Einzelfälle

Wen wundert schon noch die Gewalt,
die täglich fast entgegegenschlägt,
wenn die doch die Gesellschaft prägt,
in der wir alle leben ...
Was soll es andres geben,
denn ringsum ist es kalt.

Wenn man im Fernsehn sich durchzappt,
hört man schon an der Stimmen Ton
kaum unterdrückte Aggression
und Kriminalgeschichten,
in denen sie berichten,
wie Mord und Totschlag klappt.

Von Opfern wird am Rand erzählt,
als Zutat zu den grausen Taten.
Was sie zu leiden hatten,
das ist nicht wirklich interessant.
Lieber macht man dann doch bekannt:
Was hat den Täter lang gequält?

Und lüstern wird dann untersucht,
ja, wochenlang davon berichtet,
wie viele Menschen er vernichtet,
warum das unabdingbar war,
denn schon in jugendlichem Jahr
war innerlich er auf der Flucht.

Nur hat man das ja nie bemerkt,
denn er war doch so angepasst,
ja, unsichtbar war er doch fast ...
Gut, seltsam schon, auch nicht gesellig,
zurückhaltend, doch unauffällig ...
Niemals hat jemand sich beschwert ...

Was ist da durch den Rost gefallen?
Niemand kann das so recht benennen.
Man kann nicht JEDEN Nachbarn kennen!
Auch liest man in der Tagespresse,
man kriegt ganz schnell was auf die Fresse,
wenn man sich einmischt. Da gibt's Zahlen!

So kultiviert man "Einzelfälle".
Und kann die Welt nicht mehr verstehen.
Ganz nah kommt man dann dem Geschehen,
wenn man es in der Glotze sieht,
weil dort die Wirklichkeit geschieht.
Es friert. Und man tritt auf der Stelle.