Das Weinen der Engel

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von Heide Nöchel (noé)

Lang schon hatten die Engel geweint
um die verletzten kleinen Seelen,
und das Böse hat sich fröhlich vergnügt
in dem mitleidsvollen Tränennass,
mit seinen unendlich vielen Helfern:
So reiche Ernte und so viel Spaß!

Die kleinen Seelen blieben klein,
und verletzt,
und wehrlos,
manche verloren sich
in einer Welt ohne Empfinden.

Manche irrten suchend umher
für den Rest ihres Daseins,
ohne je erreichbares Ziel,
denn „Leben“ konnte man das nicht mehr nennen,
was sie rastlos vorwärts trieb …

Etliche hatten die Lektion verinnerlicht
und gaben Erlerntes weiter,
hilflose Adepten
einer implantierten Gier ohne Gefühl.

Die zartesten unter den Seelen,
deren Hoffnung selbst erdrosselt wurde,
blieben zurück,
Strandgut,
ein Schatten ihres Selbst,
das Knospe bleiben musste
und verdorrt war
unter der rücksichtslosen Gewalt.

Wenige nur
überwanden geläutert die erlittene Qual
ihrer unbeschützten Kindheit,
geläutert
durch das erduldete Unbeschreibliche,
im Glanz einer Ganzheit strahlend,
der es gelungen war,
die brutalen Erniedrigungen zu überwinden,
stark und gesund und schön
als ein Fanal,

aller falschen Scham zum Trotz,
die ihnen entgegenwuchs
aus den verzerrten Mündern der Ertappten,
die stets nur zugaben,
was sowieso bereits ans Licht gekommen war
und sich weiterhin wanden
wie die Schlange des Verderbens.

Lang noch werden die Engel zu weinen haben,
um immer neue
kleine verletzte Seelen …

© noé/2018

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