Dich zu suchen, zu finden

Bild von Annelie Kelch
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Was hat bloß der Wald, mein liebes Kind, mit dir gemacht?
Du bist dort hineingefahren und fandest nimmer hinaus.
Allein die Bäume wissen, wo und in welcher Nacht
du bitteres Leid erdulden musstest, schändliche Not.

Die meisten Leute im Dorf glauben, du seist längst tot.
Allein der Wind, mein liebes Kind, kennt dein trauriges Los.
Er weiß, was dir Böses in unserem Wald widerfahren ist;
niemand auf dieser Welt kann mir sagen, wo du jetzt bist -
aber ich suche nach wie vor deine Fußspur, dein Fahrrad im Moos.

Dein Fortbleiben, mein Verlust, ist nun länger als zehn Jahre her.
Die Akte wurde geschlossen, dein Schicksal interessiert keinen mehr.
Gewiss, die Zeit linderte meine Trauer, doch ich vermiss' dich so sehr
und streife hin und wieder tagelang durch diesen grimmigen Wald:
Allein dich zu suchen, zu finden - rechtfertigt hier meinen Aufenthalt.