Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 161

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trank viel und die Gesellschaft benahm sich ziemlich solid. Der Exjesuit Gareau näherte sich Justine: »Sie haben,« sprach er leise, »den schönsten Popo der Welt. Ich habe kaum Zeit gehabt, ihm genügend zu huldigen, folgen Sie mir nach; wenn alle schlafen, wollen wir in einem Winkel plaudern.«

Verlassen, wie Justine war, fühlte sie sich glücklich, daß ein Wesen für sie Interesse bezeugte. Sie blickte den Mann an, der zu ihr sprach und da er anständig aussah, stieß sie ihn[387] nicht zurück. Der neue Liebhaber unserer Heldin führte sie in eine kleine Zelle, nachdem sich beide gesetzt hatten, begann folgendes Gespräch:

»Im Augenblick, da ich Sie gesehen habe,« sprach Gareau, »haben Sie mir sofort Interesse eingeflößt, Ihre entzückende Gestalt, kündet mir Geist an, Ihre Reden eine gute Abstammung und ich bin für mich überzeugt, daß das Mal, das Sie tragen, nur durch unglücklichen Zufall Sie getroffen hat. Ich verberge Ihnen nicht, mein Engel, daß ich Sie mit Kummer in unserer Gesellschaft gesehen habe; wenn Sie den Beruf dieser Leute nicht ebenfalls ausüben, fürchte ich, daß sie Sie töten könnten, wenn sie Ihrer satt sind. In dieser peinlichen Lage sehe ich für Sie nur ein Mittel, und das besteht darin, sich mit mir gut zu verhalten, damit ich Ihnen eines Tages den Weg zur Freiheit weisen kann.« – »Aber, mein Herr,« fragte Justine, »da Sie Interesse an mir nehmen, werden Sie mir doch nicht zur Flucht verhelfen.« – »Ich werde Ihnen nachfolgen, Justine, glauben Sie denn, daß ich für diesen Beruf hier geboren bin? Geldgier, Faulheit und Wollust sind die Ketten, die mich fesseln. Ich gewinne gerne Geld, ohne mich weiter darum bemühen zu müssen, aber ich hoffe, daß Sie einen Unterschied zwischen mir und diesen Leuten herausfinden, denn ich werde sie früher oder später doch verlassen und wir wollen dann ein gemeinsames Leben führen. Im übrigen, wenn Sie öffentlich erklären, daß Sie mit mir leben wollen, werden Sie davor bewahrt bleiben, sich jedem dieser Schufte täglich hinzugeben.« – »Nun denn, mein Herr, ich willige ein. Ich liefere mich Ihnen aus, wenn Sie mir feierlich versprechen, daß ich nicht gezwungen werden soll.« – »Ich schwöre es Ihnen,« sprach Gareau, »und will das Gelübde mit Ihrem Hintern besiegeln.« Seufzend gab sich Justine hin und der geschickte Jesuit fuhr so sanft hinein, wie es nur einem Jünger des Ignatius möglich ist.

»Jetzt aber wollen wir zurückkehren,« sprach er, nachdem er sich befriedigt hatte, »eine längere Abwesenheit könnte Argwohn auf uns werfen.«

Unsere Wüstlinge erzählten sich gerade Geschichten. Justine und Gareau setzten sich an das Feuer und beim Abendessen erklärte unsere Heldin, daß von allen Anwesenden Gareau allein ihr Vertrauen zu gewinnen gewußt habe. Der Anführer fragte Gareau, ob ihm dies passe, und nachdem dieser bejaht hatte, betrachtete man Justine allgemein als seine Frau.

