Als flögen wir davon

Bild von maruschka
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Ich halt inne. Werde ruhig. Nehme den Blick meiner Augen, den Augenblick wahr. Nur er zählt. Ich schaue hin. Schaue andächtig hin. Beuge mich. Mache mich klein. Denn ich bin klein. Winzig klein. Angesichts der Schönheit der Schöpfung. Der Anmut des kleinen Schmetterlings. Der versehentlich leicht schaukelnd auf meiner Hand gelandet ist. Er trägt den malerischen Namen Tagpfauenauge. Rostrot ist er. Die vier schwarzweißen Flecken auf seinen seidigen hauchdünnen Flügeln sollen Feinde erschrecken. Nur ein halbes Jahr lebt er. Doch er weiß nichts vom Tod. Er lebt, vermehrt sich und stirbt. Ich teile viel mit diesem Schmetterling. Wie lange noch werde ich leben? Ich weiß es nicht. Weiß so wenig. Lese nach im 90. Psalm, Vers 10: Wenn's hoch kommt, so sind's achtzig Jahre, und wenn's köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen; denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon. Alte, sehr weise Worte. Ganz still halte ich. Atme verhalten. Damit ich ihn nicht erschrecke. Freue mich. Freue mich sehr. Wenn er gleich abhebt. Und seine zarten Flügel ihn davon tragen ... wohin auch immer.

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Kommentare

Detmar Roberts
31. Okt 2016

Danke, Marie. Mir dem zarten wahren Prosagedicht verhilfst du mir zu einem Momento mori, ein Ausdruck aus dem mittelalterlichen Mönchslatein. Passt gut in den November, der morgen beginnt. Es grüßt sich D.R.

31. Okt 2016

Freut mich sehr, dass du mein Gedicht verstehst und magst.
Liebe Grüße Marie

31. Okt 2016

Ein so schöner Text. Ich liebe Schmetterlinge. Und dieser Text wird ihnen gerecht.
LG Monika

31. Okt 2016

Danke, Monika. Ein denkbar winziger Augenblick,
das ist ein Schlag der Schmetterlingsflügel.
LG Marie

31. Okt 2016

Im Alltag einen Augen-Blick innehalten, ihn sich bewusstmachen, zur Ruhe kommen ... was so einfach und natürlich klingt, lasse ich kaum zu und frage mich beim Lesen deiner Zeilen: Warum eigentlich?
Ein wundervoller Text, Marie.
Viele Grüße,
Corinna

31. Okt 2016

Ich muss es mir auch immer wieder aufs Neue bewusst machen, liebe Corinna.
Danke für deine Worte. Es grüßt dich: Marie