerne einen Schlafsack! Ob ich noch was brauche? O Mann! Und eine warme Mütze haben sie auch noch für mich!
Es MÜSSEN zwei Engel sein!
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Mama nervt!
„Lass liegen!", „Nein, das kaufen wir nicht!", „Lena, was hab ich gesagt! Bring das soofort zurück!", „Hör endlich auf zu quengeln, wir müssen uns beeilen!", „Nein, jetzt wird nicht gespielt! Guck mal, wie lang die Schlange an der Kasse ist!", „Lena, komm jetzt, verdammt nochmal! Wir haben