Die kleine Wohnung

Bild von HelenaTh
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Mit der Kippe im linken Mundwinkel, dem schmutzig blonden Haar, dass ihm auf die Schultern hängt, das unergründliche Lächeln und seine undefinierbaren Augen, sieht er aus wie einer dieser Darsteller dieser alten Hollywoodstreifen, die mein Vater und ich früher so gerne gesehen haben. Der charmante und gutaussehende Frauenheld.
Seine Finger spielen an dem Feuerzeug umher. Es ist knallpink und hat vorne ein Einhorn. Es zerstört mir das Bild.
Meine Eigenen Finger zittern als ich den Knopf drücke und kurz mein Blickfeld schwarz wird. Er räkelt sich etwas und steckt sich die Kippe an. Wieder drücke ich den Knopf. „Hast du nicht schon genug Fotos zusammen um eine Wand mit mir zu dekorieren?“, fragt er mit einem jungenhaften Grinsen im Gesicht. Ich löse mich von meiner Kamera und richte mich auf. Währenddessen inhaliert er tief und legt den Kopf in den Nacken. Dabei fallen ihn die Haare aus dem Gesicht. Ich bewundere still den Moment und bin sauer das er mich unterbrochen hat. Dann stößt er den Rauch aus und schaut noch einen Moment an die Decke. „Man kann nie zu viele Bilder haben“, antworte ich ihm. Doch er achtete gar nicht mehr auf mich. Sein Blick haftet an der Decke und der Wand die mal einen Anstrich vertragen könnte. Grau in Grau. Es kommt mir einfach so in den Sinn.
Er dreht mir den Kopf zu und seine Pupillen weiten sich ein bisschen. „Hier“, er wirft mir die Packung über den Tisch der uns trennt und ich fange sie auf. Dann hole ich mir auch eine Kippe und zünde sie mir an. Erst jetzt merke ich wie sehr ich eine gebraucht habe. Wir rauchen gemütlich weiter und irgendwann steht er auf. Kleine Staubwölkchen stieben aus dem Sofa auf als er sich neben mir fallen lässt. Zusammen starren wir die Wand an. „Sie könnte einen Anstrich gebrauchen,“ seine Stimme ist viel zu laut für die Stille dieser Wohnung. Ich lache auf. Es ist ein Reflex. „Wir haben kein Geld für Farbe.“
Er wendet sich mir zu und lächelt wieder dieses jungenhafte Grinsen. „Wir haben für alles Geld, Baby.“ Ich rolle mit den Augen und schnippe ihm meine Asche entgegen. Er lacht und packt meine Hand mit der Kippe. Mit den Fingerspitzen fährt er mein Handgelenk nach und zeichnet die blauen Adern. „So vollkommen“, flüstert er. Ich lege mit meiner anderen Hand die Kamera weg und setzte mich ihm zu gewandt hin. Der Staub umnebelt alles und lässt selbst das graue Morgenlicht, das zwischen den Lamellen hindurch scheint, fade wirken. Qualm steigt mir in die Nase und mein Herz rast angenehm. Ich schiebe es auf das Nikotin und beuge mich vor. „Du,“ flüstere ich so leise ich kann und wiederhole es. Bald ist es kein Flüstern mehr. Ich habe keine Stimme mehr für das was ich sagen will und trotzdem bewegt sich mein Mund weiter.
Ich halte mich an der Kippe fest. Sie ist mein Anker in einer Welt die aus den Fugen gerät. Sie ist mein Halt jedes mal wenn ich etwas sehe was zu viel für mich ist um mich wieder auf den Boden zu holen. So auch jetzt.
Er legt eine Hand an meine Wange und zeichnet ungesehene Muster auf mein Gesicht. „Du“, flüstert auch er. So lange bis auch seine Stimme versagt. Ich schließe die Augen. Verbanne diese kleine Wohnung aus meinem Kopf und fühle nur. Ich spüre das Polyester unter meinem Hintern. Die kleinen Staubwölkchen die sich auf meine Haut und Haare legen, so als wollen sie mich begraben. Und ich spüre die sich nährende Hitze der Zigarette in meiner Hand. Sie wird mir die Haut verbrennen. Aber das alles wird beiseite geschoben als ich seine Lippen auf meinen spüre. So sanft und zart wie ein Windhauch. Sobald sie weg sind giere ich nach mehr.
Ich spüre wie auch er trunken vor Lust sich nicht mehr halten kann. Ich öffne die Augen und erstarre. Er ist vollkommen. Und so drücken wir unsere Zigaretten auf den Tisch.

Von uns bleiben nur zwei schwarze Flecken auf einem Tisch. Zwei weitere Schönheitsflecken in einer vollkommen Wohnung.

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