Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 95

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bereits angewendet hatte. Endlich, nachdem ich lange nachgedacht hatte, gab mir meine frevelhafte Einbildungskraft folgenden Gedanken ein. Ich verwendete die von Veronika ihren unglücklichen Eltern entwendeten fünfzigtausend Francs dafür, um die in folgendem genauer geschilderte Maschine ausführen zu lassen.

Die beiden Schwestern, ganz nackt, waren in eine Art von Panzerhemd eingehüllt, das, durch Federn regulierbar, sie an einen kleinen, mit Stacheln versehenen Holzschemel, der nach meinem Belieben funktionierte, fesselte. Sie befanden sich in einer Entfernung von acht Fuß von einander; zwischen ihnen war ein Tisch mit den erlesensten, schmackhaftesten Gerichten; sonst wurde ihnen keine Nahrung gereicht. Doch mußten sie ihre Arme ausstrecken, um nach jenen zu langen; wenn sie aber dies taten, bestand die erste Marter darin, daß es ihnen unmöglich war, sie zu erreichen. Bald aber wurde ihnen eine unvergleichlich schmerzhaftere fühlbar gemacht. Diejenige, die ihre Arme ausstreckte, setzte dadurch alsobald gegen sich sowohl wie gegen ihre Nachbarin mehr als Viertausend Stacheln oder Scheeren aus Stahl in Aktion, die sie beide sogleich zerrißen, stachen und mit Blut bedeckten. So konnten die Unglücklichen nur dadurch daran denken, das Bedürfnis, das sie quält, zu befriedigen, daß sie sich beide gegenseitig töteten. Eine Woche lang ertrugen sie diese entsetzliche Marter, währenddem ich täglich acht Stunden damit verbrachte, sie zu betrachten, wobei ich mich ebenfalls vor ihren Augen bearbeiten ließ oder mit den hübschesten Gegenständen meines Serails Sodomie trieb. Nie in meinem Leben hatte ich ein wütenderes Entzücken verspürt; ich kann die Genüsse, die mir dieses Schauspiel bereitete, nicht schildern, »ich ergoß meinen Samen bei jeder Sitzung vier oder fünfmal.«

»Sapperlot, das glaube ich,« sagte de Severino, indem er die Erzählung, wonneröchelnd sich in den Hintern eines der schönsten Mädchen des Gelages entladend, unterbrach, »ja, beim Teufel, das glaube ich, denn das sind Einzelheiten einer der merkwürdigsten Szenen, die man sich[218] vorstellen kann; das Vergnügen, das unser Bruder Jérome dabei empfand, muß höllisch stark gewesen sein, was ich aus dem Entzücken schließen kann, in das mich die bloße Erzählung versetzt.« – »Wir brauchten auch so eine Maschine,« sagte Ambroise, der sich von Justine reiben ließ, »und ich bürge dafür: wenn wir je eine besitzen, werde ich sie sicherlich zuerst an dieser Person da erproben.« – »Fahre nur fort, Jérome,« sagte Sylvester, dessen Glied hart war wie eine Eisenstange, »denn du bewirkst sonst, daß wir uns einer nach dem anderen entladen, wenn du uns lange bei dieser köstlichen Idee verweilen läßt.«