Allein Gareau hatte, als er Justine seine Hand und seinen Schutz anbot, nicht aufrichtig gesprochen und die erste Nacht, die sie zusammen verbrachten, überzeugte Justine bald, daß sie nicht allein seine Gunst genoß. Einer der jungen Männer legte sich in der Nacht zwischen die Beiden. »Wer ist dies,« fragte Justine, »ist das Ihr Versprechen?« – »Ich sehe, es ist mein[388] Unglück,« antwortete Gareau, »von meiner liebenswürdigen Gattin nicht verstanden zu werden. Ich habe Ihnen gesagt, daß Sie Unterstützung, Ratschläge und liebevolle Aufnahme finden werden, nicht aber, daß ich enthaltsam bin. Sie müssen sich schon damit abfinden, daß wir häufig zu Dritt sein werden.« Während nun der Erzjesuit den Mann von hinten vornahm, verlangte er von Justine, daß sie das Glied des jungen Mannes lecke; so wurde ihr Entgegenkommen auf die Probe gestellt.

Einige Tage vergingen ohne weitere Ereignisse und Justine schien immer mehr das Vertrauen ihres Mannes zu gewinnen. Trotzdem war es ihr nicht möglich, ihn zu leiten, sondern sie mußte sich von ihm lenken lassen.

»Bald,« sprach eines Tages ihr Beschützer, »bald wird ein Dritteil unserer Leute, die sich auf dem Lande befinden, zurückkehren. Eine neue Abteilung wird ausgesandt werden, ich werde mich melden und Sie müssen mir nachfolgen; wenn wir einmal erst aus diesem schrecklichen Loch heraus sind, wollen wir nie mehr einen Fuß dahin zurücksetzen. Wir wollen uns in ein entlegenes Dorf flüchten und dort ruhig leben.«

»Oh, wie sehr gefällt mir dieser Plan,« rief Justine entzückt aus, »bringen Sie mich aus diesem Schlund weg, mein Herr, und ich schwöre Ihnen, daß ich Sie in meinem Leben nicht verlassen will.« – »Ich verspreche Ihnen, Sie herauszubringen, Justine, aber ich knüpfe daran eine Bedingung.« – »Und die ist?« – »Daß Sie die Kasse dieser Verbrecher mitstehlen und sie dann anzeigen.« – »Gut, die Kasse stehlen, das geht noch, aber sie bestrafen lassen, oh Gott, dazu werde ich niemals meine Einwilligung geben.« – »Nun denn, dann bestehlen wir sie einfach, dann soll aus ihnen werden, was da will.«

Wir haben den lebhaften Wunsch, den Lesern immer den Charakter unserer Heldin so klar zu zeigen, wie er war. Wir müssen also berichten, daß der Grund, weshalb sie in den Plan einstimmte, der war, daß sie dem Anführer der Truppe ein Geständnis machen wollte, um dann die Gnade des Schuldigen und ihre eigene Freiheit zu erwirken. Nach einigen Tagen kam eines der Mitglieder der abwesenden Abteilung an und berichtete, daß seine Kameraden zurückkehrten. Sofort versammelte sich das nächste Detachement und Gareau erhielt einstimmig den Oberbefehl über die kleine Armee.

Justine bat nun den Anführer um eine geheime Audienz, und als sie allein mit Gaspard war, entdeckte sie ihm ihre Geschichten, die jener viel besser wußte, wie sie selbst. »Vertrauensseliges Mädchen,« sprach der Hauptmann, »Gareau hat sich über Sie lustig gemacht und Sie sind in eine Falle geraten. Ihr Mitbruder hat Ihnen drei Dinge vorgeschlagen, uns zu bestehlen, uns anzuzeigen und zu flüchten, Sie gestehen nur den Diebstahl zu, Sie haben die Anzeige zurückgewiesen, die Flucht[389] aber in Ausführung bringen wollen. Das ist mehr als genug, Sie ordentlich bewachen zu lassen. Sie lieben unser Handwerk nicht und wir sind sicher, daß Sie es niemals beherrschen werden. So müssen wir Sie bloß als unsere Hure und Sklavin hier behalten und in beiden Fällen müssen Sie mit Eisenketten angeschmiedet werden.« – »Oh, mein Herr,« rief

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
Prosa in Kategorie: 
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