»Ich hatte Gelegenheit,« begann Jérome von neuem, »auf den verschiedenen Reisen, die ich nach Messina unternommen hatte, unsere liebenswürdigen Mitbrüder, die Benediktiner der berühmten Abtei Saint-Nicolas-d'Assena, kennen zu lernen;« sie waren so freundlich, mich in ihr Haus und ihren Garten zu laden und mich an ihrer Tafel Anteil nehmen zu lassen; besonderes Interesse erregte unter ihnen der Pater Bonifacius von Bologna, einer der charmantesten Wüstlinge, die ich je kennen gelernt habe. Die Wesensgleichheit meines Charakters mit dem seinigen hatte mich fest genug mit ihm verbunden, um uns eine Menge Dinge anvertrauen zu können. »Glauben Sie, Jérome,« sagte er mir eines Tages, »daß wir allen Genüssen, an denen die Weltleute sich erfreuen, entsagen? O, mein Freund, glauben Sie das ja nicht! Doch müßten Sie Mitglied unseres Ordens sein, wenn Sie diese Geheimnisse kennen lernen wollen; und reich, wie Sie sind, ist nichts leichter für Sie, als einzutreten.« – »Aber was ist's denn mit meiner Eigenschaft als Geistlicher, die ich durch den Ankauf von Land auf dieser Insel mir erworben habe?« – »Das wäre nur ein Grund mehr,« antwortete Bonifacio. »Sie behalten Ihr Gut, werden mit offenen Armen aufgenommen und sogleich in alle Geheimnisse des Ordens eingeweiht.« Man kann sich nicht vorstellen, wie dieser Gedanke mich aufregte. Die Gewißheit, meine Laster unter der imponierenden Maske der Religion verhüllen und ihnen dadurch nur noch mehr fröhnen zu können, die Hoffnung, mit der mir Bonifacio schmeichelte, ich könnte mich sehr rasch in die Rolle des himmlischen Mittlers zwischen dem Menschen und seinem angeblichen Gott einleben, die noch viel süßere, die ruchlose Religion dazu mißbrauchen zu können, um ungestraft nach meinem Belieben das Geld der alten und die Erstlinge der jungen Weiber stehlen zu können: all das versetzte mich in einen unsagbaren Taumel. Acht Tage nach dieser dringenden Einladung Bonifacios hatte ich die Ehre, mir die Mönchskittel anlegen zu dürfen[219] und konnte mich sofort an allen Ruchlosigkeiten dieser Mißetäter beteiligen. Könnt Ihr es glauben, meine Freunde! Es ist wahr, daß die Ehrerbietung und Unterwürfigkeit des Volkes in jenem Lande der Geistlichkeit gegenüber ganz anders sind als in Frankreich, aber es ist doch erstaunlich, daß es in Messina keine einzige Familie gab, in deren Geheimnisse diese Spitzbuben nicht eingeweiht gewesen wären, deren Vertrauen sie nicht besaßen; ich überlasse es Euch, auszudenken, welchen Nutzen sie daraus zogen. Was aber ihre Vorsichtsmaßregeln betrifft, so sind die der Benediktiner von Saint-Nicolas-d'Arsena mindestens ebenso gut wie die Euren.

In ausgedehnten, nur den Brüdern des Ordens bekannten unterirdischen Gewölben ist alles, was Italien, Griechenland und Sizilien an schönen jungen Knaben oder Mädchen hervorzubringen vermögen, reichlich vertreten. Die Blutschande blüht dort wie hier; ich habe Leute gesehen, die ihre fünfte Generation bearbeiteten, nachdem sie mit den vier vorhergehenden ebenso getan hatten. Der einzige Unterschied, der zwischen diesen Klostermönchen und Euch besteht, ist der, daß sie sich nicht die Mühe geben, ihre Ausschweifungen im Schoße dieses großen unterirdischen Gewölbes zu verbergen: nie steigen sie da hinab. Die Porträts ihrer Wollustobjekte, die sie mit schweren Kosten erkaufen, sind in einem geheimen Gemache ihres Gebäudes angebracht; sie lassen sogleich den Gegenstand herbeischaffen, nach dem ihr Glied Sehnsucht trägt. So gibt es keinen Augenblick im Tage, wo man sie nicht nacheinander bei ihren klösterlichen Verrichtungen oder bei den göttlichen Gegenständen, die reichlich in ihrem Serail vorhanden sind, vorfindet. Was ihre wollüstigen Begierden betrifft, könnt Ihr Euch leicht vorstellen, daß sie ebenso entartet sind wie die Eurigen; die Leute, die von hier dorthin eingetreten sind, haben Euch hinreichend versichert, daß die von der Religion geschützten Ausschweifungen stets ganz besonders wüst sind.

Die außergewöhnlichste Leidenschaft, die ich unter diesen liebenswürdigen Zölibatären beobachtete, war die des Don Chrysostomus, des Superiors des Hauses. Er fand nur an vergifteten

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
Prosa in Kategorie: 
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